1. Startseite
  2. Region
  3. Babenhausen

Wie eine beliebte Bäckerei aus der Region die Krise meistert

Erstellt:

Von: Norman Körtge

Kommentare

Mit Strom von der Börse und der Investition in einen neuen Ofen meistert die Bäckerei Lautenschläger die Krise und feiert ihr 70-jähriges Bestehen.

Babenhausen – 70 Jahre ist es am kommenden Montag (15. Mai) her, dass sich der aus Harpertshausen stammende Bäckermeister Wilhelm Lautenschläger selbstständig machte und seine eigene Bäckerei in Babenhausen im Kreis Darmstadt-Dieburg eröffnete. Zunächst an der Fahrstraße, bevor die Bäckerei wenige Jahre später in die Seligenstädter Straße zog, wo nach wie vor der Stammsitz der Bäckerei-Konditorei Lautenschläger ist.

Wenn der 1980 verstorbene Gründer dort nun die Backstube betreten und den neuen Ofen betrachten würde, würde er wahrscheinlich verwundert die Augen reiben. Denn auch beim traditionellen Handwerk hat die Digitalisierung Einzug gehalten. Aber vor allem wäre er stolz auf seinen Sohn Heinz, Enkelin Sabrina und ihren Mann Alexander Lautenschläger, wie sie die durch den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine ausgelöste Krise bislang gemeistert haben.

In der Backstube begrüßten Alexander (von rechts), Heinz und Sabrina Lautenschläger den SPD-Bundestagsabgeordneten Jens Zimmermann, der sich auch über die Digitalisierung in der Bäckerei informierte.
In der Backstube in Babenhausen begrüßten Alexander (von rechts), Heinz und Sabrina Lautenschläger den SPD-Bundestagsabgeordneten Jens Zimmermann, der sich auch über die Digitalisierung in der Bäckerei informierte. © Körtge

„Es ging um die Existenz des Betriebs“, ruft Heinz Lautenschläger das Schreckensszenario aus dem vergangenen Sommer in Erinnerung: Die Stromkosten drohten förmlich zu explodieren. Denn der einst günstige Bäckerei-Nachttarif von 8,7 Cent für die Kilowattstunde Strom – er bedeutete immerhin eine jährliche Stromrechnung zwischen 45.000 und 50.000 Euro – sollte ab 2023 erst auf 41 und dann sogar bis auf 62 Cent steigen. „Dann könnt ihr den Betrieb nicht fortführen. Das ist in keiner Weise zu stemmen“, hatte er zu seiner Tochter Sabrina und ihrem Mann und Bäckermeister Alexander Lautenschläger gesagt. Hinter dem nun anstehenden 70. Bäckerei-Geburtstag stand ein riesengroßes Fragezeichen.

Bäckerei Lautenschläger in Babenhausen: Investition trotz vieler Unwägbarkeiten

„Nach wie vor ist es eine sehr harte Probe für den Betrieb“, berichtet der Seniorchef nun. Eine Innovation und die Investition in neue Technik haben die Bäckerei Lautenschläger mit ihren 35 Mitarbeitern an den Standorten – neben dem Stammhaus gibt es noch Filialen an der Platanenallee in Babenhausen, in Münster und Ober-Roden sowie eine Verkaufsstelle in Hergershausen – erst einmal die Existenz gesichert. „Wir kaufen Strom jetzt an der Börse“, erzählt Heinz Lautenschläger. Zumindest indirekt. Denn alles laufe über einen Zwischenhändler, in diesem Fall die Entega. „Wir versuchen, unsere Verbrauchsspitzen an die jeweiligen Preise anzupassen“, so Lautenschläger. So könne es schon einmal sein, dass zu einem besonders günstigen Zeitpunkt in der Nacht bereits die Öfen angeheizt werden. Auf im Schnitt etwa 18 Cent – und damit immer noch mehr als doppelt so teuer wie vor einem Jahr – habe sich der Strompreis derzeit eingependelt. Zwischenzeitlich waren es im Schnitt auch 28 Cent für die Kilowattstunde.

Der Blick auf die Verbrauchsdaten und die Strombörse gehören für Sabrina und Heinz Lautenschläger mittlerweile zum Bäckerei-Alltag.
Der Blick auf die Verbrauchsdaten und die Strombörse gehören für Sabrina und Heinz Lautenschläger mittlerweile zum Bäckerei-Alltag in Babenhausen. © -

Trotz der vielen Unwägbarkeiten – auch wegen der enorm gestiegenen Rohstoffkosten etwa für Mehl und Schokolade (Lautenschläger: „Wir sind mit der Kalkulation der Verkaufspreise gar nicht mehr nachgekommen“) – entschieden sich die Lautenschlägers für den Kauf eines neuen Gerätes: einen sogenannten Stikkenofen. Dieser verbraucht wesentlich weniger Energie und lässt sich digital steuern und programmieren. Grundvoraussetzung, um einen Antrag für ein Bundesförderprogramm zur Digitalisierung zu stellen, damit die 150.000-Euro-Investition für den Babenhäuser Betrieb etwas abgefedert werden kann. Ein Grund auch, warum – neben der generell schwierigen wirtschaftlichen Situation – der Groß-Umstädter SPD-Bundestagsabgeordnete Jens Zimmerman zu Besuch in die Backstube kam. Er ist der digitalpolitische Sprecher seiner Fraktion. „Bei Digitalisierung denken in Babenhausen die meisten eher an Continental statt an eine Bäckerei“, sagte der Politiker. Er hörte sich auch die Probleme und Herausforderungen an, die die Lautenschlägers im Antragsprozess zum Förderprogramm hatten und haben. Denn noch haben die Bäcker keinen Cent aus dem Fördertopf bekommen.

Geld, über das sich auch die seit Jahresbeginn endgültig mit an Bord befindlichen Sabrina und Alexander Lautenschläger freuen würden. Der Generationenwechsel ist eingeleitet. „Ich bleibe, solange die jungen Leute mich brauchen“, sagt der 66-jährige Heinz Lautenschläger. Angesichts des Fachkräftemangels im Bäckereihandwerk keine schlechte Option für die Bäckerei Lautenschläger. (Norman Körtge)

Auch interessant

Kommentare