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Wie heimische und exportorientierte Unternehmen den geopolitischen Krisen begegnen

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Von: Holger Weber-Stoppacher

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Filmfestival am Main
Doe Wasserstraße des Mains ist ein wichtiger Transportweg für die Region. © Daniel Vogl/dpa/Archivbild

Corona-Pandemie, Ukraine-Krieg und Co.: Weltweite Krise gibt es seit einigen Jahren geballter als sonst - das hat Auswirkungen auf die heimische Wirtschaft. Dort werden längst neue Absatzmärke erschlossen.

Offenbach/Hanau - Deutschland ist eine Exportnation. Schon seit vielen Jahren werden mehr Waren ausgeführt als importiert. Das gilt im Kleinen auch für den Wirtschaftsraum Rhein-Main und die Kreise Main-Kinzig und Offenbach. Die zentrale Lage in der Republik, die Nähe zum internationalen Flughafen Rhein-Main und die Wasserstraße des Mains bieten dafür optimale geografische Bedingungen.

Sondermaschinenbau, Chemie, Teile für die Autoindustrie und auch Edelmetalle: Das sind nur einige Bereiche, aus denen die Güter kommen, die die Spedition Maintaler mit Sitz in Bruchköbel für heimische Unternehmen transportiert – wenn gewünscht auch in die ganze Welt. Denn für das Logistikunternehmen rollen nicht nur 85 Lkw, es organisiert auch den Transport per Luftfracht. „Mittlerweile macht das in unserem Geschäft ein Volumen von etwa 20 Prozent aus“, sagt Geschäftsführer Markus Grenzer, in dessen Betrieb mittlerweile 135 Mitarbeiter dafür sorgen, dass die Waren von A nach B kommen.

Exportgeschäft ist häufig die einzige Chance für Wachstum

„Egal, ob im verarbeitenden Gewerbe oder im Dienstleistungssektor, für viele Unternehmen ist der Export entscheidender Bestandteil der Geschäftsstrategie“, sagt Silvia Schubert-Kester, Leiterin des Teams International bei der Industrie- und Handelskammer Offenbach. Für Unternehmen, die hier in gesättigten oder rückläufigen Märkten agierten, sei das Exportgeschäft häufig die einzige Chance für Wachstum, fügt sie hinzu.

Im Bezirk der IHK Hanau-Gelnhausen-Schlüchtern liegt die Exportquote beim verarbeitenden Gewerbe konstant über 50 Prozent. Bei Auslieferung von Großanlagen sowie hohen Materialpreisen erreiche der Spitzenwert auch schon mal mal 64 Prozent an der gesamten Wertschöpfung der gewerblichen Wirtschaft, weiß IHK-Geschäftsführer Andreas Kunz. Mit einem Exportvolumen von rund zehn Milliarden Euro sei der Export ein enorm wichtiger Faktor und Garant für Wohlstand im Kammerbezirk Hanau-Gelnhausen-Schlüchtern. Betrachtet man sich die Exportkurve der Region, so ging die Tendenz von 2010 an fast ausnahmslos in eine Richtung: nämlich nach oben. Der Einbruch erfolgte erst mit der Corona-Krise, unter der die kleinen und mittelständischen Betriebe besonders gelitten haben, weil es ihnen wesentlich schwerer fiel, gestörte Lieferketten auf dem Weltmarkt wieder zu reparieren.

USA und China sind die wichtigsten Handelspartner - Großbritannien wird unbedeutender

Wo gehen die Waren hin? Aus dem Beritt der IHK Hanau-Gelnhausen-Schlüchtern gehen die Exporte vor allem in die Europäische Union. Und dann zu 40 Prozent in die Welt. Besonders wichtig dabei: China und die USA, so Andreas Kunz. Ähnlich verhält es sich in Offenbach, wenngleich man dort festgestellt hat, dass der chinesische Markt 2022 im Vergleich zum Vorjahr deutlich an Zugkraft verloren hat. Einige Unternehmen mit Geschäftsbeziehungen nach China hätten in den letzten Jahren stark unter der Null-Covid-Politik gelitten. Das Schließen großer Häfen im Reich der Mitte, Containerknappheit und fehlende Reisemöglichkeiten hätten dazu geführt, dass die Lieferketten unterbrochen waren und die Geschäfte rückläufig seien, berichtet Schubert-Kester.

An Kraft verloren haben auch die Handelsbeziehungen der Region mit Großbritannien. Daran ist der Brexit schuld. Barrieren wie zusätzliche Zölle, Zertifizierungen, Papiere, andere Normen und Vorschriften oder lange Wartezeiten bei der Einfuhr erschweren den Export. Solche Hindernisse nehmen leider weltweit zu. Davon weiß auch Transportunternehmer Markus Grenzer ein Lied zu singen. „Der Brexit hat dem Geschäft in Großbritannien sicherlich geschadet“, so der Bruchköbeler, dessen Fahrer mittlerweile weit weniger auf den Inseln unterwegs sind als früher.

