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Gewerbevereinsvorsitzender Klaus Schmitt im Interview

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Von: Norman Körtge

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Mut zur Farbe: Zweiradshop-Chef Klaus Schmitt mit einem auffallenden E-Mountainbike.
Mut zur Farbe: Zweiradshop-Chef Klaus Schmitt mit einem auffallenden E-Mountainbike. © Körtge

Im Sommer ist Klaus Schmitt, Inhaber des Zweiradshops Niederhofer, zum neuen Vorsitzenden des Gewerbevereins Babenhausen gewählt worden. Im Interview geht er als Fahrrad-Enthusiast auch auf die mangelhafte Verkehrsinfrastruktur in Babenhausen und seine Branche ein.

Herr Schmitt, warum haben Sie sich zum Gewerbevereinsvorsitzenden wählen lassen?

(lacht) Auf der einen Seite hat es mich einfach interessiert und ich habe mich nicht mit Händen und Füßen dagegen gewehrt. Und es gab keine Konkurrenz um den Posten. Silke Kasamas und Sabine Frank aus dem bisherigen Vorstandsteam hatten schon länger angekündigt, nicht mehr weitermachen zu wollen. Sie haben das über neun Jahre gut und mit viel Engagement gemacht. Sie waren der Meinung: Es ist wieder mal Zeit für jemand anderen.

Was haben Sie sich vorgenommen?

Ich habe mir im Vorfeld keine konkreten Ziele gesetzt, die ich unbedingt erreichen will. Was sich jetzt ein wenig ergeben hat, ist, dass wir bei uns vereinstechnisch das Thema Digitalisierung vorantreiben wollen und werden.

Inwieweit?

Zum Beispiel haben wir das Internettool „Easyverein“ erworben und implementiert, das Vereinsstrukturen wie Mitgliederbeiträge einbuchen vereinfacht oder Mitgliedern selbst ermöglicht, ihre Kontodaten zu ändern. Damit ist ein gewisses Maß an Automatismus möglich. Uns als Vorstand ist aber auch bewusst, dass dieses Verfahren nicht alle im ersten Anlauf erreichen wird und sich nicht alle sofort im Portal anmelden werden. Es wird ein mühsamer Weg, aber wenn man nicht anfängt, dann wird er nicht gegangen.

Wie viele Mitglieder hat der Gewerbeverein?

Gut 100.

Wie sehen Sie denn den Einzelhandel in Babenhausen aufgestellt?

Für interessierte Kunden finden sich in Babenhausen sehr viele Dinge. Wenn aber jemand von Grund auf sagt, er habe an Babenhausen wenig Interesse, dann findet er mit Sicherheit immer Gründe, nicht in Babenhausen einkaufen zu gehen. Aber wir haben in Babenhausen wirklich vieles für den täglichen Bedarf und darüber hinaus. Wir haben Bekleidungsgeschäfte, einen großen Baumarkt, viele Dienstleistungsunternehmen, Radio- und Fernsehtechnik, Optiker, Naturkostläden und ganz viele Handwerksbetriebe und dabei ein überproportionales Maß an Tischler- und Schreinereibetrieben. Es ist vieles vorhanden, und leider denken einige immer noch, in Babenhausen gibt es keine Auswahl und sie fahren sonst wo hin. Dabei sind die Fachgeschäfte oftmals gleich gut von Kompetenz und Beratung, wie an anderer Stelle.

Und es gibt ein großes Fahrradgeschäft, nämlich Ihres: den Zweiradshop Niederhofer. Den Betrieb kannten sie schon lange, bevor Sie Chef wurden.

Ja, ich habe als Aushilfe in Werkstatt vor 32 Jahren angefangen. Da war ich noch Schüler und habe mein Abitur gemacht. Ich habe dann ohne klare Berufsidee erst einmal zwölf Monate meinen Grundwehrdienst geleistet. Dort kam mir die Idee: Warum machst du nicht einfach dein Hobby zum Beruf?

Der neue Vorstand und der Unternehmerstammtisch

Zum neu gewählten Vorstandsteam des Gewerbevereins gehören neben Klaus Schmitt außerdem Timo Kraus (Bauzentrum Andre + Oestreicher) und Alexander Knick (Webdesign Schwarzer-Knick). Der von Gewerbeverein und Stadt organisierte Unternehmer-Stammtisch findet jeweils am ersten Montag im Monat um 19.30 Uhr im Restaurant „Elephant“ im Hotel „Deutscher Hof“, Bismarckplatz 4, statt. Eine Mitgliedschaft im Gewerbeverein ist für die Teilnahme nicht notwendig. (nkö)

Und das haben Sie in Babenhausen gemacht?

Nein, zu der Zeit gab es dort keinen Ausbildungsmeister. Aber in Erbach habe ich einen Betrieb gefunden, der mich genommen hat.

