Viele neue Seepferdchen in Babenhausen

„Fast 60 Prozent der Kinder unter zehn Jahre können nicht sicher schwimmen“, titelte die Deutsche Lebensrettungs-Gesellschaft (DLRG) bereits vor fünf Jahren. Mittlerweile habe die Schwimmfähigkeit der Sechs- bis Zehnjährigen weiter abgenommen. Als Gründe werden vor allem die Bäderschließung während der Corona-Lockdowns und die zu geringen Schwimmzeiten in den meist kommunal betriebenen Frei- und Hallenbädern genannt.
Harpertshausen - Jasmin Kielmann bestätigt die alarmierenden Aussagen der DLRG. „Es gibt tatsächlich einige Kinder, die schon in die dritte oder vierte Klasse gehen und noch nicht einmal eine Wassergewöhnung hatten“, sagt die stellvertretende Vorsitzende des Schwimmvereins Blau-Weiß in Harpertshausen. Der Verein hatte sich vor 23 Jahren in Babenhausens kleinstem Stadtteil gegründet, um das kleine Bad, das schon 1962 errichtet worden war, wieder mit Leben, oder besser: mit Wasser und mit Badegästen, zu füllen.
Vor 60 Jahren hatte die damals noch selbstständige Gemeinde Harpertshausen mithilfe der Bürger am Ortsrand ein Schwimmbecken ausgehoben, sodass ein Ort entstand, an dem man sich an heißen Sommertagen erfrischen und wo man sich nach der Arbeit oder am Wochenende treffen konnte. Von 1972 bis zu seiner vorläufigen Schließung 1998 hatte das kleine Bad sogar eine Badeaufsicht. Wegen technischer Unzulänglichkeiten und aus hygienischen Gründen wurde das Bad geschlossen. Jedoch nicht lange, denn der frisch gegründete Schwimmverein nahm sich der kleinen Sportstätte an, sodass bald mit der Sanierung begonnen werden konnte.
Vom Engagement der damaligen Vereinsgründer und Mitglieder, sowie der heute ehrenamtlich Aktiven profitieren nicht nur jene, die dem Schwimmverein angehören, sondern die gesamte Gesellschaft. Denn ein Verein, der ein Schwimmbad unterhält und nun sogar professionell betreute Schwimmkurse für Kinder anbietet, sei ein Gewinn für die ganze Gesellschaft, meinte Babenhausens Bürgermeister Dominik Stadler nun bei einem Besuch des kleinen Bades.
Der Rathauschef war nach Harpertshausen gekommen, um sich vom neuen Angebot des Vereins zu überzeugen. Dieser hatte für einen Schwimmkurs mit zehn Einheiten einen lizenzierten Schwimmtrainer gewinnen können. 23 Kinder nahmen nun am Schwimmkurs unter Leitung von Jens Kretzschmer teil, mit dem Ziel, am Ende das Seepferdchen-Abzeichen zu bekommen.
Die meisten Jungs und Mädchen hätten auch gute Chancen, die Seepferdchen-Prüfung zu bestehen, meinte Kretzschmer, der mit den Kindern zunächst übte, auf Schwimmbrettern oder mit Schwimmnudeln ein Gefühl für das Wasser zu bekommen. Schon bald konnten die meisten Kinder ihre Hilfsmittel am Beckenrand zurücklassen und sich selbst mit „Froschbeinen“, wie es Ole nennt, im Wasser vorwärtsbewegen. Ole gehört zu jenen Kindern, die schon vor zwei Jahren das Seepferdchen-Abzeichen machen wollten, aber keinen Kursplatz in einem der umliegenden Schwimmbäder bekam.
„Zu unserem Schwimmkurs sind nicht nur Kinder aus Harpertshausen, sondern auch aus Langstadt und Münster gekommen“, erzählt Kielmann. Denn das Hallenbad in Münster ist seit Jahren geschlossen und wird auch nicht mehr öffnen. Das Freibad in Dieburg wird derzeit neu gebaut und ist deshalb ebenfalls zu. Die Kurse, die der Turnverein Babenhausen anbietet, sind vollständig ausgebucht. Um die Situation zu entschärfen und möglichst vielen Kindern das Schwimmen beizubringen, hat der Harpertshäuser Schwimmverein mit inzwischen 430 Mitgliedern die Initiative ergriffen und ein eigenes Angebot bereitgestellt.
Eine große Herausforderung für den kleinen Ort, denn wie bei einem großen, kommunalen oder privaten Bad müssen auch im Bad des Schwimmvereins die Technik professionell gewartet und eine gute Wasserqualität eingehalten werden, müssen Wasserproben überprüft und das Bad sowie das Außengelände gepflegt werden. Schon vor mehreren Jahren hatte der Verein in eine Solaranlage und in eine Abdeckung für das Becken investiert. Nun zahlen sich die Investitionen aus, denn das Wasser kann allein mit Sonnenenergie geheizt werden.
So können die Kinder in angenehm temperiertem und sauberem Wasser und mit der Aussicht auf ein süßes, erfrischendes Eis schwimmen lernen. Ein bisschen aufgeregt sei er schon wegen der bevorstehenden Seepferdchen-Prüfung, verrät Ole. 25 Meter muss er schwimmen und einen Gegenstand vom Boden des Schwimmbeckens holen. „Aber das Schwimmen macht Spaß“, sagt er und in seiner Stimme schwingt ein wenig Stolz über das Gelernte mit. (zeta)