Anna (21) aus Offenbach: So hilft ihr „Kiz Prowina“ aus der Obdachlosigkeit
Das Wohnprojekt von Kiz Prowina in Offenbach gibt obdachlosen Jugendlichen neben einer Unterkunft auch eine Perspektive. Eine junge Frau erzählt ihre Geschichte.
Offenbach – Die kleine Einzimmer-Wohnung mit Bad ist für Anna ein Paradies. „Hier bin ich ungestört, kann lernen und Ruhe finden“, freut sie sich. Kennt sie doch das Leben auch ganz anders. Die 21-Jährige zählt zu den obdachlosen Jugendlichen in Offenbach und wusste in den letzten Jahren oft nicht wohin. Anna wechselte von Übernachtungen auf der Couch von Freunden in Notunterkünfte und zurück. Hilfe bringt ihr nun ein Jugendwohnprojekt des Trägers Kiz Prowina, der sich im Auftrag der MainArbeit dem Job-Coaching von jungen Menschen widmet.
Seit zehn Jahren bringt Kiz Prowina Offenbacher Nachwuchs in Ausbildung und Lohn und Brot. „Dabei sind wir immer wieder auf das Problem der Wohnungslosigkeit gestoßen“, sagt Teamleiter Daniel El Mokdad. Von etwa 200 Jugendlichen im Programm pro Jahr habe die Hälfte kein dauerhaftes Dach über dem Kopf. Was aber nicht bedeute, dass die jungen Frauen und Männer mit dem Schlafsack in der Straßenecke nächtigen. Kein Obdach zu haben, gestalte sich bei Jugendlichen weniger auffällig. So suchten sie eher Zuflucht bei Freunden, in Hotels und zur Not im Wohnheim. „Wobei es auch Fälle gibt wie den eines jungen Mannes, der seine Habseligkeiten in einer Tüte hat und damit tagsüber unterwegs ist und nachts die Notunterkunft nutzt“, sagt El Mokdad.

Jugendwohnprojekt in Offenbach: Jugendliche von der Straße holen
Auch Anna weiß, was es heißt, keine andere Möglichkeit mehr zu haben, als eine der offiziellen Schlafstätten für Obdachlose aufzusuchen. „Ich war da auch mal eine Zeit lang“, erzählt sie. Doch sie habe schnell begriffen, dass diese Art von Unterkunft ziemlich hart und für sie keine Alternative sei. „Es geht da hauptsächlich um Alkohol und um Drogen und es wird viel geklaut“, hat sie erfahren. Ebenso wenig sei es aber möglich gewesen, sich nochmal in die Arme der Familie zu flüchten. „Meinen Vater kenne ich gar nicht und das Verhältnis zu meiner Mutter ist vollkommen zerstört“, berichtet die junge Frau.
Ausgestattet mit Ehrgeiz und einem guten qualifizierten Hauptschulabschluss dachte Anna trotz Wohnungslosigkeit viel über ihr künftiges Leben nach. „Ich habe das Glück, dass ich seit einiger Zeit übergangsweise bei der Familie meines Freundes leben kann“, erzählt sie. Dort sei ihr klar geworden, dass sie etwas erreichen möchte, dabei aber auch Hilfe braucht.
„Ich will mein Leben auf die Reihe kriegen und einen Beruf erlernen“, sagt sie. Entsprechend bat die junge Frau verschiedene Institutionen um Unterstützung und landete schließlich bei der MainArbeit. „Dort und beim Jugendbildungswerk hat man mir sehr geholfen, ohne die Mitarbeiter, die ich angetroffen habe, hätte ich es nicht geschafft.“ Und so steht Anna voller Stolz nun nicht nur in der ersten eigenen Wohnung, sondern sucht auch mit Elan nach einem Ausbildungsplatz als Friseurin, später will sie als „Stylistin“ weitermachen. „Aber zuerst möchte ich alle Grundlagen lernen“, kündigt sie an.
Offenbach: Jungen Menschen neben Wohnen auch eine Zukunftsperspektive geben
Drei Wohnplätze gibt es in dem Kiz-Prowina-Projekt derzeit, die Einzimmerwohnung von Anna und eine Zweizimmerwohnung für zwei Leute. Handfeste Unterstützung bei der in Offenbach nicht gerade einfachen Wohnungssuche kommt von der GBO, die auf geeignete Appartements aufmerksam macht. Acht Unterkünfte sollen es in naher Zukunft sein. „Der Bedarf ist groß“, stellt El Mokdad fest.

In erster Linie richte sich der Blick nun auf „motivierte Jugendliche“ wie Anna, die Chancen haben, dem Kreislauf von Arbeits- und Wohnungslosigkeit samt anschließender Hoffnungslosigkeit zu entfliehen. Vermeiden will Kiz Prowina dabei allerdings Wohnprojekte, bei denen viele Jugendliche an einem Ort leben und eine Art „Brennpunkt“ bilden. „Wir suchen die Wohnungen bewusst dezentral und über die Stadt verteilt aus.“
Etwa ein halbes Jahr kann Anna nun in ihrer Wohnung bleiben, in der Zeit gilt es, eine dauerhafte Bleibe zu finden. Vorgesehen sind regelmäßige Besuche der Kiz Prowina-Vertreter, die auch ein Auge auf die Lebensführung haben. Nächste Aufgabe: einen Stromanbieter aussuchen und Möbel kaufen, dafür steht ein Besuch im Sozialkaufhaus Luise 34 an. „Jetzt kann ich endlich durchstarten“, freut sich Anna. (Barbara Scholze)
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