Wann sind Sie in Babenhausen wieder eingestiegen?

Ich war eigentlich nie ganz raus. Ich habe während meiner Ausbildung samstagnachmittags oft meine Zeit in der Werkstatt verbracht. Ich bin zweimal richtig eingestiegen. Das erste Mal im Herbst 1995 und habe dann gut zwei Jahre als Geselle gedient. Dann war ich wieder weg und habe ein Dreivierteljahr Motorradtechnik in einem Betrieb gemacht, weil ich mich auf den Meister vorbereiten wollte. Zu dieser Zeit war Zweiradmechanikermeister nämlich noch Fahrrad und Motorrad. Im Februar 1999 bin ich mit dem frisch erworbenen Meistertitel nach Hösbach und habe in einem Betrieb die Werkstattleitung übernommen und in den neuneinhalb Jahren dort viel gelernt: sowohl fachlich als auch menschlich. Und dann bin in ich wieder zurück an die Wurzel.

Wann war das?

1. September 2008. Da habe ich den Betrieb übernommen. Im Winter zuvor hatte ich erfahren, dass Frau Justin einen Nachfolger sucht. Da wir uns kannten und ich die Begebenheiten kannte, wusste ich, dass das eine interessante Geschichte für mich sein könnte.

Zweiradshop Niederhofer hieß der Betrieb aber schon immer?

Ja, er heißt schon seit 40 Jahren so. Hervorgegangen ist er aus der Schlosserei Beck, wo Herr Niederhofer aus Österreich in den 1960er Jahren Chef wurde. Mit ihm hieß die Schlosserei dann Beck&Niederhofer. Dieser Name ist auch tief in Babenhäuser Gehirnen verwurzelt. Und als Frau Justin in den 1980er Jahren Chefin wurde, hat sie das alles in Zweiradshop Niederhofer umbenannt, weil die Schlosserei immer weniger Thema war. Und der Niederhofer stand bis zu seinem Tod 1991 eigentlich täglich in der Werkstatt. Die Schlosserei war schon verpachtet.

Was hat sich seit 2008 beim Zweiradshop Niederhofer unter ihrer Regie alles verändert?

Die größte Veränderung gab es im Februar 2016, als wir in den Neubau an der Aschaffenburger Straße gezogen sind. Seinen Ursprung hat der Betrieb ja auf der anderen Seite der Bahnlinie in der Wilhelm-Leuschner-Straße gehabt. Dort hat sich ab 2008 relativ schnell heraus kristallisiert, dass es zu klein für uns wird. 2012 habe ich angefangen, nach Grundstücken zu suchen, die Stadt kontaktiert und dann 2014 die Info bekommen, dass ich ein Grundstück an der Aschaffenburger Straße haben kann. Ich konnte entscheiden, wie viel ich haben wollte, und habe mich für ein damals für mich ausreichend großen Teil entschieden. Heutzutage wüsste ich es besser. Im Sommer 2015 ging es mit dem Bau in Holzständerbauweise los.

Und nach der Eröffnung 2016 haben Sie schon wieder erweitert.

Drei Jahre später haben wir noch ein Stück das Gebäude um 120 Quadratmeter Lager erweitert und damit mehr Verkaufsfläche geschaffen, zum Beispiel unser Vermessungsstudio für Sättel. Damit sind wir jetzt am Wachstumsende, was das Gebäude betrifft, angekommen.

Und ist es ausreichend?

Ach, der Selbstständige, bei dem es vernünftig läuft, und der sagt, dass sein Grundstück und sein Gebäude ausreichend sind, der lügt sowieso immer (lacht). Es reicht nie wirklich. Wir sind jetzt schon im oberen Bereich, was auf den Quadratmetern möglich ist. Aber es ist okay.

Der Fahrrad-Boom lässt grüßen.

Es lief vor Corona schon anständig. Und 2020 kam mit Corona noch einmal eine deutlich gestiegene Nachfrage, die wir oft nur mühsam befriedigen konnten. Im Sommer 2021 sind uns dann sogar die beliebten Modelle ausgegangen.

Wegen Lieferengpässen?

Ja, auch. Aber generell sind wir eine Branche, in der wir ad hoc nicht einfach mal 100 Räder unseres Lieblingslieferanten nachbestellen können, sondern wo wir lange vorausplanen. Das, was wir jetzt geliefert bekommen für den Herbst 2022, das habe ich im Frühjahr 2021 bestellt. Für unsere Hauptmarke Cube habe ich schon im Februar 2021 die Order gemacht.

Angesichts des E-Bike-Booms: Werden eigentlich überhaupt noch klassische Fahrräder verkauft?

