Auf Entdeckungstour im Territorialmuseum Babenhausen

Das 2014 eröffnete Territorialmuseum in Babenhausen holt auch Weltgeschichte in die Altstadt.
Babenhausen – Vor Jahrzehnten war diese Verwandlung undenkbar, als US-Army und Industrie das Bild des doch ramponierten Städtchens Babenhausen dominierten: Nach grundlegender Sanierung und Verkehrsberuhigung ist die historische Altstadt zum Schmuckkästchen geworden, das viele Neubesucher verblüfft. Das Erstaunen setzt sich beim Rundgang durch die Gassen und durch die gotische Stadtkirche fort. Keineswegs weglassen sollte man dabei den Besuch des Territorialmuseums in der schönen Amtsgasse. Betrieben wird es ehrenamtlich von Mitgliedern des Heimat- und Geschichtsvereins.
Möchte man Zusammenhänge und Hintergründe erfahren über die prachtvoll erhaltene Stadtmauer, über stimmungsvolle Adelshöfe, das verschlossene Residenzschloss oder die rauschende Stadtmühle geben Schilder nur erste Orientierung. Das geschlossene Verkehrsbüro fällt als Informationsquelle aus. Das 2014 in den aufwendig restaurierten historischen Höfen der Gaylinge von Altheim (1555) eröffnete Museum bietet das Kontrastprogramm.
Erwachsen aus bürgerschaftlichem Engagement wie dem von Georg und Ute Wittenberger oder Dieter Aumann erhalten Besucher auf drei Stockwerken mit 305 Quadratmetern Fläche auch durch 29 Hörstationen samt erzählender Galerie ein umfassendes Bild der Region. Dazu zählen die alten Residenzstädte Babenhausen und Bouxwiller im Elsass ebenso wie deren ehemalige Grafschaft Hanau-Lichtenberg.

Das neuzeitliche Babenhausen und seine historisch gewachsenen Stadtteile Hergershausen, Harreshausen, Langstadt, Sickenhofen und Harpertshausen kommen nicht zu kurz. In atmosphärisch dichten Räumen ist es gelungen, ein modernes Erlebnis-, Lern- und Erzählmuseum auf die Beine zu stellen, das mit einem beschaulichen Heimatmuseum alter Art nicht mehr viel gemeinsam hat. Anerkennung dafür drückt sich in Plaketten an der Hauswand aus: 2014 Hessischer Denkmalschutzpreis, 2015 Deutscher Fachwerkpreis. 2018 war das einzige Babenhäuser Museum „Museum des Monats“ in Hessen. Hier beginnt und endet auch die „Kunststoffstraße“ durch den Kreis Darmstadt-Dieburg, gekoppelt an die 1925 gegründete Firma Cellba (Celluloid Babenhausen), einst zweitgrößte Puppenfabrik des Deutschen Reiches.

Viele Fragen, die sich beim Erwandern von Babenhausen und seiner „Vororte“ stellen, werden im Museum beantwortet. Was hat es mit dem zur Zeit so verschlossenen Schloss auf sich, das früher große Bedeutung hatte? Im blauen Raum – Leitfarben sorgen für Struktur – sieht man ein romanisches Säulenkapitell aus dem Schloss von 1189, ein Ölgemälde zeigt Friedrich II. von Hessen-Kassel, der im Schlosshof Soldaten mustern ließ, die im 18. Jahrhundert für Kriege nach Nordamerika verkauft wurden. Daneben erfährt man einiges über Adelsfamilien, deren Höfe bis heute das Stadtbild prägen. Im Obergeschoss wird im hellroten Raum auch die Partnerstadt Buchsweiler vorgestellt, die Grafenreihe wird von Philipp I. bis Johann Reinhard III. transparent, die auch Johann Wolfgang Goethe anzog – allerdings nur in Bouxwiller. Im weinroten Raum mit der Kirchturmuhr von Harreshausen geht es um Kirchen- und Reformationsgeschichte, die mit Reformator Erasmus Alberus einen herausragenden Theologen und Prediger in Babenhausen enthielt, der in Wittenberg für Furore sorgte. Hier lernt man auch, dass Babenhausens gut befestigtes Schloss nicht leicht zu erobern war. Auch nicht im 30-jährigen Krieg, aus dem gezeigte Kanonen- und Musketenkugeln stammen. Wie schlimm es im Mittelalter und 16. Jahrhundert zuging, zeigen Dokumente zur Hexenverfolgung im dunkelgrünen Raum, die aber nicht restlos klären, ob der noch dastehende, schwer angeschossene Hexenturm damit in Verbindung steht.

Etwas gruselig wird´s auch im Dachgeschoss, das den Räuber Hölzerlips im Wachsmodell darstellt. Er war Anführer einer berüchtigten Bande, die mit Kumpanen wie Manne Friedrich, Kramer Matthes und Krämer Veit das Land unsicher machte und auch von der Ziegelhütte bei Sickenhofen agierten. Für die folgende Bestrafung solchen Unwesens sieht man ein echtes Richtschwert samt eingravierten Sprüchen, einer Justitia und einer Mutter Gottes. Unter dem Dach geht es kunterbunt hin und her zwischen Eisenbahn- und Industriegeschichte, Drittem Reich und jüdischen Gemeinden. Dazu schaffen Cellba-Produkte mit reizenden Puppen der Babenhäuser Familie Schöberl ein Gegenbild.
Öffnungszeiten
Das Territorialmuseum, Amtsgasse 32, hat donnerstags von 14 bis 17 Uhr, samstags von 15 bis 17 Uhr und sonntags von 14 bis 17 Uhr geöffnet. Führungen für Gruppen nach Vereinbarung mit Georg Wittenberger: Telefon 06073 61281.
Nicht versäumen sollte man beim Gang über die alte Wendeltreppe, einen Blick auf das Hochparterre zu werfen mit Museumsbibliothek und Vortragsraum. Im Souterrain gefällt eine stimmige Darstellung der hiesigen Vor- und Frühgeschichte mit Funden und archäologischen Ausgrabungen, auch mit kurzen Blicken auf Römerzeit und Eisengewinnung, die der Eisenzeit den Namen gab. Wie eng hier alles beieinanderliegt, sieht man am nachgestellten Hügelgrab und diversen Grenz- und Markierungssteinen im Lapidarium vor dem Amthaus. (Reinhold Gries)