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Zerstörerischer Aktionismus im Offenbacher Wald

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Von: Frank Sommer

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Revierförster Viktor Soltysiak steht an dieser Stelle knöcheltief im angestauten Wasser.
Revierförster Viktor Soltysiak steht an dieser Stelle knöcheltief im angestauten Wasser. © Sommer

Ob pure Lust am Vandalismus oder ein fehlgeleiteter Naturschutzgedanke dahinter steckt, ist unklar: Seit einem dreiviertel Jahr fügen Unbekannte dem Wald in Offenbach bewusst Schaden zu, indem ganze Gebiete mit Wasser geflutet werden. Die Folge: Die Wurzeln der Bäume werden faul, die Pflanze stirbt ab.

Offenbach- Im April vergangenen Jahres entdeckten Waldarbeiter im Wald nahe Tempelsee ein Schild der umstrittenen Gruppierung „Extinction Rebellion“. Man habe ein „Entwässerungsrohr“ bewusst verstopft, um so die „Entwässerung der Wälder“ zu stoppen. Das dahinterliegende Waldstück war durch die Verstopfung des Rohrers geflutet, die Bäume standen tief im Wasser. Inzwischen stauen Unbekannte an immer mehr Stellen im Wald das Wasser. Nur: Entwässert wird in Offenbachs Waldgebieten schon lange nicht mehr.

Vor dem Zweiten Weltkrieg wurden zwar einst Entwässerungsgräben angelegt, doch werden diese schon seit vielen Jahrzehnten nicht gewartet, erklärt Revierförster Viktor Soltysiak. Die alten Entwässerungsgräben seien dadurch inzwischen längst verlandet und nicht mehr in Betrieb. „Hier wird schon seit über 50 Jahren nicht mehr entwässert“, betont Soltysiak. „Eben weil wir von Hessen-Forst wissen, wie wichtig der Wald als Wasserspeicher ist.“

Was rechts und links der Waldwege zu sehen ist und von den Unbekannten regelmäßig verstopft wird, sind sogenannte Vorfluter: Gräben, um überschüssiges Wasser, das der Boden nicht aufnehmen kann, weiterzuleiten. Wenn diese verstopft werden, staut sich nach heftigen Regenfällen das Wasser – wie bei den heimischen Zimmerpflanzen sorgt Staunässe für Fäulnis an den Wurzeln, die Pflanze stirbt ab.

„Wenn man wenigstens mit uns reden würde, dann könnten wir ja erklären, wie die Situation in Offenbach ist“, sagt Soltysiak. Denn gleich zwei Faktoren sind in Offenbach zu berücksichtigen: Einerseits gibt es in der Tiefe eine Lehmschicht, durch die das Wasser kaum dringt – ist der Boden mit Regenwasser gesättigt, steigt der Wasserstand.

Zudem sind im Stadtwald wegen der eher geringeren Niederschlagswerte Bäume gepflanzt, die mit weniger Feuchtigkeit auskommen, die zu viel Nässe nicht vertragen. „Wenn Kiefern, Buchen oder Eichen dauerhaft unter Wasser gesetzt werden, faulen deren Wurzeln.“

Dem vermeintlich zu trockenen Boden helfe die angestaute Nässe wegen der Lehmschicht in der Tiefe nicht, die Bäume dagegen werden geschädigt. „Letztlich machen diese Leute nichts anderes als die, die ihren Müll im Wald abladen: Sie zerstören den Wald.“

Aus Ästen wurden mehrere Staudämme gebaut.
Aus Ästen wurden mehrere Staudämme gebaut. © -

Mit dicken Baumstämmen wird nahe der Obermühle immer wieder ein Vorfluter verstopft; tiefer im Wald steht ein Rohr mehr als einen halben Meter unter Wasser. Ein Stück weiter steht der Förster knöcheltief im Wasser: „Hier wachsen Douglasien und Birken – gerade die Birke braucht einen trockenen Standort“, sagt er. Doch momentan gleicht das Areal einem Sumpfgebiet.

Das Offenbacher Wald-Moratorium

Mit dem Haushalt 2023 wurde im vergangenen Jahr auch ein Moratorium in Sachen Waldbewirtschaftung von der Ampel-Koalition beschlossen: Die Waldgebiete werden bis auf weiteres aus der Bewirtschaftung genommen, nur kranke oder abgestorbene Bäume dürfen entnommen werden. Für Irritationen sorgte die Vorgabe, dass keine gesunden Bäume gefällt werden dürfen. Nach einer Begehung von Hessen-Forst, die im Auftrag der Stadt die hiesigen Wälder betreuen, und Mitgliedern des Umweltausschusses kam es zu einer Einigung: Auch künftig dürfen gesunde Bäume gefällt werden, um so Neuanpflanzungen zu schützen. Problematisch bleibt die Frage der Waldwegesicherung: Bäume am Wegesrand wurden bisher während der Arbeiten kontrolliert.

Wie im vergangenen April muss das Forstamt eine Spezialfirma beauftragen, das Rohr freizulegen und durch ein größeres zu ersetzen, das schwerer zu verstopfen ist. Da im Boden teils auch Kabel liegen, ist das ein teures Unterfangen: 17 000 Euro an Steuergeld musste für einen vergleichbaren Schaden nahe Tempelsee 2022 gezahlt werden. Denn nur die wenigsten der Beschädigungen lassen sich ohne großen Aufwand beseitigen. Auch im Wald nahe Tempelsee müssen Maschinen anrücken: An mehreren Stellen haben Unbekannte mit Ästen, die sie sich passend gesägt oder gehackt haben, Staudämme errichtet.

Eindringlich bittet Soltysiak, von solchen Aktionen zu lassen. Hessen-Forst stehe immer für Fragen rund um die Waldpflege zur Verfügung, betont er. Zudem informieren die Förster in Schulen über ihre Arbeit.

Auch Sabine Leithäuser, Vorsitzende des Umwelt-Ausschusses, zeigt sich verärgert über den Aktionismus: „Dass die Bäume geschädigt werden, kann nicht hingenommen werden.“ Es habe schon seinen Grund, dass ein Forststudium eine gewisse Zeit dauere – aktionistische Besserwisserei helfe dem Wald nicht, im Gegenteil. „Es sollte doch allen ersichtlich sein, dass es den Bäumen schadet, wenn Wurzeln dauerhaft im Wasser stehen“, sagt die Grünen-Stadtverordnete.

Von Frank Sommer

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