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Hatte Mordopfer Ärger mit Rockern?

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Darmstadt/Babenhausen - „Keine Zeugen da? Dann machen wir erst mal Pause. “ Nur wenige Augenblicke, nachdem das Gericht Platz genommen hat, steht der Vorsitzende Richter Volker Wagner schon wieder auf. Von Veronika Szeherova

Der zwölfte Verhandlungstag im Babenhäuser Doppelmordprozess vor dem Darmstädter Landgericht begann schleppend. Obwohl mehr als zwei Wochen seit der vorherigen Sitzung vergangen sind.

Der erste Zeuge war dem Gericht und dem immer noch recht zahlreich vertretenen Publikum bereits bekannt: Ein junger Gutachter vom Kommissariat für Internetkriminalität. Er war für die Auswertung der Firmencomputer zuständig in dem Betrieb, in dem der Angeklagte Andreas D. bis zu seiner Verhaftung vor knapp einem Jahr beschäftigt war und von wo aus der Ausdruck einer Pistolenschalldämpfer-Bauanleitung erfolgte. Die Verteidigung hatte dem Gutachter vorgeworfen, nicht gründlich genug bei der Untersuchung der Computer vorgegangen zu sein (wir berichteten). Nun sagte er erneut aus, nachdem er auf Antrag der Verteidiger acht weitere PCs in dem Unternehmen gesichert hatte.

Ausschlussverfahren deutet auf Rechner von Andreas D. hin

Auch bei diesen acht Rechnern konnte er ausschließen, dass mit ihnen auf die Schweizer Schalldämpfer-Internetseite zugegriffen wurde: „Die IP-Spuren deuten ganz klar darauf hin, dass der Zugriff über einen Computer mit XP-Betriebssystem, Internet Explorer 6 und dem Service Pack 2 stattfand. Das ist bei allen Rechnern, die es in der Firma gibt, nicht der Fall, auch nicht zum fraglichen Zeitpunkt im Jahr 2009.“ Per Ausschlussverfahren müsse es sich demnach um einen Computer handeln, der nicht gesichert wurde – also möglicherweise der von Andreas D., den er im Mai 2009 hat austauschen lassen.

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Eine zweite Möglichkeit wäre ein Laptop, der diese drei Kriterien erfüllt, und der in dem Babenhäuser Betrieb per Kabel ans Internet angeschlossen wurde – unter dem Benutzerkonto des Angeklagten. Für die Verteidigung eine heiße Fährte: Denn die zweite Aufgabe, die sie dem IT-Spezialisten damals als „Hausaufgabe“ auferlegt hatte, war zu überprüfen, ob ein Eingriff von außen auf das Firmennetzwerk möglich sei. Der Gutachter räumte ein, dass dies theoretisch denkbar sei, aber ebenfalls auf keinem der untersuchten Rechner nachgewiesen werden konnte. Verteidiger Christoph Lang gab ihm einen Artikel aus einer IT-Fachzeitschrift mit einem Beispiel, wie so ein Eingriff „ganz einfach geht.“ Also wird der junge Mann noch ein drittes Mal kommen müssen, nachdem er auch diesen Weg getestet hat.

Haben verdächtige Personen die Umgebung erkundet?

Anschließend kam ein ehemaliger Arbeitskollege zu Wort, dessen Aussage sich mit der anderer Firmenmitarbeiter deckte. Auch Zeugen aus der Nachbarschaft sagten aus, unter anderem eine 80-jährige Dame, die etwa eine Woche vor der Tat verdächtige Personen beobachtet haben will: „Sie sind ganz langsam im Auto durch die Gegend gefahren und haben sich genau umgeschaut.“

Ein nicht nur optisch ungewöhnlicher Zeuge war ein 44-Jähriger aus Rodgau, der mit Lederweste und mit langem, zu einem Pferdeschwanz zusammengebundenen Haar im Gerichtssaal erschien. Er ist ein ehemaliges Mitglied der Rockergruppen Hell’s Angels und Black Widows, lebte bis vor wenigen Jahren in Babenhausen und war dort häufiger Kneipengast. Bei diesen Kneipenbesuchen lernte er 2003 das späterer Mordopfer Klaus Toll kennen: „Er hat immer Gespräche gesucht, wir haben uns oft unterhalten.“ Der Immobilienmakler habe ihn hin und wieder darum gebeten, ihm bei Renovierungen zu helfen. „Eines Tages kam er zu mir und wollte ganz andere Hilfe: Er habe Stress mit den Hell’s Angels wegen des Kaufs und Wiederverkaufs eines Grundstücks, sie würden viel Geld von ihm verlangen“, erinnerte sich der Ex-Rocker. Toll habe ihm sogar 1 000 bis 10 000 Euro für seine Hilfe angeboten: „Ich bin damals aber nicht so auf das Gespräch eingegangen, weil ich nicht wusste, ob ich ihn für voll nehmen soll. Denn Toll hat gern mal einen gezwitschert.“

Der Zeuge ist sich sicher, dass die Hell’s Angels problemlos an jegliche Art von Schusswaffen kommen, und dass auch selbstgebaute Schalldämpfer aus Bauschaum in der Rockerszene durchaus bekannt seien.

Der Prozess wird am Mittwoch, 11. Mai, fortgesetzt.

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