1. Startseite
  2. Offenbach

Zahl der Therapieplätze für Kinder in Offenbach verdoppelt

Erstellt:

Von: Frank Sommer

Kommentare

Matthias Schuch hat für die Ansiedlung der Ausbildungsstätte für Kinder- und Jugendpsychotherapie in Offenbach gesorgt.
Matthias Schuch hat für die Ansiedlung der Ausbildungsstätte für Kinder- und Jugendpsychotherapie in Offenbach gesorgt. © Sommer

Manchmal braucht es nur eine pfiffige Idee, um einen Missstand zu beheben: Der Psychotherapeut Matthias Schuch hat es geschafft, dass sich die Zahl der Therapieplätze für Kinder und Jugendliche zwischen vier und 21 Jahren in Offenbach verdoppelt hat – indem er ein entsprechendes Ausbildungsinstitut in der Stadt angesiedelt hat.

Offenbach - „Für Erwachsene haben wir gut 120 niedergelassene Therapeuten in der Stadt, für Kinder und Jugendliche bisher 14“, sagt der 62-Jährige. Die Wartezeit betrage eineinhalb bis zwei Jahre – viel zu lange, so Schuch. Denn unbehandelt können sich psychische Probleme verstetigen, weitere hinzukommen. „Wenn etwa ADHS nicht behandelt wird, kann sich eine Depression anschließen.“ Bei den jungen Patienten hätte die Zahl der Angststörungen zugenommen, wohl als Folge der Corona-Pandemie: „Wir haben es mit Ängsten, zur Schule zu gehen oder soziale Kontakte einzugehen, vermehrt zu tun.“ Auch der Medienkonsum habe dramatisch zugenommen.

Über Jahre hat Schuch auf die Unterversorgung aufmerksam gemacht – ohne Erfolg. „Bei der Kassenärztlichen Vereinigung habe ich mir immer wieder eine blutige Nase geholt, wenn ich mehr Plätze haben wollte“, sagt er. Denn für die KV zähle die Anzahl der Therapeuten in Relation zur Bevölkerung, nicht der tatsächliche Bedarf.

Dann änderte Schuch seine Strategie: Da er im Vorstand der Kasseler Aus- und Weiterbildungseinrichtung für klinische Verhaltenstherapie (AWKV) ist, hat er begonnen, seine Vorstandskollegen von der Eröffnung eines entsprechenden Instituts in Offenbach zu überzeugen. Denn die angehenden Therapeuten müssen Behandlung anbieten und erhöhen somit die Zahl der Therapieplätze.

„Es hat etwas gedauert, bis ich alle überzeugt hatte, dass wir neben Kassel, Marburg und Friedrichsdorf auch einen Standort in Offenbach brauchen, aber dann ist es gelungen“, sagt er und lacht.

Provisorisch wurde in seiner Praxis das Institut eröffnet, im vergangenen Jahr zog es in die Berliner Straße 219: Wo einst Anwälte Mandanten berieten, werden nun Kinder- und Jugendpsychotherapeuten ausgebildet. Die Ausbildung dauert zwischen drei und fünf Jahre, 600 Behandlungsstunden müssen die Auszubildenden jeweils anbieten. Pro Jahrgang werden 14 Therapeuten ausgebildet – damit hat sich die Anzahl in der Stadt verdoppelt.

Die Nachfrage ist groß, sowohl von angehenden Therapeuten wie von Patienten: Die Ausbildungsplätze sind bis 2025 ausgebucht, aktuell sind über 70 Patienten gelistet, 40 stehen auf der Warteliste. „Viele unserer Dozenten, die bisher in Marburg unterrichtet haben, kommen hier aus der Region“, sagt Schuch. Die Räumlichkeiten sind großzügig, so stehen etwa zehn Behandlungsräume zur Verfügung, alle je nach Zielgruppe eingerichtet. Sogar einen Raum mit Sandkasten für die Kleinsten gibt es.

Das Institut ist eine gemeinnützige Gesellschaft, eine niedrige sechsstellige Summe wurde in den Standort investiert. Die große Nachfrage beweist, dass Schuchs Forderung berechtigt war – schon jetzt ist die Ansiedlung refinanziert. Vorteil in Offenbach: Hier gibt es ausreichend Raum für so viele Therapieplätze. Das Institut arbeitet mit dem Qualitätszirkel für Kinderpsychotherapie in Offenbach zusammen, tauscht sich regelmäßig mit Kinderärzten, Jugendamt und Beratungsstellen aus.

Für die Zukunft sieht man sich gut gerüstet, zumal es eine gesetzliche Änderung bei der Ausbildung gibt: Bisher zahlen Psychologen, Pädagogen und Erziehungswissenschaftler rund 25 000 Euro für ihre Ausbildung zum Kinder- und Jugendtherapeuten, im Gegenzug erhalten sie einen Anteil vom Therapiegeld der Krankenkassen. Künftig legen die Therapeuten (ähnlich wie Lehrer oder Anwälte) ihr erstes Examen an der Universität ab und gehen dann in die „Direktausbildung“: Sie werden bei dem Institut für 20 Wochenstunden nach Tarif angestellt. „Über die Finanzierung wird beim Bund noch gerungen“, sagt Schuch.

Informationen zur psychotherapeutischen Ausbildungsambulanz für Kinder- und Jugendliche gibt es unter Rufnummer 069 20975660 oder im Internet unter: awkv.de

Von Frank Sommer

Auch interessant

Kommentare