Natürlich haben wir auch noch normale Fahrräder, besonders im Kinder- und Jugendbereich. Ich gebe diese Kunden auch nicht auf, weil sie ja doch noch auf den Geschmack kommen und ein E-Bike kaufen wollen. Wenn sie vorher vernünftig bei uns bedient wurden, ist die Chance groß, dass sie sich auch bei uns ein E-Bike aussuchen. Aber ganz klar: Das Gros der bei uns verkauften Räder ist mittlerweile elektrifiziert.

Fahrräder sind zu einem Statussymbol geworden, oder?

Mittlerweile ja. Was früher das Auto war, das man sonntags zeigen musste, ist es nun in vielen Fällen das Fahrrad.

Und wenn in Babenhausen mehr aufs Rad umsteigen würden, würde es auch den viel zu starken Autoverkehr reduzieren.

Unter den momentanen verkehrlichen Gegebenheiten ist das allerdings schwierig. Das muss man leider so sagen.

Warum?

Wenn ich zum Beispiel aus der Kernstadt oder dem Ost mit dem Rad zu den Supermärkten jenseits der B26 will, dann muss ich entweder durch die Hauptunterführung und stehe neben einem 40-Tonner oder noch schlimmer, zwischen zwei Lastern. Oder ich fahre durch die kleine Unterführung und muss über eine Fußgängerampel und der weitere Weg führt dann nicht weiter direkt zu den Märkten. Oder ich fahre illegalerweise auf dem Bürgersteig. Ich habe auch keine perfekte Lösung. Aber die geplanten Ummarkierungen auf der B26 und der Wegfall des Mehrzweckstreifens machen es nicht leichter. Es ist ja schon länger im Gespräch, dass auf der B26 komplett nur 30 Stundenkilometer erlaubt sein sollen. Wenn das mal kommt, dann könnten sich auch Radfahrer wieder etwas sicherer fühlen.

Wie viele Mitarbeiter arbeiten beim Zweiradshop Niederhofer?

Wir sind bei knapp 20, davon drei Auszubildende.

Das ist ein großer Anteil an Azubis.

Ja, das ist auch so gewollt. Alle wollen Fachkräfte, aber keiner will ausbilden. Das passt nicht zusammen. Ich weiß, dass ich Fachkräfte brauche, und bilde sie deshalb auch selber aus. Ein Vorteil in unserer Branche: Die jungen Leute kommen meistens mit Leidenschaft. Das Fahrrad ist einfach populär. Und wir machen auch viele Schülerpraktika. Ich hatte noch keine Probleme, meine Ausbildungsplätze zu besetzen.

Wo sehen Sie Grenzen der Zweirad-E-Mobilität?

Ich bin der festen Überzeugung, dass wir tatsächlich erst am Anfang stehen. Bundesweit werden mengenmäßig noch mehr normale Fahrräder verkauft als E-Bikes. Der Trend wird sich beim Verkauf in ein oder zwei Jahren umgedreht haben. Von den etwa 70 Millionen Fahrrädern in Deutschland sind bislang nur zehn Millionen elektrifiziert. Da ist also noch sehr viel Potenzial. Und zweitens: Es gibt auch immer mehr Fahrradleasing, bei dem der Arbeitgeber seinem Mitarbeiter ein Fahrrad als Zusatzmöglichkeit anbieten kann. Erst 20 Prozent der Arbeitnehmer haben diese Möglichkeit. Da wird auch noch einiges passieren. Und dann gibt es neben dem klassischen E-Bike noch die schnellere „45-Variante“ (Anmerkung der redaktion: unterstützt bis 45 Stundenkilometer), also mit Nummernschild und Helmpflicht und so weiter. Diese S-Pedelecs sind eigentlich das perfekte Pendler-Gerät. Gerade wenn ich in eine große Stadt muss. Da bin ich mit dem Auto nur unwesentlich schneller.

Und man ist an der frischen Luft.

Es ist ja eine Art von Sport, auch wenn ich Motorunterstützung habe. Mir hat eine Kundin vor Kurzem erzählt: ‘Seit mein Mann mit dem Rad pendelt, ist er ein neuer Mensch.’ Früher mit dem Auto habe er immer den Stress mit Nachhause gebracht. Jetzt steige er aufs Rad, fahre noch ein bisschen durch den Wald. Das ist für Körper und Geist so dermaßen beruhigend und entspannend.

Haben Sie als Gewerbevereinsvorsitzender Wünsche an die Lokalpolitik oder die Stadtverwaltung?

Ich wünsche mir nach wie vor eine gute Kommunikation zwischen Stadt und Gewerbeverein und damit den Gewerbetreibenden. Mit mir als neuem Vorsitzenden und dem Bürgermeister, der auch noch nicht so lange im Amt ist, gibt es auf jeden Fall neue Parameter. Wir zwei, finde ich, haben einen guten Draht zueinander. Ein guter Ansatz ist unser gemeinsamer Stammtisch. Da ist oft auch der Bürgermeister anwesend und plaudert dann auch mal aus dem Nähkästchen.

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