Stolperfallen in Offenbach: Kein Schadensersatz für verunglückte Seniorin

In Offenbach gibt es zahlreiche marode Straßen und Gehwege. Die Stadt räumt die Probleme mit der Infrastruktur ein.
Offenbach – Es ist ein seit Jahren beklagter Fakt: Infrastruktur im Allgemeinen sowie Straßen und Wege im Besonderen werden meist nur dann saniert, wenn es dafür auch Fördergeld gibt. Ist dem nicht so, ist der Verfall garantiert. Zeugnis dessen sind jede Menge Schlaglochpisten und marode Bürgersteige in der Stadt.
Wie sich das zum Nachteil von Anwohner auswirken kann und wie die kommunalen Entscheidungsträger untätig bleiben können, ohne Sanktionen befürchten zu müssen, zeigt exemplarisch der Fall von Evelyn Müller-Eckert: Die 83-Jährige stürzt am frühen Abend des 18. Juli dieses Jahres auf dem Gehweg in der Tulpenhofstraße Richtung Geleitsstraße unweit ihrer Wohnung. Zur Stolperfalle werden die nach oben stehenden Kanten mehrerer Gehwegplatten. Die Seniorin erleidet dabei einen Ellenbogenbruch, eine Risswunde und Prellungen an Handgelenk und Knie.
Offenbach: Seniorin bekommt kein Schadensersatz von Versicherung
Zunächst alleine, dann mit anwaltlichem Beistand fordert Evelyn Müller-Eckert im August Schmerzensgeld von der Stadt in Höhe von 3000 Euro. Die zieht sich so aus der Affäre, wie sie es immer in solchen Fällen macht: Die Sache wird dem Gemeindeversicherungsverband (GVV) übergeben, dem Haftpflichtversicherer der Kommunen.
Dessen Haltung ist so erwartbar wie enttäuschend: Eine schuldhafte Verletzung der Verkehrssicherungspflicht sei nicht erkennbar, ein Haftpflichtschaden liege nicht vor, das Ganze sei als „bedauerlicher Unglücksfall“ einzustufen, heißt es im Antwortschreiben des GVV. „Auf einen Prozess wollte ich es nicht ankommen lassen, das hätte zu lange gedauert und wäre zu teuer geworden“, berichtet Evelyn Müller-Eckert resignierend.
Schlechte Straßen und Wege in Offenbach
Die Situation vor ihrer Haustür habe sich kein bisschen verbessert. Im Gegenteil: „Die Gehwegplatten stehen immer noch hoch, und jetzt, wo es so früh dunkel ist und noch das Laub hinzukommt, ist es besonders gefährlich“, sagt die Seniorin. Ihre gleichaltrigen Bekannten würden sich wegen der schlechten Gehwege schon gar nicht mehr trauen, zu ihr zu kommen.

Beim ESO Stadtservice, dem die Verkehrssicherungspflicht für die Straßen und Gehwege obliegt, verweist man im Fall der verunglückten Seniorin auf den GVV. Wenn etwas passiere, seien alle Städte und Gemeinden beim GVV versichert. Damit gelte grundsätzlich bundesweit für alle Kommunen der gleiche Maßstab. „Was aus Bürgersicht ärgerlich und bedauerlich ist, ist aber nicht immer ein wirklicher Mangel: Geringe Unebenheiten des Gehwegs müssen die Bürgerinnen und Bürger akzeptieren“, teilt ESO-Sprecherin Sigrid Aldehoff mit.
Zugleich räumt sie ein: In Offenbach gebe es viele Probleme mit den Gehwegen, da die meisten vor 30 bis 50 Jahren angelegt worden seien. Aldehoff: „Allein aufgrund des Alters ergibt sich eine immer größere Zahl von kleinerem bis größerem Reparaturbedarf, Tendenz steigend. Dies kann passieren, weil das Erdreich arbeitet, die Platten viele Jahre lang beansprucht wurden, hochgedrückt werden oder brechen. Viele Gehwege bedürften eher einer grundlegenden Erneuerung.“
Offenbach: Mängelmelder hilft bei schlechten Wegen aus
Die Entscheidung darüber sowie die Umsetzung liege aber nicht in der Befugnis des Stadtservices der Stadtwerke. „Unsere Abteilung Straßenunterhaltung ist dauernd – auch unter Einbindung von Fremdfirmen – im Einsatz, die tatsächlichen Mängel abzuarbeiten und die Verkehrssicherheit aufrecht zu erhalten“, so die Sprecherin.
Um seiner Verkehrssicherungspflicht nachzukommen, stehe dem Stadtservice im Übrigen nur ein begrenztes Budget zur Verfügung. „Um potenzielle Gefahrenstellen zu erkennen, sind zum einen unsere beiden Straßengeher täglich auf je 15 Kilometern unterwegs, das sind rund 7000 Kilometer pro Jahr. Zum anderen werden die Reklamationen der Bürgerinnen und Bürger über den Mängelmelder überprüft und die sonstigen eingehenden Hinweise von Bürgern bearbeitet“, erläutert Sigrid Aldehoff. Die tatsächlichen Mängel – wenn also die Verkehrssicherheit an einer Stelle beeinträchtigt sei – würden zu diesem Zweck – nach Priorität geordnet – beseitigt. Dabei stehe dann beispielsweise der abgesackte Gehweg vor der leicht hochstehenden Gehwegplatte. (Matthias Dahmer)