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Mainbogen-Schäferei in Offenbach: Warum Melanie Brost fast aufgegeben hätte

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Von: Veronika Schade

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Schäferin Melanie Brost mit Herdenschutzhund Aiko und ihren Schafen an den Rumpenheimer Lachwiesen.
Schäferin Melanie Brost mit Herdenschutzhund Aiko und ihren Schafen an den Rumpenheimer Lachwiesen. © Schade

Weil Geld, Zeit und Unterstützung fehlten, wollte die Schäferin ihre Leidenschaft in Offenbach aufgeben. Jetzt startet Melanie Brost mit Zuversicht in neue Projekte. 

Offenbach – Die Schafe grasen, die Hunde dösen, Lämmer springen beim Spielen in die Luft. Seit die Herde von Schäferin Melanie Brost an den Rumpenheimer Lachwiesen weidet, muten diese an wie eine Landidylle. Doch die Wirklichkeit hat mit anheimelnder ländlicher Romantik wenig zu tun. Die Tiere und die Flächen zu betreuen, ist ein Knochenjob. Den die Schäferin eigentlich zum vergangenen Winter aufgeben wollte.

Hauptberuflich arbeitet die 29-Jährige in der Personalabteilung der Stadtwerke, die Schäferei Mainbogen betreibt sie seit 2016 nebenher. Sie fürchtete, eine angemessene Versorgung der Tiere über die kalte Jahreszeit nicht gewährleisten zu können, hatte im vorherigen Winter schlechte Erfahrungen gemacht. Teilweise seien weder Strom noch Wasser auf den Koppeln verfügbar, wodurch ein enormer Mehraufwand für sie und ihre Helfer entstehe. Auch fehle ihr mittlerweile die Kraft und das Durchhaltevermögen, das Konzept voranzutreiben. „Vielleicht habe ich die Arbeit und den Aufwand nebenher auch einfach unterschätzt“, schrieb Brost damals auf der Facebookseite ihrer Schäferei.

Schäferei Mainbogen in Offenbach: Vom Ende zum Neuanfang

Was eigentlich als Abschied gedacht war, wurde zu einer Art Neuanfang. Die Anteilnahme war enorm. Viele Menschen sprachen ihr Mut zu, boten Hilfe an, Paten schlugen vor, ihre Beiträge zu erhöhen. „Und mein Chef hat sich richtig hintendrangeklemmt, damit ich weitermachen kann“, freut sie sich. Trotzdem habe sie noch vielen Menschen bei der Stadt „auf die Nerven gehen“ müssen, bis sich konkrete Lösungen abzeichneten. Schließlich wurde ihr als Zwischenlösung ein Feld in Bürgel angeboten, wo sie eine Winterhalle aufbaute. Was aber nächsten Winter sein wird, ist ungewiss.

Ein festes Grundstück nicht nur zum Überwintern, sondern auch als Heimat der Schäferei, ist ihr großer Wunsch. Ein Ort, an dem sie die Ideen umsetzen kann, die in den vergangenen Jahren entstanden sind. „Es freut mich immer wieder, wenn ich sehe, was die Tiere bei den Menschen auslösen oder wie auch die Paten sich kennenlernen und austauschen“, sagt die Schäferin. „Wenn ich mehr Zeit hätte, wäre das definitiv etwas, was ich viel weiter ausbauen würde.“

Da kommen Ostergefühle auf: Eins der Lämmer 2022. Zu ihren Tieren hat die Schäferin ein enges Verhältnis.
Da kommen Ostergefühle auf: Eins der Lämmer 2022. Zu ihren Tieren hat die Schäferin ein enges Verhältnis. © Schade