Handel mit Russland bereits seit Annexion der Krim-Halbinsel rückläufig

Es wundert kaum, dass auch der Handel mit Russland durch den Angriffskrieg des Landes gegen die Ukraine großen Schaden genommen hat. Das könne man allein beim Rückgang bei der Anzahl der Außenwirtschaftsdokumente erkennen, so Schubert-Kester. Vor allem aber habe sich der russische Krieg gegen die Ukraine an den Energie- und Rohstoffmärkten bemerkbar gemacht, glaubt ihr Kollege Andreas Kunz. Denn Russland befinde sich ja schließlich schon seit 2014, also der illegitimen Annektierung der Krim, auf der Sanktionsliste. Jeder kluge Unternehmer habe sich da bereits vom Russlandgeschäft gelöst, wenngleich die Ausfuhr von Toilettenschüsseln ja nach wie vor erlaubt sei, wie der Hanauer augenzwinkernd hinzufügt. Im Umgang mit geopolitischen Schieflagen verfügen die meisten Firmen laut Kunz über ein innerbetriebliches Risikomanagement: „Jedes Unternehmen versucht dabei, Abhängigkeiten zu vermeiden. Abrupte Vollbremsungen durch Sanktionen oder auch Katastrophen führen aber regelmäßig zu Einbrüchen. Das sortiert sich dann Gott sei Dank relativ schnell, kann aber in Einzelfällen dann auch große Schwierigkeiten bereiten.“

Das Zauberwort für nahezu alle Unternehmen heißt in geopolitisch schwierigen und kaum kalkulierbaren Zeiten Diversifizierung. Und das sowohl, was die Lieferketten, als auch die Absatzmärkte betrifft. Firmen, die in viele verschiedene Länder exportierten, verringerten damit auch das Risiko der Abhängigkeit von nur einem Markt und seien bei lokalen Veränderungen oder Störungen der Lieferketten nicht unmittelbar in wirtschaftlicher Bedrängnis, sagt Silvia Schubert-Kester. Unternehmen in Stadt und Kreis Offenbach seien neben dem europäischen Ausland und den Standardländern durchaus auch in exotischen Destinationen unterwegs, wie man aus den Bescheinigungszahlen entnehmen könne. So zum Beispiel in Bangladesch, Tansania oder auch im Iran und Irak. Auch Außenwirtschaftsdokumente für die Türkei seien nachgefragt. „Das weist darauf hin, dass Unternehmen ihre Aktivitäten in diesen Ländern ausweiten“, meint Schubert-Kester. Die aktuellen Bewerbungen zum Hessischen Exportpreis 2023 zeigten, das auch kleinere und mittlere Betriebe sich weltweit orientieren, und auch in schwierigen Zeiten Wachstum im Ausland gelingt.

Neue Märkte sind im Fokus heimischer Unternehmen

Und auch in den Zahlen der IHK-Umfrage „Going International“ schlägt sich nieder, dass die heimischen Unternehmen mutig neue Absatzmärkte ins Visier nehmen. Auf die Frage „Welche Maßnahmen planen Sie aktuell angesichts der geopolitischen Herausforderungen?“ gaben immerhin 62,5 Prozent der Unternehmen zur Antwort, sie wollten sich neue Märkte für den Export erschließen. In der Studie wird auch die Frage gestellt, welche Märkte für Unternehmen mittelfristig wichtiger werden. Hier geben die Betriebe aus Stadt und Kreis Offenbach nach Eurozone und sonstige EU-Länder die Region Asien/Pazifik als mittelfristige Märkte an. Gesamtdeutsch liegen dagegen Nordamerika/USA in der Wichtigkeit jedoch noch vor Asien/Pazifik.

Viele Unternehmen hätten aus den Krisen gelernt und stellen sich jetzt breiter auf. „Sowohl Absatzmärkte als auch Lieferketten werden diversifiziert. Neue Länder werden als potenzielle Absatzmärkte definiert. Wo es vorher nur einen Lieferanten in einem Land gab, haben viele Unternehmen nun für ein und dasselbe Produkt mehrere Bezugsquellen in verschiedenen Ländern, um Abhängigkeiten zu verhindern“, glaubt Schubert-Kester. Diese Entwicklung könnte nach Ansicht von Moritz Schularick, dem künftigen Präsident des Kieler Instituts für Weltwirtschaft, sogar zu einem allgemeinen Globalisierungsschub führen, wie er jüngst in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung betonte. Eine Entwicklung, die dann sicherlich auch im heimischen Wirtschaftsraum ihre Spuren hinterlassen würde.

Holger Weber-Stoppacher

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