Für immer mehr Beschicker lohnt sich das Geschäft auf dem Wochenmarkt nicht mehr

Der Offenbacher Wochenmarkt steckt in der Krise – diesmal wirklich! Auch wenn schon viele Male schwarzsehende Beteiligte den baldigen Tod des schönstes Wochenmarkts in Rhein-Main ausgerufen haben, blieb dieser davon unberührt als scheinbar unerschütterliche Größe erhalten. Doch die aktuelle Entwicklung lässt Zweifel an eben dieser Standfestigkeit aufkommen.
Offenbach – Geht es nach Petra Heckelmann, Chefin des Vereins der Offenbacher Marktbeschicker, und ihren Kolleginnen Julia Jung (Familiengärtnerei Jung) und Ulrike Lang (Gärtnerei Lang), hat es den Wochenmarkt im Lauf des vergangenen Jahres kräftig durchgerüttelt. Zurückgeblieben sind Lücken im gewohnten Puzzle der Stände auf dem Wilhelmsplatz.
„Das hat nichts mehr mit der Witterung oder der Jahreszeit zu tun“, schlägt Heckelmann Alarm. „Immer mehr Händler geben einfach auf.“ Verloren hat Heckelmann im vergangenen Jahr Kuchenseppel, Blumen König und den Birkenbach-Metzger, der für kurze Zeit die Nachfolge der Metzgerei Schneider übernommen hatte, einem Urgestein des Offenbacher Wochenmarkts.
„Der wahre Grund bei vielen ist, dass es sich nicht mehr rechnet“
Weiter ist der Bio-Gemüsebauer verschwunden. „Für den hat es sich nicht mehr gerechnet“, sagt Heckelmann. „Der verkauft jetzt Biokisten und verdient damit mehr.“
Die Traditionsgemüsegärtnerei Lang hat ihr Geschäft zurückgefahren und verkauft zusätzlich im eigenen Hofladen. „Es wird immer schwieriger, das alles zu stemmen, wenn am Ende der Umsatz nicht mehr stimmt“, erklärt Ulrike Lang den Schritt.
Zurück bleiben immer größere Lücken auf dem sonst so dicht gestellten Markt, die Heckelmann mit noch so guter Planung immer schwerer füllen kann. Die Händler seien durchaus erfinderisch, wenn sie fern blieben. Mal sei es das regnerische Wetter, mal die kalten Temperaturen. Dazu kämen häufige Urlaube. „Es gibt schon das Bedürfnis der Beschicker, ihr Fehlen zu entschuldigen“, sagt Heckelmann. „Aber letztlich muss man feststellen, dass der wahre Grund bei vielen ist, dass es sich nicht mehr rechnet.“
Die Gründe dafür sind vielfältig. Da wären zum einen die durch die Energiekrise gestiegenen Produktionskosten, zählt Julia Jung von der gleichnamigen Familiengärtnerei auf. Dazu kämen für Händler, die zum Teil von weit her anreisten, die hohen Spritpreise, sagt Heckelmann. „Am Ende zahlen viele mittlerweile drauf“, macht Jung unmissverständlich klar. Für ihren Gemüsestand etwa sei der Dienstag nurmehr als Kundenpflege zu sehen. „Da gehen wir häufig ohne Gewinn nach Hause.“
Das liegt offenbar auch an der nachlassenden Kaufbereitschaft der Kundschaft. Zwar strotzt der Wochenmarkt freitags und vor allem samstags vor Besuchern, die sich zur Rush-Hour zwischen 11 und 13 Uhr stellenweise dicht an dicht drängen und die umliegenden Kaffee- und Essensstände regelrecht belagern. „Nur kaufen die nichts oder nur sehr wenig“, klagt Heckelmann.
Und das obwohl die Waren im Supermarkt aktuell oft teurer seien als die auf dem Wochenmarkt. „Wir Händler sind doch mittlerweile nur noch Deko für die Kaffeetrinker.“ Diese Klientel besuche den Markt wegen seines Flairs. „Diese Leute gehen am Ende des Tages mit einem Blattsalat im Beutel, aber drei Latte Macchiato im Bauch nach Hause.“
Anders als Heckelmann sieht Jung in den vielen Menschen, die den Markt als „soziales Event“ besuchen und nur am gastronomischen Angebot interessiert sind, aber eine Chance. „Vielleicht muss man noch mehr in dieser Richtung auf dem Markt anbieten, um diese Leute zu halten und so die Strahlkraft des Markts über die Grenzen Offenbachs hinaus wieder zu stärken.“ Denn die habe „definitiv durch die vielen Baustellen der vergangenen Jahre eingebüßt“, ist Jung überzeugt. „Viele treue Kunden von weither sind nicht wiedergekommen, nachdem sie in Offenbach nicht durchgekommen sind.“
„Die Leute wollen nicht schleppen“
Auch fehlen seit geraumer Zeit offenbar viele der Kunden, die ihren tatsächlichen Wocheneinkauf auf dem Wochenmarkt tätigen. Petra Heckelmann ist sicher, dafür einen Auslöser ausgemacht zu haben. „Die Leute wollen nicht schleppen.“
Sie baut darauf, dass sich die Lage im Zuge der Marktplatz-Fertigstellung wieder etwas entspannt. „Uns bleibt aktuell nichts, als abzuwarten und zu hoffen, dass es doch wieder etwas anzieht.“ (Christian Reinartz)