Cellba-Puppen-Ausstellung in Babenhausen eröffnet

Im Territorialmuseum Babenhausen ist die Sonderausstellung „Zwei Puppenpatente waren der Anfang“ eröffnet worden. Es geht um die Produktion der sogenannten Cellba-Puppen.
Babenhausen . Die Puppe mit dem rot-weiß karierten Kleid und der weißen Pluderhose teilt sich die Vitrine mit der Olympia-Puppe von 1936. „Puppe aus Greifswald“ steht auf einem kleinen Schild. Sie gehörte vor vielen Jahren der Mutter von Christina Kolbe, hat den Zweiten Weltkrieg fast ohne Schrammen überlebt und ist vor einigen Wochen gut verpackt in einem Karton nach Babenhausen zur Sammlung des Heimat- und Geschichtsvereins (HGV) gereist, wo Ine Reichart sie behutsam ausgepackt hat.
Christina Kolbe hat die Puppe im Nachlass ihrer Mutter, die 1931 in Kassel geboren wurde, entdeckt und angefangen im Internet zu recherchieren, wie sie erzählt. „Ich habe einen Zeitungsartikel über die Sammlung und das Museum des hiesigen Heimat- und Geschichtsvereins gefunden, Kontakt aufgenommen und dann beschlossen, sie dem Verein zu schenken“, sagt sie. So ist das Spielzeug quasi nach Hause zurückgekehrt, denn es ist in der Gersprenzstadt als Cellba-Puppe hergestellt worden.

Vor 100 Jahren begann in Babenhausen eine Erfolgsgeschichte, die mit zwei Patenten über die Verbindung von Puppengliedern aus Zelluloid ihren Anfang nahm. Carl Wimmer meldete am 15. April 1923 das erste und Otto Becker am 21. September des gleichen Jahres das zweite an. Der Startschuss für die Produktion der Cellba-Puppen mit der Nixe auf dem Rücken fiel dann am 1. Januar 1924. Die „Celluloidwarenfabrik Babenhausen, Schöberl & Becker“ produzierte Puppen und andere Spielwaren und exportierte sie in die ganze Welt, bis 1966 der US-Konzern Mattel den Betrieb übernahm.
Die mit reichlich Exponaten, historischen Fotos und Texttafeln ausgestattete Sonderausstellung unter dem Titel „Zwei Puppenpatente waren der Anfang“ ist nun von HGV-Vorsitzendem Georg Wittenberger und der Kuratorin Ine Reichart eröffnet worden. Reichart hat über zwei Jahrzehnte inzwischen gut 500 Puppen, Rasseln, Schwimmtiere und anderes Spielzeug aus der Cellba-Produktion gesammelt und katalogisiert. Eine Auswahl ist bei der Ausstellung zu sehen, die während des ganzen Jubiläumsjahres, bis 1. April 2024, im Territorialmuseum aufgebaut bleibt.
Und ein Besuch lohnt sich, erfährt man doch in übersichtlicher Form allerhand über die Geschichte der Firma Cellba, die Fabrikantenfamilie Schöberl, die Herstellung der Puppen, das Material Zelluloid und den Modelleur, den Bildhauer Karl Gansler, dessen Tochter Sonja als Modell für viele Puppenköpfe diente und die in Folge des Bombenangriffs auf Babenhausen, Weihnachten 1944, im Alter von 17 Jahren starb.

Karl Ganslers Sohn und Sonjas Bruder Albert Gansler, der einen Steimetzbetrieb in Groß-Umstadt betreibt, war wie die Puppenstifterin aus Greifswald unter den Gästen der Eröffnung. „Es werden viele Erinnerungen an den Vater wach. Ich bin ja mit den Puppenmodellen aufgewachsen“, erzählt der 81-jährige Gansler. Mit einem modellierten Puppenkopf habe er sich auch als junger Mann schließlich bei der Aufnahmeprüfung an der Werkkunstschule auf der Darmstädter Mathildenhöhe für ein Studium der Bildhauerei beworben – mit Erfolg.
Öffnungszeiten
Das Territorialmuseum, Amtsgasse 32, ist am Karsamstag von 15 bis 17 Uhr, am Ostersonntag von 14 bis 17 Uhr und am Ostermontag von 14 bis 17 Uhr geöffnet. Die regulären Öffnungszeiten: donnerstags und sonntags von 14 bis 17 Uhr sowie samstags von 15 bis 17 Uhr.
Grußworte überbrachten der Erste Kreisbeigeordnete Lutz Köhler und Bürgermeister Dominik Stadler. Stadler nährte die Hoffnung von Ine Reichart auf eine dauerhafte Ausstellungsmöglichkeit für die stattliche, auch in HGV-Publikationen aufgearbeitete Sammlung, die nicht nur die Industriegeschichte der Stadt illustriert, sondern auch Kultur- und Sozialgeschichte. „Kolonnen von Babenhäusern und Menschen aus den umliegenden Orten sind jeden Tag zur Arbeit in die Cellba marschiert. Viele Frauen haben in Heimarbeit an den Puppen gearbeitet“, so Reichart, die von „kaputten Fingern durch scharfe Werkzeuge“ erzählte.
Zu einem besonderen Symbol ist eine Cellba-Puppe namens „Inge“ geworden. Sie begleitete die kleine Lore Stern aus Kassel auf der Flucht vor den Nazi in die USA und war als eines von 16 Erinnerungsstücken, die als Alltagsgegenstände deutscher Juden zur Sammlung der Holocaust-Gedenkstätte gehören, kürzlich bei der Ausstellung „Sechzehn Objekte – siebzig Jahre Yad Vashem“ im Bundestag zu sehen. (Petra Grimm)