Waschbären breiten sich in Offenbach aus: „Tötung ist das allerletzte Mittel“
In Offenbach häufen sich die Sichtungen von Waschbären und damit auch die Probleme. Experten geben wichtige Tipps zum Umgang mit den Tieren.
Offenbach – Der Waschbär ist endgültig in Offenbach angekommen – und macht gleich mal ordentlich Rabatz. Im Garten von Thomas Hesse etwa. „Eigentlich wollte ich nur unseren Igel füttern“, sagt der Tierfreund. Sogar eine Wildkamera, die bei Bewegung auslöst, hat er vor dem regengeschützten Napf mit Katzenfutter aufgestellt. Als Hesse morgens die Aufnahmen sichtet, traut er seinen Augen nicht. Statt eines Igels inspiziert ein neugieriger Waschbär die Futterstelle. Gestern dann eine weitere Überraschung. Die Kamera zeigt am Montagmorgen gleich zwei Waschbären am selben Futternapf.
Immer häufiger kommt es im Stadtgebiet zu Sichtungen und auch zu Schäden, die die Wildtiere in Gärten und Häusern anrichten. Einer, der das zu spüren bekommt, ist der städtische Waschbär-Beauftragte Pietro Mereu. „Pro Woche erhalte ich mittlerweile vier bis fünf Meldungen von Bürgern aus dem Stadtgebiet, die im Zusammenhang mit einer Waschbärensichtung eine Beratung wollen.“ Und auch im Landkreis Offenbach ist die Population der Waschbären in den vergangenen Jahren weiter angestiegen.
Offenbach: Nachfrage für Waschbären-Beratung wächst
Mereus Beratung ist auch nötig, denn gegen den Waschbären ist nicht viel Kraut gewachsen. „Der Waschbär zeigt als Kulturfolger so gut wie keine Angst vor dem Menschen“, sagt Berthold Langenhorst, Sprecher des Nabu Hessen und selbst Biologe. Deswegen bringe es auch kaum etwas, das Tier wegzuscheuchen. „Man kann zwar versuchen ihn zu erschrecken, aber selbst das lässt den Waschbären kalt“, sagt Langenhorst. Habe sich ein Tier einmal irgendwo niedergelassen, werde es schwer, es wieder zu vertreiben. „Waschbären sind sehr ortstreu. Wenn es ihnen einmal irgendwo gefällt, dann bleiben sie.“ Gerade jetzt im Herbst mache sich das besonders bemerkbar, wenn die Tiere ein warmes Plätzchen für den nahenden Winter gefunden hätten.

Deshalb seien gerade Igel-Fütterungen problematisch. „Der Waschbär wählt immer den einfachsten Weg.“ Wenn er irgendwo Futter im Napf vorfinde, dann tauche er dort regelmäßig wieder auf. Und da solche Futterstellen keine Einzelfälle seien, würden sich Waschbären in besiedelten Gebieten zusehends wohler fühlen. „Für Waschbären ist das quasi eine große Party.“
Pietro Mereu mahnt deshalb immer wieder, alles zu tun, um es den Waschbären in der Stadt so wenig angenehm wie möglich zu machen. „Deshalb haben wir auch die Möglichkeit eingerichtet, sich beraten zu lassen“, sagt er. Waschbären-Betroffene können sich etwa Tipps abholen, wie man Haus und Garten sichert und den Waschbären wieder los wird, wenn er sich erst einmal niedergelassen hat.
Waschbärenbeauftragter: Tieren dürfen sich in Offenbach nicht wohlfühlen
Laut Mereu ist Letzteres aber gar nicht so einfach. Es gibt nämlich nur zwei Möglichkeiten. Die schonendere Variante davon geht so: Man fängt den Waschbären, darf ihn dann aber von Gesetz wegen nie wieder in die Freiheit entlassen. Dazu kommt die Pflicht zur Kastration beim Tierarzt. Alternativ sei die dauerhafte Unterbringung in einer Wildtierauffangstation möglich. „Aber die sind alle voll“, sagt Mereu.

Die zweite Möglichkeit ist die, die wohl am häufigsten praktiziert wird, aber auch wesentlich brutaler. Der Waschbär wird von einem zertifizierten Fallensteller oder Jäger in einer Lebendfalle gefangen und dann mit einem Schuss getötet. „Dazu bedarf es aber einer besonderen Ausnahmeschießerlaubnis“, stellt Mereu klar. Eine solche sei auch schon mehrfach beim zuständigen Ordnungsamt beantragt worden. Mereu stellt aber klar: „Eine Tötung ist nur das allerletzte Mittel, wenn alle anderen Vergrämungsmaßnahmen wirkungslos geblieben sind.“
Offenbach: Waschbären können Krankheiten auf den Menschen übertragen
Auch Berthold Langenhorst sieht in einem solchen Fall wenig Alternativen. „Wenn Waschbären zu nah an den Menschen heranrücken, besteht auch immer die Gefahr einer Krankheitsübertragung“, erklärt der Biologe. „In einem solchen Fall und auch angesichts der besonderen Ortstreue dieser mittlerweile heimisch gewordenen Art ist jede andere Lösung nicht praktikabel.“ Zumal der Waschbär keineswegs eine bedrohte Art sei.
Mereu pflichtet bei: „Die Tiere vermehren sich stetig, und die Population breitet sich von Nordhessen ausgehend verstärkt nach Süden aus.“ Er rechnet deshalb mindestens mit „gleichbleibenden Fallzahlen“ in den kommenden Jahren. Immerhin: Laut Mereu ist es in den vergangenen Tagen in Offenbach wieder etwas ruhiger geworden in Sachen Waschbär.
Tierfreund Thomas Hesse will es nun erst mal auf die sanfte Art versuchen und mit Mereu Kontakt aufnehmen, um zumindest sein Haus samt Fallrohren vor den beiden Waschbären zu schützen.
Immer wieder finden Waschbären den Weg in die Städte
Bereits in den 1920er Jahren gibt es Berichte über Waschbärenansiedlungen im städtischen Raum in den USA. In Deutschland gilt nach wie vor Kassel als Waschbärenhauptstadt Deutschlands. Dort leben etwa 50 bis 150 Tiere pro Quadratkilometer. Mit der Verstädterung verändern sich auch die Aktionsräume der Art. Diese liegen bei etwa 0,03 bis 0,38 Quadratkilometer für Weibchen und 0,08 bis 0,79 Quadratkilometer für Männchen. Vor allem in Kleinstädten nutzen Waschbären bewaldetes Gebiet am Stadtrand zum Schlafen und ziehen auf Nahrungssuche durch die Siedlungen. Dort finden sie häufig ein Überangebot an Nahrung. Dazu gehören Gartenfrüchte, aber auch Insekten und nicht zuletzt Essensreste in den Mülltonnen. Gartenhütten oder Dachstühle bieten geschützte Verstecke für Waschbären, auch um den Nachwuchs zur Welt zu bringen. Die fehlende Scheu vor dem Menschen ist offenbar eine Verhaltensanpassung der Tiere. Die Folgen sind neben den lästigen Begleiterscheinungen wie ausgeräumten Mülltonnen zum Teil immens. Das Töten einzelner Tiere ist keine Lösung, da innerhalb kürzester Zeit ein anderes Tier an dessen Stelle tritt. Vergrämungsmaßnahmen gelten als effektiver und sind auch günstiger.