„Lernbauernhof“ in Offenbach: Mainbogen-Schäferei will das Angebot ausbauen

Sie berichtet von Gesprächen mit Kindern, die sich zwar für die Tiere begeistern, mitunter aber gar nicht wissen, dass es sich überhaupt um Schafe handelt – geschweige denn, dass man aus ihnen Milch, Wolle und Fleisch gewinnen kann. „Eine Art Lernbauernhof mit Angeboten für Kitas und Schulen könnte ich mir gut vorstellen, es wäre genug Nachfrage da“, erläutert sie. Auch Erwachsene zeigen Interesse an den Tieren, stellen Fragen, viele Senioren erfreuen sich an ihrem Anblick und möchten verweilen. „Man könnte beispielsweise Gruppen-Workshops anbieten“, so Brost, die bereits ähnliches mit der Frankfurter Volkshochschule ausgerichtet hat, etwa wenn die Schafschur anstand. Doch ohne ein dauerhaftes Grundstück mit sanitären Anlagen ist ein festes Angebot nicht möglich.

Zeit ist die eine Herausforderung. Zur Lammzeit sind es locker sechs Stunden, die Brost am Tag investieren muss, drei vor der Arbeit, drei danach. An den Wochenenden stehen Umzüge an. Meist bleibt die Herde ein bis zwei Wochen auf einer Wiese, um dann auf der nächsten Fläche ihrem Landschaftspflege-Auftrag nachzugehen. „Ich bin immer diejenige, die zu spät kommt – oder auch gar nicht mehr. Meine Freunde kennen das schon, aber manchmal frage ich mich, ob es das wert ist“, gesteht die 29-Jährige. Die andere Herausforderung ist Geld. Zwar wird die Landschaftspflege durch die Tiere als Dienstleistung von der Stadt bezahlt, doch für einen Urlaub bleibt ihr kein Geld. Finanziell wie auch zeitlich wäre sie aufgeschmissen ohne die Unterstützung ihrer Paten und Sponsoren, betont die Schäferin.

Schäferei Mainbogen: Melanie Brost macht mit Zuversicht und neuen Projekten weiter

Dennoch macht sie mit neuer Zuversicht weiter. Die positiven Rückmeldungen geben ihr Kraft – und erst recht ihre Liebe zu den Tieren, die sie vom Anfang bis zum Ende ihres Lebens begleitet. Im Frühjahr hilft sie den Lämmern auf die Welt, hat so manches mit der Flasche aufgezogen. Und, wenn der letzte Gang ansteht, ist sie auch bei der Schlachtung dabei, die ein regionaler Metzger so schonend wie möglich vornimmt. „Mir ist wichtig, dass alles verwertet wird. Das Fleisch für den menschlichen Verzehr, das Fell für die Gerberei, die Innereien für die Hunde“, sagt Brost. Tiere zu essen, von denen sie weiß, dass sie ein gutes Leben geführt haben, könne sie viel besser mit ihrem Gewissen vereinbaren als den Fleischkauf beim Discounter.

Jedes ihrer Schafe hat einen Namen. „Es sind Persönlichkeiten, nicht bloß Nummern“, sagt sie, streichelt einem Lamm über die Nase, das sich neugierig nähert. Ursprünglich kam sie über ihre Leidenschaft für die türkischen Kangal-Hirtenhunde zur Schafhaltung, weil sie die Hunde artgerecht beschäftigen wollte. Fünf Kangals beschützen ihre Herden. Mittlerweile besitzt sie 100 Muttertiere und deren Nachzuchten, eine Herde von zehn Böcken, Hühner, Ziegen und, ganz neu, ein Kälbchen. „Ich habe am Main eine Fläche für die Beweidung mit Rindern angemeldet, das ist das neueste Projekt“, verrät sie.

Die Schafe gehören mehreren Rassen an: Bergschafe, Merinos, Schwarzköpfige Fleischschafe, Coburger Fuchsschafe und Ostfriesische Milchschafe. „Die geben ganz tolle Milch. Sie ist sogar für Allergiker geeignet. Und Seife machen kann man daraus auch“, schwärmt Brost. Auch das habe Potenzial, ausgebaut und als regionales, nachhaltiges Produkt angeboten zu werden – mit den passenden Partnern wäre, da ist sie sicher, viel drin... (Veronika Schade)

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