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Antrag auf Haftprüfung gestellt

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Babenhausen - Tag zehn im Babenhäuser Doppelmordprozess vor dem Darmstädter Landgericht lässt jetzt schon mit Spannung den nächsten Verhandlungstermin erwarten. Die Verteidigung stellte am Ende einen Haftprüfungsantrag mit dem Ziel, die U-Haft und das Verfahren auszusetzen. Von Veronika Szeherova

Fast 45 Minuten dauerte es, bis Verteidiger Veikko Bartel die Begründung verlesen hatte. Dabei ließ er den bisherigen Prozessverlauf Revue passieren – und kam zu dem Ergebnis, dass nicht ein Indiz bewiesen worden sei.

Für den Angeklagten Andreas D. habe die Unschuldsvermutung zu gelten – und die rechtfertige keine weitere Haft. Es sei nach der Aussage des ersten Zeugen, dem Chefermittler der SOKO, erschreckend deutlich geworden, dass es am Ende der Ermittlungen nur darum gegangen sei, seinen Mandanten als Täter zu überführen, „man war ja schon so weit gekommen.“

An diesen einen Verdacht hätten sich die Ermittler geklammert und alles andere ausgeblendet. „Die Aussage eines Zeugen, dass das spätere Opfer Klaus Toll sich an ihn gewandt habe, weil er Angst vor den Hells Angels hatte, wurde von der Polizei und der Staatsanwaltschaft völlig außer Acht gelassen“, monierte Bartel.

Aus Angst vor Rockern besorgte sich das Opfer eine Pistole

Toll habe sich eine Pistole besorgt, „doch nicht aus Angst vor meinem Mandanten, sondern vor der Rockergruppe“, sagte der Verteidiger. Denn Andreas D. habe sich, und das hätten alle Zeugen bestätigt, stets korrekt und besonnen verhalten, war niemals vor oder nach der Tat auffällig, und einen solchen Eindruck mache er auch vor Gericht. Der Briefwechsel, der zwischen ihm und dem Opfer Jahre zuvor stattgefunden hat, sei „von Toll emotional und beleidigend, von D. aber immer sehr höflich und sachlich“ geführt worden.

In der Hosentasche der Leiche seien männliche DNA-Spuren gefunden worden, die nicht zuzuordnen seien. Bartel forderte ein Rechtshilfeersuchen an osteuropäische Länder und einen Abgleich der DNA-Datenbanken. „Bei den Hells Angels bedient man sich bei Mordaufträgen häufig der Mitglieder aus Osteuropa – die als sogenannte Nomaden anreisen“, erklärte er. Es sei eine „rechtswidrige Unterlassung“ seitens der Staatsanwaltschaft, die gegen Beschleunigungsgebot verstoße, dass sie dieses Rechtshilfeersuchen nicht schon längst beauftragt habe. „Dabei kann gerade diese DNA-Spur zum wahren Täter führen“, so der Verteidiger.

„Keine kriminalistische Vorgehensweise“

Die Schmauchspuren an der Bundeswehrhose des Angeklagten seien als Indizien ebenfalls völlig ungenügend, da eine quantitative und qualitative Bestimmung fehle, zum Beispiel in Bezug auf ihr Alter. Zuletzt bezeichnete Bartel die Argumentation über die Internetspuren als „nicht tragfähig“ und „Trauerspiel“.

Im Laufe des Verfahrens sei bewiesen worden, dass Dritte sich des Benutzernamens von Andreas D. bedienten, um ins Internet zu gehen. „Die Computer wurden teils zu spät gespiegelt, wobei die Auskünfte des Systemadministrators der Firma einfach hingenommen wurden. Das war keine kriminalistische Vorgehensweise“, bemängelte der Verteidiger.

Der Vorsitzende Richter Volker Wagner informierte nach dem Verlesen des Antrags, dass die fragliche DNA-Spur bereits einem der Ermittler zugeordnet werden konnte. Zu den anderen Punkten hat sich die Staatsanwaltschaft zu äußern. Dafür hat sie acht Tage Zeit.

Angeklagter sprach mit Arbeitskollegen offen über die Vorwürfe

Zuvor haben sechs Zeugen ausgesagt – Mitarbeiter der Firma, in der Andreas D. bis zu seiner Inhaftierung im Mai 2010 tätig war. Dass der Mordfall und die anschließenden Ereignisse dort für viel Gesprächsstoff sorgten, bestätigten alle, vom Senior-Chef bis zur Empfangsdame.

Als die Ermittler wegen der Computerspiegelung in den Betrieb kamen, geschah dies „für mich völlig überraschend“, so der Inhaber des Unternehmens. Die Kripo habe ihn angewiesen, dem Kollegium zu sagen, die Polizei sei wegen eines Hackerangriffs gekommen. Was wirklich los sei, habe sich trotzdem bald herumgesprochen.

Dass die PC-Passwörter von allen Mitarbeitern bekannt waren, dementierte er: „Die waren zwar so voreingestellt, doch mehr als die Hälfte hat sich dann eigene Passwörter erstellt, die niemand kannte.“ Das könne er anhand einer Liste bezeugen.

Andreas D. sei immer offen mit der Situation umgegangen, auch, als er bereits unter Tatverdacht stand. Über seine Vernehmungen und die erste Inhaftierung habe er mit den Kollegen gesprochen.

Am 11. April wird der Prozess fortgesetzt.

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