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Erhaltenswertes Kulturgut

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Beeindruckend ist das restaurierte Mühlrad der Konfurter Mühle.
Beeindruckend ist das restaurierte Mühlrad der Konfurter Mühle. © Gries

Vom Mittelalter an waren Mühlen in Mitteleuropa Bestandteil von Dörfern und Städten. Mit dem Vordringen moderner Agrarwirtschaft stellten jedoch immer mehr den Betrieb ein, das Mühlensterben begann – auch in Babenhausen und seinen Dörfern, wo von zwölf Mühlen an Gersprenz, Ohlebach, Lache und Schlierbach keine mehr in Betrieb ist. Einige sind als Gebäudeensemble erhalten, erzeugen sogar Strom. Andere sind Ruinen oder dem Erdboden gleich gemacht.

Babenhausen – „Ich bin hier den ganzen Tag am Arbeiten, um meinen Gasthof ebenso gut am Laufen zu halten wie das Mühlenareal“, sagt Thomas Winter, Besitzer der historischen Langfeldsmühle in Hergershausen. Früher mahlte diese sogar Getreide aus dem Rodgau bis hin nach Dietzenbach, jetzt ist sie mit Innenhof und Biergarten beliebtes Ausflugsziel. Dazu produziert sie seit Jahrzehnten aus Wasserkraft der Gersprenz gewonnenen Ökostrom in eigener Elektroturbine.

Winter (54), in den 1980er/90er Jahren ein Spitzenringer, legt seine ganze Energie in seinen Betrieb, den er seit 14 Jahren mit Erfolg betreibt. Als Mitglied des „Hessischen Landesvereins zur Erhaltung und Nutzung von Mühlen“ sagt er: „Unsere Wassermühlen sind erhaltenswertes Kulturgut, das Handwerkstradition sichtbar macht. Bei der Nutzung der Wasserkraft für umweltfreundliche Energie werden wir aber nicht gefördert, der Fischereiverband möchte die Wassermühlen am besten verschwinden sehen. Immerhin gibt es in Hessen noch rund 200 Wasserkraftanlagen.“ Um dem Fischtod durch Mühlräder entgegenzuwirken, hat man im nahen Naturschutzgebiet Hergershäuser Wiesen eine Fischtreppe angelegt, wie auch am erneuerten Wehr der noch älteren Konfurter Mühle. Dazu sagt der Mühlenbesitzer und Tierarzt Matthias Gehb: „Fischtreppen haben wir angelegt, betreiben jedoch unser Mühlrad nicht mehr, das vor einigen Jahren von einer Odenwälder Firma erneuert wurde. Hier wird kein Strom mehr erzeugt. Auch die Wasserrechte haben wir abgegeben, der Umbau des alten Wehres hätte uns überfordert.“

In Langstadts Hintergasse sucht man vergeblich einen Mühlgraben, er ist zugeschüttet. Der Schlierbach fließt woanders, das Mühlenareal dient Wohnzwecken. Eigentümer Siggi Albrecht hält die mehrfach umgebauten Häuser gut in Schuss. Er ist Nachfahr des Müllers Otto Brüstle, dessen altes Wappen am Hoftor prangt. Sein Vater, der Müllermeister Paul Albrecht erlernte sein Handwerk auf einer pommerschen Windmühle. Die bis 1981 betriebene Mühle wurde längst mit Dieselaggregat betrieben. Ansonsten lebte Familie Albrecht von Futtermittelhandel, Schweine- und Rinderzucht. „Mein Vater kam damit gerade so über die Runden, bis uns große Mühlen endgültig den Rang abliefen“, erinnert sich der Sohn, der sein Auskommen bei der Logistik der Fraport AG findet.

Tiefgreifende Strukturwandel der Landwirtschaft hatte auch an anderen Mühlen Konsequenzen: Die einst prägende Stadtmühle Babenhausens, eine der ältesten an der Verspreng, ist oft umgebaut worden – im 20. Jahrhundert von der Unternehmerfamilie Schöberl, deren Nixenwappen überall zu finden ist. Aber die letzte Nutzung für Gastronomie und als städtisches Bürgerzentrum scheint nicht zu tragen. Die Stadt überlegt, das Mühlenareal zu verkaufen. Immerhin läuft noch das kleine E-Werk an der Mühle, Ende des 19. Jahrhunderts einer der ersten Stromerzeuger hierzulande – vor Frankfurt, Offenbach und Darmstadt. Angeblich ist es einsturzgefährdet, weil die Turbine zu groß geraten ist.

Ungeklärt ist auch die Zukunft der alten Mühle von Sickenhofen, wo ein neuer Besitzer Maßstäbe des Denkmalschutzes zu beachten hat und keine neuen Wohnhäuser bauen darf. An die alte Mühle in Harpertshausen erinnern nur noch das Schild „Mühlenstraße“ und Grundmauerreste der Scheunenmauer. Begehrt dagegen ist das Wohnen in den gut erhaltenen alten Mühlen im Stadtteil Harreshausen. Auf beiden Seiten der Gersprenz liegen die pittoresken Fachwerkhöfe der Grünewald- und Langheintz-Mühle. Die dritte dieser „Mühlentrilogie“, die Diehl-Mühle, ist kaum mehr zu identifizieren. Im Harreshäuser Wald Richtung Stockstadt findet man die Reste einer einst stattlichen Papiermühle an der hessisch-bayerischen Landesgrenze.

Nichts mehr übrig ist von der Plötzmühle bei Sickenhofen und von der Altdorfer Mühle. Aber es gibt noch alte Schriftdokumente zu allen Babenhausener Mühlen in den Archiven, die Heimatforscher Adolf Sahm vor 40 Jahren sichtete. Seine Recherchen für den Geschichts- und Heimatverein Babenhausen sind bis heute wichtige Beiträge zur Heimatkunde, viel zu schade, um sie unbeachtet liegen zu lassen. Deshalb werden sie in einer Serie wiederbelebt, die 2022 als „Mühlengeschichten“ in dieser Zeitung erscheinen sollen.

Sahm schrieb 1986: „Vor wenigen Jahrzehnten war der Landbevölkerung der Gang zur Mühle, wo man sein Korn mahlen ließ, eine Selbstverständlichkeit. Mit der Umstrukturierung der Landwirtschaft war das Ende der alten Wassermühlen vorgezeichnet. Kommende Generationen werden sich kein Bild mehr machen können von einer Mühle in Betrieb.“ Gegen derlei retrospektive Sicht hat der Hessische Mühlenverein etwas, er forderte 2020: „Wasserkraft muss bleiben als regionale, klimaschonende Energieerzeugung, Stilllegung stromerzeugender Wassermühlen muss gestoppt werden. Unsere Mühlen sind wichtig für Energiewende, Klimaschutz und Netzstabilität. Zudem hilft Wasserkraft, die Artenvielfalt von Tier- und Pflanzenwelt hochzuhalten und hält das Wasser auch in Trockenzeiten länger in der Landschaft.“ (Von Reinhold Gries)

Schönes Nixenwappen.
Schönes Nixenwappen. © Gries
Die historische Langfeldsmühle bei Hergershausen im Spätherbst.
Die historische Langfeldsmühle bei Hergershausen im Spätherbst. © Gries

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