Doppelmordfall aus Babenhausen: Ein Fünkchen Hoffnung bei Andreas Darsow

Gegen den verurteilten Andreas Darsow aus Babenhausen steht jetzt ein Zivilprozess an. Seine Ehefrau hofft auf eine neue Chance, die Justiz von seiner mutmaßlichen Unschuld zu überzeugen.
Darmstadt/Babenhausen - Am Landgericht Darmstadt geht es am kommenden Mittwoch (9. März) wieder einmal um den Doppelmordfall aus Babenhausen (Kreis Darmstadt-Dieburg). Das Land Hessen macht gegenüber dem Verurteilten Andreas Darsow in einem Zivilprozess Leistungen aus dem Opferentschädigungsgesetz geltend. Konkret geht es um die bei der Tat 2009 schwerverletzte Tochter des ermordeten Nachbarehepaares. Im Interview spricht Ehefrau Anja Darsow über ihre Hoffnung.
Frau Darsow, wie geht es Ihnen wenige Tage vor dem Verhandlungstermin?
Tatsächlich haben wir doch große Hoffnung, aber darunter mischt auch immer wieder Unsicherheit. Ein wenig bin ich auch ängstlich, weil wir nicht wissen, wie das Gericht mit der ganzen Sache umgeht. Wenn doch wieder die Schuld festgestellt wird, dann wäre das schon dramatisch.
Sie sprechen die Tatsache an, dass in dem Zivilprozess gegen Ihren Mann die Schuld erneut festgestellt werden muss. Das Urteil aus dem Jahr 2011 reicht dazu nicht?
Man darf das Urteil nicht nutzen. Der Fall muss neu angeschaut werden. Aber in welchem Umfang dies geschehen wird, kann ich noch überhaupt nicht greifen, weil bislang nur ein Tag angesetzt ist und keine Zeugen geladen sind. Vielleicht ist der 9. März auch nur so ein Tag, an dem festgestellt wird, dass keine Einigung erzielt wird und dann weitere Termine festgelegt werden. Rechtsanwalt Dr. Strate sagt auch, dass er nicht weiß, was passiert.
Doppelmordfall aus Bebenhausen: „Im Zivilverfahren sind die Chancen größer“
Erst das auf Indizien beruhende Urteil 2011, dann der 2018 mit viel Akribie vorgebrachte aber schließlich abgelehnte Wiederaufnahmeantrag – woher nehmen Sie die Hoffnung, dass diesmal das Gericht anders entscheidet?
Weil, wie bereits gesagt, bei diesem Zivilprozess tatsächlich noch einmal alles dargelegt werden kann. Bei der Wiederaufnahme mussten wir punktiert Sachen so neu platzieren, als wären sie noch nie dagewesen. Bei der Zivilklage haben wir nun die Möglichkeit zu zeigen, was wir alles rausgefunden haben. Das durften wir im Wiederaufnahmeverfahren nicht. Deswegen denke ich, dass im Zivilverfahren die Chancen größer sind, die Unschuld zu beweisen.
Wird Anwalt Strate etwas Neues vorbringen?
Ja, im Hintergrund laufen einige Recherchen. Wir haben noch verschiedene Hinweise bekommen. Die wird Dr. Strate dann vor Gericht vorbringen. Da kann und soll ich vorher noch nichts sagen.
Zuletzt sorgte die Anklage gegen Pfungstadts Bürgermeister Patrick Koch für Aufsehen. Er gehörte zu den Ermittlern im Doppelmordfall und schrieb Rechtsanwalt Strate eine E-Mail, in der er seine Sicht auf die Ereignisse schilderte. Wie haben Sie den Prozess erlebt?
Ich habe die große Hoffnung gehabt, dass das Gericht die E-Mail von Herrn Koch nicht als Verrat sieht. Es war tatsächlich so, dass er sein Unwohlsein über die damaligen Ermittlungen mitgeteilt hat. Er hat selber gesagt, wo soll ich hin damit. Ich bin sehr froh darüber, dass das Gericht es auch so gesehen hat, dass es kein Geheimnisverrat war und das niemand bestraft wird, weil er seine Meinung gesagt hat. (Anmerkung der Redaktion: Die Staatsanwaltschaft hat mittlerweile Berufung eingelegt.)
