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Babenhausen neu entdecken

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Die Alte Apotheke in der Schlossgasse sticht mit ihrem Backstein-Fachwerk heraus.
Die Alte Apotheke in der Schlossgasse in Babenhausen sticht mit ihrem Backstein-Fachwerk heraus. © Grimm

Erstmals hat unter städtischer Regie eine Führung durch die historische Altstadt von Babenhausen stattgefunden. Die Resonanz war groß.

Babenhausen – Führungen durch die malerische Babenhäuser Altstadt bietet auf Anfrage der Heimat- und Geschichtsverein an. Jetzt hatte die Stadt zum ersten Mal zu einer Tour eingeladen, und die Pilotveranstaltung unter der Regie der Abteilung „Jugend, Sport und Kultur“ stieß auf enormes Interesse. „Wir sind überbucht. Eigentlich waren zwei Gruppen mit je 20 Teilnehmern geplant“, sagte Abteilungsleiter Michael Spiehl, während er die Namen auf der Anwesenheitslist abhakte und weitere Tickets verkaufte, die eigentlich bei der Anmeldung im Vorfeld gebucht werden sollten.„Ich wollte erst mal sehen, wie das Wetter wird“, sagte ein Teilnehmer, der sich spontan beim Start auf dem Marktplatz eingefunden hatte. Natürlich durfte auch er mitlaufen.

50 Personen, quer durch fast alle Altersklassen, davon etwa 30 aus Babenhausen und den Ortsteilen, begrüßte Spiehl, der die beiden ehrenamtlichen Stadtführer Manfred Lautenschläger und Klaus Mohrhardt, die beiden Vorsitzenden des Vereins „Schlossfreunde“, kurz vorstellte.

Die erwartungsvollen Führungsteilnehmer, die bis aus Seeheim-Jugenheim, Rodgau, Messel, Obertshausen und sogar Frankfurt angereist waren, wurden in zwei Gruppen geteilt, und los ging es auf die gut zweieinhalbstündige Tour entlang der geschichtsträchtigen Mauern. Manche bewegten sich offensichtlich auf Neuland, andere nutzten die Gelegenheit, bereits vorhandenes Wissen zu erweitern. So erzählte Gerlinde Mohr aus Sickenhofen, dass sie bereits mit ihren Enkeln, als das Thema Geschichte Babenhausens auf dem Grundschul-Lehrplan stand, mit einem Fotoapparat und Notizblock ausgerüstet eine Tour durch den historischen Stadtkern gemacht hatte.

Die Macher: Michael Spiehl (von links), Manfred Lautenschläger und Klaus Mohrhardt.
Die Macher: Michael Spiehl (von links), Manfred Lautenschläger und Klaus Mohrhardt. © Grimm

Beim jüngsten Rundgang konnten wohl alle noch dazulernen – und zwar auf unterhaltsame Weise. Die beiden fachkundigen Führer präsentierten das reiche historische Erbe der ehemaligen Residenzstadt der Grafen von Hanau-Lichtenberg und ihre steinernen Zeugen mit reichlich Anekdoten gespickt.

Im Jahr 1211 erstmals urkundlich erwähnt, erhielt Babenhausen – noch vor Darmstadt und Hanau – von König Adolf von Nassau im Jahr 1295 die Stadtrechte und damit verbunden einige Privilegien, wie niedere Gerichtsbarkeit, eigenes Marktrecht und das Recht, den Stadtkern mit Mauern und Türmen zu schützen. „Ein effektives Verteidigungsmittel für die Stadt war zudem Wasser, also die Gersprenz, die Ohlebach und die Lache, die sie umgeben“, sagte Mohrhardt. Auch das Schloss, das wegen Umbauarbeiten nicht besichtigt werden kann, war als Wasserburg angelegt worden und von breiten Gräben geschützt.

Der Hexenturm in Babenhausen

Mittelalterliches Flair verbreitet die historische, überwiegend noch immer von Teilen der alten Stadtmauer umgebene Altstadt. Stattliche Fachwerkhäuser, wie die Patrizierhäuser am Marktplatz oder auch die Herrenhäuser der Amtmänner der Grafen, die Stadtmühle, der Hexenturm, der als Gefängnis und Folterort genutzt wurde, nicht aber für Hinrichtungen, der Breschturm und das heute als Stadtarchiv genutzte Burgmannenhaus waren Stationen. Während des Spaziergangs forderte Mohrhardt immer wieder auf, sich einmal umzudrehen, um die Gassen und Häuser mit ihren Details aus verschiedenen Perspektiven wahrzunehmen. „Man übersieht sonst manches“, sagte er.

Keinesfalls zu übersehen sind die Besonderheiten an der 1774 erbauten Alten Apotheke in der Schlossgasse. Urkundlich nachgewiesen ist, dass der Graf 1718 erstmals einem Apotheker ein Exklusivrecht einräumte, eine Apotheke in der Stadt zu errichten. Dass die Gefache des auffälligen Gebäudes mit Backstein ausgemauert sind anstelle der sonst üblichen Lehmfüllung, erklärte Mohrhardt mit einer schönen Anekdote. Der Apotheker habe seiner von Heimweh geplagten, aus Norddeutschland stammenden Ehefrau mit den Backsteinen ein Stück Heimat wiedergeben wollen. Die Heilpflanzen an der Außenfassade wurden 1935 von dem Babenhäuser Künstler Fritz Kehr geschnitzt.

Die Stadtkirche in Babenhausen

Ein Höhepunkt der Tour war die vor der Reformation katholische, heute evangelische Stadtkirche am Marktplatz, die von 2002 bis 2006 saniert und 2009 mit dem Hessischen Denkmalschutzpreis ausgezeichnet wurde. Aufsehen erregt dort vor allem der mächtige, aus Lindenholz geschnitzte Altar. Einer nicht bestätigten Überlieferung zufolge habe Gräfin Sibylla von Hanau-Lichtenberg nach der Geburt mehrerer Töchter gelobt, bei der Geburt eines Sohnes der Kirche den Altar zu stiften. So wird der Zeitraum der Entstehung des Altars auf das Jahr der Geburt des Sohnes 1514 und des frühen Todes der Mutter 1518 eingegrenzt. Seit der Reformation bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts habe das „Juwel“, so Mohrhardt, im Turmstumpf gelagert, dann an verschiedenen Stellen in der Kirche gestanden und erst im Jahr 1939 seinen jetzigen zentralen Platz eingenommen. (Petra Grimm)

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