Eine Brücke weniger in Babenhausen

Im September 2019 von der Stadtverordnetenversammlung endgültig beschlossen und vor gut vier Wochen von der Stadt angekündigt, ist eine Brücke über die Semme südwestlich von Hergershausen, Richtung Altheim, nun abgerissen worden. Einen Neubau wird es, wie ebenfalls beschlossen, an dieser Stelle nicht geben. Überraschend gekommen ist der Abriss nicht. Vermisst wird die Brücke allerdings doch.
Babenhausen - Zum Beispiel von Maren Gatzemeier aus Hergershausen. Dass die in den vergangenen Jahrzehnten immer schwerer gewordenen landwirtschaftlichen Fahrzeuge und Geräte die Brücke nicht mehr nutzen konnten und diese daher auch schon lange dafür gesperrt gewesen war, sei das eine. Auf der anderen Seite habe sich die individuelle Mobilität der Bürger verändert. „Gesundheits- und Umweltbewusstsein haben dazu geführt, dass die Menschen ihr Umfeld gern und regelmäßig per pedes und mit dem Fahrrad durchstreifen“, meint Gatzemeier. Feld- und Forstwege und ihre Brücken dienten dabei in hohem Maß den umweltfreundlichsten Arten der Freizeitgestaltung und Fortbewegung. „Dabei ist der Freizeitwert umso größer, je vielfältiger die Wegemöglichkeiten sind, denn es geht in diesem Fall nicht nur darum, irgendwie von A nach B zu kommen.“ Deshalb sei es ihrer Meinung auch nicht damit getan, dass die Stadt, wie beim aktuellen Abriss, darauf verweist, dass die Semme ein Stück weiter nördlich am Erlenwiesenhof überquert werden könne.
Gatzemeiers Frage lautet: Warum konnte die Brücke nicht für Fußgänger und Radfahrer erhalten bleiben? Ihr fehle die Transparenz, ob irgendwelche Alternativen für den Erhalt als Fußgänger-Fahrradbrücke untersucht wurden. Nicht mal die aus Sandsteinquadern gebauten Brückenköpfe wurden stehen gelassen, sodass auch mögliche Initiativen aus der Bevölkerung, hier einen neuen Steg anlegen zu lassen, erschwert wurden.
Ortsvorsteher Horst Grimm – der Ortsbeirat hatte sich vergeblich um einen Erhalt der Brücke eingesetzt – war bei den Abrissarbeiten vor Ort dabei, um sich selbst ein Bild zu machen. Die Brückenteile hätten alle noch sehr massiv ausgesehen, so Grimm, sagt aber auch: Das sei natürlich die Laiensicht.
Aus dem Rathaus dazu die fachliche Expertise: Im Jahr 2018 bestätigte sich nochmals im Rahmen der Brückenprüfung, dass aufgrund der Vielzahl der Schäden eine wirtschaftliche Sanierung des Bauwerks nicht möglich ist. Die Standsicherheit war nur noch bedingt gewährleistet. Gefahr im Verzug, die zu einer sofortigen Komplett-Sperrung geführt hätte, gab es nicht. Aber: Marode Brücken können auch plötzlich versagen. Ein Risiko, das die Verantwortlichen letztendlich nicht auf sich nehmen wollten.
Und es gibt noch eine Brücke in der Nähe von Hergershausen, die auch auf der beschlossenen Abbruch-ohne-Neubau-Liste steht: die Querung über den Richerbach östlich des Stadtteils unweit der Bahnstrecke. Wann der Rückbau erfolgen wird, steht allerdings noch nicht fest.
An der abgerissenen Semme-Brücke zeugen nach Auskunft von Gatzemeier erste Trampelpfade davon, dass sich Menschen nicht von ihren gewohnten Wegen abbringen lassen. „Der Sembach führt an der Stelle viele Monate nur wenig Wasser, sodass es mich nicht wundern würde, wenn demnächst ein paar von den alten Quadern im Wasser lägen und als Überweg genutzt werden“, so Gatzemeier. Ein Vorschlag, denn der Magistrat bereits 2017 ins Spiel gebracht hatte. Der damalige Plan: Für landwirtschaftliche Fahrzeuge eine durchfahrbare Furt zu schaffen und für Fußgänger Trittsteine zum Überqueren anlegen. Diesen Vorschlag habe der Ortsbeirat damals abgelehnt, heißt es aus dem Rathaus.
So oder so. Für die Hergershäuserin Maren Gatzemeier verschwindet mit jedem weiteren Abriss einer Brücke ein Kulturdenkmal in der Region. (Norman Körtge)