Podcasterinnen über Doppelmord von Babenhausen: „Es gibt einfach zu viele Unstimmigkeiten“

Der Doppelmord von Babenhausen beschäftigt bis heute die Öffentlichkeit. Zwei Journalistinnen rollen den Fall in einem Podcast auf. Ein Interview.
Babenhausen – Die Journalistinnen Leonie Bartsch und Linn Schütze haben in ihrem mehrstündigen, fünfteiligen Podcast „Die Nachbarn“ den Doppelmordfall mit all seinen Ungereimtheiten aufgearbeitet.
Wie sind Sie auf den Fall Darsow aufmerksam geworden?
Wir sprechen schon lange über Kriminalfälle in unserem Podcast „Mord auf ex“. Die meisten dieser Fälle sind abgeschlossen und international, aus den USA oder sonst wo. Wir sind dann mehr durch Zufall auf einen Artikel in der Offenbach-Post gestoßen und dachten uns: Sekunde, da klingt etwas merkwürdig. Recht schnell stand dann fest: Wir schauen uns den Fall mal genauer an. Und auch nicht nur in einer Podcastfolge, sondern intensiv. Dass es aber so intensiv wurde, hätten wir niemals gedacht. Seit ungefähr zwei Jahren arbeiten wir jeden Tag an der Recherche.
Unstimmigkeiten im Doppelmordfall von Babenhausen
Warum hat es Sie gereizt, den Fall in einem Podcast aufzubereiten?
Abgesehen davon, dass Babenhausen speziell ja eine sehr spannende Vergangenheit hat, gibt es in dem Fall einfach zu viele Unstimmigkeiten. Angefangen bei den Indizien bis hin zu neuen Spuren, die wir in der Zeit sammeln konnten. Wir haben mit Menschen gesprochen, die noch nie von der Polizei vernommen wurden und dem Fall eine völlig neue Richtung geben. Zum Beispiel hat das Gericht die Hinweise in Richtung Hells Angels und Organisierte Kriminalität als belanglos abgetan. Das ist fatal. Wir haben herausgefunden, dass der Ermordete mit jemandem aus der Organisierten Kriminalität Kontakt hatte, mehreren Menschen von einer Bedrohung berichtete und sich bei ihnen eine Waffe besorgen wollte.
Wie haben Sie Babenhausen während der Recherche erlebt?
Sehr positiv! Wir fühlen uns dort mittlerweile schon richtig zuhause. Die Babenhäuser haben uns extrem freundlich und herzlich empfangen. Wir kriegen sehr viel liebes Feedback oder sogar Einladungen zum Kaffeetrinken. Eine Familie hat uns Büroräume zum Arbeiten angeboten, eine andere Schokolade und Wein für unsere Nerven. Die Kernstadt mit ihrem alten Fachwerk ist sehr schnuckelig und insgesamt fühlen wir uns trotz des düsteren Anreisegrunds sehr wohl dort.
Mehr Infos
Die Internetseite: mordaufex.de/die-nachbarn
Der Podcast kann kostenlos auf Spotify angehört werden. Wer Kontakt zu Linn Schütze und Leonie Bartsch aufnehmen möchte, schreibt an redaktion@ aufexproductions.de.
Doppelmordfall von Babenhausen: Ein anonymes Schreiben
Was war der vielversprechendste Hinweis, den Sie bei der Recherche bekommen haben?
Hinweise aus dem Rockermilieu, speziell von ehemaligen Besuchern der Kneipe „Green Goose / Cheers“, die sich mit dem Mordopfer Klaus Toll unterhalten haben. Falls jemand Kontakt zu ihm hatte oder ihn dort oder in anderen Etablissements getroffen hat, darf sich gerne bei uns melden.
Sie sind auf der Suche nach einem anonymen Briefeschreiber. Was hat es damit auf sich?
Vor ungefähr einem Jahr hat sich ein anonymer Schreiber bei Strafverteidiger Dr. Strate gemeldet, der in den 1980er Jahren Kontakt zu Klaus Toll hatte. Die Person muss aus dem Umfeld des Unternehmens „California Rohé“ in Schöllkrippen stammen. An den Briefschreiber: Wenn Sie das hier lesen, bitte melden Sie sich bei uns.
Kein Urteil zur Schuld von Andreas Darsow im Doppelmordfall von Babenhausen
Ihre ganz persönliche Meinung: Ist Andreas Darsow unschuldig?
Wir hüten uns sehr vor einem Urteil bezüglich Schuld oder Unschuld. Die Ermittlerinnen und Ermittler von damals haben hart und ehrgeizig gearbeitet. Wir möchten niemandem etwas unterstellen. Im Gegenteil. Wir würden uns freuen, hoffentlich irgendwann mal sogar zusammenarbeiten zu können. Im Laufe unserer Recherche haben sich einige Zweifel aufgetan. Da es den Grundsatz unseres Strafgesetzes „Im Zweifel für den Angeklagten“ gibt, sehen wir es aktuell als unsere Aufgabe an, dort hinzuschauen, wo man vielleicht lieber wegguckt. Weil man möglicherweise Fehler gemacht haben könnte. (Interview: Norman Körtge)
Gegen den verurteilten Andreas Darsow aus Babenhausen steht jetzt ein Zivilprozess an. Seine Ehefrau hofft auf eine neue Chance, die Justiz von seiner mutmaßlichen Unschuld zu überzeugen.