Die Pflege wird teurer

Durch den Gesetzgeber ist Mitte 2021 beschlossen worden, dass die Vergütung von Pflegepersonal erheblich erhöht werden soll. Tom Best vom Christlichen Sozialwerk in Harreshausen hat sich dazu Gedanken gemacht.
Harreshausen - Seit Februar liegen nun die vom Gesamtverband der Krankenversicherung (GKV) ermittelten neuen regionalen Mindestlöhne vor, die die bisherigen erheblich übersteigen. Wie vom Ex-Gesundheitsminister Spahn angekündigt, wird eine Fachkraft in einer Vollzeitbeschäftigung nun zirka 4 000 Euro pro Monat verdienen – einschließlich Sonderzahlungen wie zum Beispiel Weihnachtsgeld.
„Das ist wirklich ein großer Schritt für eine sehr belastete Branche. Denn neben der gesellschaftlichen Anerkennung, die die tapferen Mitarbeitenden in den letzten zwei Jahren erhalten haben, kommt nun eine wirklich attraktive Bezahlung dazu“, sagt der Leiter des Christlichen Sozialwerks Harreshausen, Tom Best. Seine Unternehmen, zu dem unter anderem das Bethesda-Senioren zentrum in Harreshausen, das Bethanien-Haus in Schaafheim und ein ambulanter Pflegedienst gehören, erhöhen die Löhne bereits zum 1. Juli, es gibt höhere Sonderzahlungen und als Bonbon ein Job-Ticket des RMV, mit dem man in ganz Südhessen kostenlos Bus und Bahn fahren kann.
Die Konsequenz aus diesen Wohltaten sei aber vielen noch nicht bewusst, meint Best. Denn die höheren Löhne müssten auch bezahlt werden. Da der Gesetzgeber nun die Vergütung selbst vorgeschrieben hat wird die Lohnerhöhung direkt auf die Preise umgelegt. Wer diese Löhne nicht zahlt, verliert seinen Versorgungsvertrag, somit seine Geschäftsgrundlage.
Pflegekassen und der Sozialhilfeträger – also das Sozialamt – legen in Verhandlungen mit den Pflegeeinrichtungen und ambulante Diensten diese Vergütungen fest. Daraus errechnet sich auch der Preis, den die Bewohner eines Heimes oder ambulant versorgte Klienten zu zahlen haben. Die Versorgten haben bei diesem Prozess nicht mitzuentscheiden.
Das Christliche Sozialwerk Harreshausen mit seinen Tochterunternehmen hat bisher die tarifähnlichen Vergütungstabellen des Paritätischen (AVB) angewandt. Diese Vergütung ist nun bei vielen gemeinnützigen Unternehmen im Paritätischen zu niedrig.
Erschwerend kommt hinzu, dass in diesem Jahr weitere Kostensteigerungen kalkuliert werden müssen. Denn die erhöhten Kosten für beispielsweise Heizung und Treibstoff oder Lebensmittel und Wartungsgebühren müssen ebenfalls in die Kosten eingerechnet werden. Die Lohnkosten werden je nach Funktion nun zwischen zwölf und 27 Prozent steigen. Aktuell laufen die Verhandlungen noch. Sowohl das Seniorenzentrum Bethesda als auch die Tagespflegen haben Pflegesatzverhandlungen begonnen und rechnen mit erheblichen Preissteigerungen durch diese Gesetzeslage. „Pro Platz und Monat betragen die Mehrkosten im Pflegeheim etwa 350 bis 450 Euro“, macht Best die erforderliche Preissteigerung deutlich: „Das wird zu erheblichen Mehrbelastungen auch für den Sozialhilfeträger führen, da etliche unserer Kunden ohne diese ‚Hilfe zur Pflege’ nicht zurecht kommen werden.“
Bei der ambulanten Pflege wird das Sozialwerk auf Abrechnung nach Zeit umstellen. Das erhöht die Transparenz und wird den Kunden mehr Handlungsspielraum geben. Aber auch hier müssen sich die steigenden Gehälter niederschlagen.
Best kündigt den Kunden diese Mehrkosten bereits an. Laut Sozialgesetzbuch erhält jeder Kunde rechtzeitig vier Wochen vor der Erhöhung eine detaillierte Aufstellung und hat ein Sonderkündigungsrecht. Da die neue rechtliche Lage ab dem 1. September bundesweit gilt, werden allerdings bei vielen Einrichtungen ähnliche, erhebliche Preissprünge erwartet, vermutet Best. (nkö)