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Denkmalschutz ist kein Disneyland

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Von: Ekkehard Wolf

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Im Gespräch: Architekt Roland Kaupp (links) und Jürgen Schäfer von der städtischen Bauverwaltung.
Im Gespräch: Architekt Roland Kaupp (links) und Jürgen Schäfer von der städtischen Bauverwaltung. © Wolf, Ekkehard

STADTMAUER Sanierung soll historisches Mauerwerk dauerhaft vor Erosion schützen

Babenhausen – Eine riesige Puzzle-Aufgabe liegt oben auf der Stadtmauer an der Zwingergasse. Die Sanierung der Mauerkrone erfordert Augenmaß und viel Erfahrung. Kein Stein ist wie der andere. Doch am Ende müssen die unterschiedlich großen Bruchsteine eine stabile Mauer bilden.

Mehrere Meter über dem Boden steht Marius Doktor auf dem Baugerüst. Marius – wie bitte? „Doktor, wie der Arzt“, lacht der Maurer. Mit geübter Hand streicht er den Mörtel auf die unebene Oberfläche und setzt einen passenden Stein ins Mörtelbett. Seit zehn Jahren arbeitet er bei der Firma Wolfsholz in Leonberg (Baden-Württemberg), die sich auf historisches Mauerwerk spezialisiert hat.

Seit Anfang September läuft die Sanierung entlang der Zwingergasse. Dieser Abschnitt der Stadtmauer ist knapp 150 Meter lang. „Wir haben an der Brandgasse begonnen und arbeiten quasi gegen den Uhrzeigersinn“, erklärt Architekt Roland Kaupp (Darmstadt).

„Das wichtigste Ziel ist der Schutz vor Erosion“, sagt Jürgen Schäfer von der städtischen Bauverwaltung. Er bezeichnet die Stadtmauer als ein „Herzensanliegen“. Bei den ersten Überlegungen 2019 habe sich rasch gezeigt, dass eine komplexe Sanierung finanziell nicht möglich sei. Auch die abgespeckte Form sei ein Projekt für mehrere Jahre: „Wenn’s gut läuft, schaffen wir es bis 2026.“

In diesem Jahr stehen 100 000 Euro für die Sanierung bereit. Ein Zuschussantrag hatte keinen Erfolg. Schäfer: „Wir sparen uns das fast vom Mund ab, aber wir wollen unser Schmuckstück erhalten.“

Zunächst gilt es die Mauerkrone zu sichern, damit das Regenwasser nicht mehr eindringt. Aber auch an den Seitenflächen gibt es viel zu tun, wie Architekt Kaupp erklärt: „Das Fugenmaterial ist stark rückverwittert. Dort ist eine Eintrittsstelle für Wasser.“ An manchen Stellen sind einzelne Steine herausgebrochen, sodass Lücken entstanden sind: „Solche Ausbrüche werden wir reparieren.“

Mit Sorge betrachtet der Architekt den Bewuchs der Stadtmauer: Moos und rankende Pflanzen böten zwar einen schönen Anblick, führten aber auch zu Mauerschäden durch Wurzeln und eindringende Feuchtigkeit.

Bei der Sanierung eines Baudenkmals ist nicht nur traditionelle Handwerkskunst, sondern auch das richtige Material gefragt. Die Denkmalschutzbehörde habe das Institut für Steinkonservierung hinzugezogen, berichtet der Architekt. Dass die früheren Steinbrüche längst geschlossen sind, sei nur ein Teil des Problems: „Selbst wenn wir Steine von dort finden, finden wir sie nicht in dem abgewitterten Zustand.“ Bei der Auswahl der Ersatzmaterialien sei vieles zu beachten, unter anderem Struktur, Oberfläche und Farbe.

Das gilt auch für das Fugenmaterial. „Wir haben den historischen Mörtel analysieren lassen“, so Roland Kaupp: „Es ist wahrscheinlich ein heller Mörtel gewesen, der im Lauf der Zeit nachgedunkelt ist.“ Deshalb werde der Mörtel jetzt bei der Sanierung etwas dunkler eingestellt, damit die Farbe passt: „Idealerweise sieht man überhaupt nicht, dass wir eingegriffen haben.“

Frühere Sanierungsschritte bleiben aber sichtbar, zum Beispiel beim Turmstumpf an der Zwingergasse. Dort wurde irgendwann eine Seitenwand erneuert: mit neuem Material (Sandstein) und viel zu dünn (30 Zentimeter). „Das würde man heute nicht mehr machen“, sagt der Architekt. Dennoch ist es ihm wichtig, auch solche Sünden der Vergangenheit zu erhalten: Sie gehören zur Geschichte dieser Mauer dazu. Kaupp: „Der größte Fehler, den man machen könnte, wäre aus meiner Sicht, ein Disneyland zu schaffen.“

Für die nächsten Tage hofft Jürgen Schäfer von der Stadtverwaltung vor allem auf eines: „Gutes Wetter ist das Wichtigste.“ Das bedeutet: trocken und mindestens fünf Grad Celsius, damit der Mörtel aushärten kann.

Keine Durchfahrt: Das Baugerüst blockiert die Einfahrt in die Zwingergasse.
Keine Durchfahrt: Das Baugerüst blockiert die Einfahrt in die Zwingergasse. © Wolf, Ekkehard
Wie ein Ring umgibt die Stadtmauer die Babenhäuser Altstadt. Aus der Luft ist das besonders gut zu erkennen. Luftbild: Häsler
Wie ein Ring umgibt die Stadtmauer die Babenhäuser Altstadt. Aus der Luft ist das besonders gut zu erkennen. Luftbild: Häsler © Axel Haesler
Augenmaß und viel Erfahrung braucht Maurer Marius Doktor, um die Bruchsteine passgenau zusammenzupuzzeln.
Augenmaß und viel Erfahrung braucht Maurer Marius Doktor, um die Bruchsteine passgenau zusammenzupuzzeln. © Wolf, Ekkehard
Die Mauerkrone wird mit historisch passenden Materialien saniert.
Die Mauerkrone wird mit historisch passenden Materialien saniert. © Wolf, Ekkehard

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