Der Staatsanwalt hat auch über Ihre mediale Präsenz als Ehefrau, die für die Unschuld ihres Mannes kämpft, gesprochen. Wie empfanden Sie das?
Er hat ja gesagt, ich soll jetzt endlich mal Ruhe geben. Ganz ehrlich: Wenn er in meiner Situation wäre, dann könnte er das auch nicht einfach ruhen lassen. Und das ich an dem Tag im Gericht war, war auch dem geschuldet, dass ich Herrn Koch auf diese Weise Danke sagen wollte, dass er richtig gehandelt hat. Kontakt habe ich zu Herrn Koch nicht. Das wäre auch nicht gut.
Doppelmordfall aus Babenhausen: „Es ist einfach eine ewig lange Zeit, die er im Gefängnis sitzt“
Wie erlebt Ihr Mann das Auf und Ab zwischen Hoffnung und juristischen Rückschlägen?
Er hat schon gedacht, dass er geladen wird und war dementsprechend ein wenig verwundert. Aber es ist wohl gang und gäbe, dass in so einem Zivilprozess viel über die Anwälte geht. Es ist einfach eine ewig lange Zeit, die er schon im Gefängnis ist. Irgendwie findet man sich dann damit auch ein wenig ab. Es sind ja keine zwei oder drei Jahre. Es sind jetzt fast zwölf Jahre. Es ist wirklich schwer zu beschreiben, wie er fühlt.
Hat er Hoffnung?
Ich glaube, Andreas möchte nicht zu viel Hoffnung reinlegen. Aber so ein kleines Auflodern der Hoffnung ist da.
Kürzlich war wieder eine Dokumentation über den Mordfall und die vielen infrage stehende Indizien im Fernsehen zu sehen. Schauen Sie sich das an?
Ja, ich habe es mir angeschaut und es hat auch noch einmal für mich ganz viel Schwung in die Sache gebracht. Da kamen noch einmal Hinweise und Ideen. Wir sind ja teilweise so betriebsblind, dass neuer Input wirklich gut ist. Gut sind auch die eher „negativen Aspekte“ für meinen Mann. Dann kann ich verstehen, warum die Staatsanwaltschaft so denkt.
Meiner Beobachtung nach gibt es niemanden außerhalb der Gerichte und der Staatsanwaltschaft, der sagt, Andreas Darsow muss es gewesen sein. Haben Sie andere Erfahrungen gemacht?
Ich glaube, die breite Masse denkt so wie wir: Da stimmt was nicht! Aber in den sozialen Medien gibt es immer mal wieder, aber sehr selten, negative Meldungen und dann aber auch immer sehr massiv. Ich denke fast, dass sind dann so Trolle, die versuchen Stimmung zu machen. Die sind aber auch bei anderen Fällen aktiv. Ich habe anfangs versucht, mich zu rechtfertigen, aber damit habe ich aufgehört. Man kann diese Menschen einfach nicht überzeugen. Und ich brauche es auch nicht.
Doppelmordfall aus Babenhausen: Kinder sollen ein normales Leben führen
Wie gehen Sie und auch Ihre Kinder mit dem gerade mal wieder zunehmenden medialen Interesse an dem Fall um?
Wir besprechen das bei uns in der Familie. Ich kann ja immer erzählen, was wir gerade gemacht haben oder das jetzt wieder ein Bericht kommt. Die Kinder halte ich da aber aus allen medialen Dingen raus. Sie sollen ein normales Leben führen können. Angesprochen aus dem Umfeld werden sie so oder so.
In einem früheren Interview haben Sie gesagt, dass Ihnen der Laufsport geholfen habe, auch mal abschalten zu können: „Und wenn es ganz schlimm ist, dann drehe ich auch schon einmal die ein oder andere Extrarunde.“ Laufen Sie gerade viele Extrarunden?
Ja, momentan laufe ich ganz viele Extrarunden, um den Kopf frei zu bekommen und um mich selber zu erden. Es sind gefühlt 1000 Extrarunden. (Interview von Norman Körtge)