Alternativen zum Auto schaffen

Eine Groß-Umstädter Agendagruppe hat auch Babenhausen im Blick. Ihr sind viel zu viele Pkw auf der Straße. Welche anderen Möglichkeiten gibt es?
Babenhausen/Groß-Umstadt – 48 Millionen Pkw sind in Deutschland aktuell zugelassen. Die meisten Autos sind jedoch eher „Stehzeuge“ als Fahrzeuge. Denn laut Umweltbundesamt ist ein Pkw im Schnitt nur eine Stunde pro Tag auf der Straße unterwegs. 23 Stunden jedes Tages steht es irgendwo herum und beansprucht große Teile des öffentlichen Raums. Da die Autos selbst immer größer und breiter werden, behindern sie nicht selten Fußgänger und Radfahrer oder blockieren den Weg für Rettungsfahrzeuge.
Der Deutschen liebstes Kind ist zum Problem geworden. Davon weiß man in praktisch allen Städten und Gemeinden ein Lied zu singen. Auch in Babenhausen. Dort ist das Thema Straßenverkehr besonders brisant, denn mit der Kasernenentwicklung wird sich auch der Pkw- und Lieferverkehr weiterentwickeln. Die Frage „Wohin mit all den zusätzlichen Autos?“ wird intensiv diskutiert, denn die gegenwärtige Verkehrsmenge in und um Babenhausen ist schon heute nicht mehr klimaverträglich und belastet die Anwohner. Hinzu kommt der enorme Flächenverbrauch durch den Aus- oder Neubau von Straßen.
In Groß-Umstadt, wo geplant ist, die B45 vierspurig auszubauen, hat sich eine Agenda-Gruppe „Verkehr“ gegründet, die einen ganz anderen Weg vorschlägt. Anstatt Bundesstraßen autobahnähnlich auszubauen, Umgehungsstraßen zu errichten und innerorts auf verbliebenen Grünflächen weitere Parkplätze zu errichten, wollen sie den Öffentlichen Nahverkehr attraktiver und bezahlbar machen. Bus und Bahn sollen zur echten Auto-Alternative werden.
Um ein entsprechendes Konzept zu erarbeiten, hat sich die Gruppe Experten der „Initiative Odenwaldbahn“ hinzugeholt. Sie haben auch die Verkehrssituation rund um Babenhausen in den Blick genommen. Die Stadt sei ein gutes Beispiel dafür, dass nach Ansicht der Initiative und vieler Pendler die Preissprünge im Tarifsystem zu groß sind. „Das hat zur Folge, dass Pendler bis zur nächsten, günstigeren Tarifgrenze mit dem Auto fahren und erst ab dort mit der Bahn weiterreisen“, sagt Uwe Schuchmann von der Initiative Odenwaldbahn.
Ziel sei jedoch, das Auto gar nicht mehr zu benötigen. Helfen würde beim Umstieg auf Bus und Bahn eine personalisierte Jahreskarte, die für das gesamt RMV-Gebiet gilt. Im Rhein-Neckar-Verbund gebe es ein solches Modell, das sich auch erfolgreich etabliert habe. Das Jahresticket ist dort für weniger als 1 200 Euro zu haben und berechtigt zu allen Fahrten im RMV-Gebiet. Den Vergleich mit den Kosten für ein Mittelklasse-Auto brauche das Jahresticket nicht zu scheuen: in der ADAC-Tabelle beginnen die jährlichen Kosten für einen Pkw der Mittelklasse (inklusive Anschaffung) bei 6 000 Euro.
Um auch die Übergangstarife nach Bayern kundenfreundlicher und weniger kompliziert zu gestalten, müssten mit dem Nachbarbundesland weitere Kooperationen eingegangen werden. Denn das Auto sei auch deshalb für viele Menschen das favorisierte Fortbewegungsmittel, weil es als besonders komfortabel empfunden werde, so Uwe Schuchmann. „Das Auto steht üblicherweise vor dem Haus, man steigt ein und am Zielort wieder aus. Weite Wege zur nächsten Bushaltestelle oder zum Bahnhof sind da natürlich nicht attraktiv.“ Ebenso wenig wie Umstiege auf dem Reiseweg.
Je weniger Umstiege, desto besser. Mitunter lassen sie sich nicht vermeiden. Doch mit besseren Taktungen ließen sich lange Wartezeiten auf den Anschlusszug- oder -bus vermeiden. Dazu müsste auf der Strecke Hanau–Babenhausen–Groß-Umstadt eine deutlich bessere zeitliche Verbindung geschaffen werden. Der Abschnitt zwischen Langstadt und Klein-Umstadt sowie der Abschnitt zwischen Hainstadt und Seligenstadt müssten hierfür zweigleisig ausgebaut werden, damit die Züge auf diesen Etappen aneinander vorbeifahren können und nicht mehr auf den Entgegenkommenden warten müssen.
„Der Ausbau wäre landschaftsschonend realisierbar, da schon beim Bau vor 150 Jahren die meisten Dämme und Brücken für zwei Gleise ausgelegt wurden“, erklärt Kurt-Michael Heß, der am Bus- und Bahn-Konzept mitgearbeitet hat. Für den Klimaschutz sei der Ausbau zudem „hocheffektiv“. Zusammen mit einem verbesserten Verkehr der Bachgau-Buslinien könnte das Verkehrsaufkommen auf der B26 sofort erheblich reduziert werden.
Zusammen mit Bürgerbussen – in Babenhausen wäre es das Bürgermobil – und dem Da-Di-Liner, der als Pilotprojekt im Babenhäuser Stadtgebiet getestet werden soll, könnte ein komfortabler, bezahlbarer und umweltschonender Mobilitätsverbund aufgebaut werden.
Das Konzept ging an Politiker sowohl auf Kreis- als auch auf Landesebene. Besonders das Land sei gefordert. Bisher kämen nur drei Prozent der finanziellen Mittel vom Land, sagt Uwe Schuchmann: „Viel zu wenig für eine echte Mobilitätswende.“ zeta