Übergang oder Abgesang bei Continental in Babenhausen?

Eine Gruppe des Zentrums für gesellschaftliche Verantwortung der Evangelischen Kirche Hessen und Nassau ist bei Continental in Babenhausen zu Gast .
Babenhausen - Die Sicht auf die Welt fällt unterschiedlich aus – je nachdem, aus welcher Perspektive sie gesehen wird. Zu Beginn des Besuchs einer Gruppe des Zentrums für gesellschaftliche Verantwortung der Evangelischen Kirche Hessen und Nassau (EKHN) und des Dekanats Vorderer Odenwald bei Continental berichtet der stellvertretende Betriebsratsvorsitzende Yilmaz Efe, wie schwer es gewesen ist, die Betriebsleitung angesichts der beabsichtigten Teilschließung des Produktionsstandorts an den Verhandlungstisch zu zwingen
Später versichert Wolfgang Scheer, Leiter des Betreuungscenters Personal, wie engagiert sich das Unternehmen darum bemüht, durch Umschulungen, Auffanggesellschaften und eine Konversion der Produktionsanlagen weiche Übergänge für die Belegschaft zu schaffen.
„Conti ist der einzige Automotive-Hersteller, der überhaupt noch in Deutschland produziert. Alle anderen sind längst weg, weil die Produktion hier zu teuer ist“, erklärt der Personalchef.
Das hat der Betriebsrat seinerzeit anders gesehen, als das Unternehmen 2019 mit der Umsetzung seiner Pläne zum Personalabbau begann. Die IG Metall engagierte Wirtschaftsberater, die nachzuweisen suchten, dass in Babenhausen durchaus profitabel Hightech-Displays für Autos des gehobenen Standards zu produzieren sind. Dieser These ist Continental aber nicht gefolgt. Die Zahl der Mitarbeitenden, die sich in Spitzenzeiten zwischen 3 600 bis 3 800 bewegte, ist inzwischen aktuell auf 2 600 bis 2 700 geschrumpft – Tendenz weiter sinkend. Und das Ende des Produktionsstandorts bleibt besiegelt.
Frage an den stellvertretenden Betriebsratsvorsitzenden: Was haben also all die durchaus beeindruckenden Proteste, die Solidarität zahlreicher Personen und Gruppen in der Stadt und der Region, Demonstrationen und Warnstreiks gebracht? „Sie haben die Geschäftsleitung an den Verhandlungstisch gezwungen. Dazu waren die anfangs überhaupt nicht bereit. Jetzt gibt es aber immerhin einen Sozialtarifvertrag, der das Ende des Produktionsstandorts auf 2028 hinausschiebt und für die Mitarbeitenden soziale Übergangsregeln festhält.“
Das ist in diesem Fall von besonderer Relevanz, da weniger als ein Drittel der Mitarbeitenden Facharbeiter sind, es sich in der Produktion also ganz überwiegend um „einfache“ Arbeitsplätze handelt. Kunststoff-Spritzguss spielt in dieser Produktion eine besondere Rolle, und Scheer macht in seinem Vortrag deutlich, wie eine Konversion aussehen könnte. Er zieht einen virtuellen Trennstrich zwischen dem großen Verwaltungs- und Entwicklungsgebäude, das Conti bleiben soll, und den Produktionshallen, die der EKHN-Gruppe beim Rundgang mit gewissem Stolz auf die technischen Standards gezeigt werden. Einer Spritzgussmaschine ist es im Grunde egal, was sie produziert. Das können Kugelschreiber, Mülltonnen oder auch Gehäuse technischer Geräte sein, und so könnten zahlreiche externe Auftraggeber die technische Infrastruktur nutzen. Mit Unternehmen für die Beratung der Mitarbeitenden, mit Transfergesellschaften und der Konversion der Produktion sei Conti bereits auf einem guten Weg, versichert Scheer.
Es bleibt aber dabei: Künftig wird auch Continental keine Displays mehr in Deutschland herstellen. Für die Entwickler und die Konzernzentrale für Europa gilt allerdings eine Parole der Proteste: „Was machen wir? Wir bleiben hier!“ (sr)