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Karl-Heinz Bader hat in Stalingrad seinen Vater verloren

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Eingerahmte Erinnerungen: ein gemeinsames mit seinem Vater und von Karl-Heinz Baders Besuch 2012 bei der Gedenkstätte im heutigen Wolgograd.
Eingerahmte Erinnerungen: ein gemeinsames mit seinem Vater und von Karl-Heinz Baders Besuch 2012 bei der Gedenkstätte im heutigen Wolgograd. © zww

Mit der Kapitulation der deutschen Armee am 2. Februar 1943 endete die Schlacht um Stalingrad. Der Langstädter Karl-Heinz Bader war damals sieben Jahre alt. Sein Vater starb bei den Kämpfen.

Langstadt – Heute vor 80 Jahren endete nach 200 Tagen die Schlacht um Stalingrad, die als eine der blutigsten in die Geschichte des Zweiten Weltkriegs eingegangen ist und letztlich die Niederlage Nazi-Deutschlands einleitete. Der 87-jährige Langstädter Karl-Heinz Bader wird seit seiner Kindheit daran erinnert. Er verlor damals seinen Vater Karl.

In den letzten Tagen wurde bei ihm die Erinnerung besonders wachgerufen, denn erst Anfang dieses Jahres musste er nach 62 Ehejahren seine Frau Inge zu Grabe geleiten, um die auch Sohn und Tochter sowie drei Enkel trauern.

Karl-Heinz Bader selbst, der in Karlsruhe geboren wurde, aber trauerte eigentlich schon seit seiner Kindheit um seinen damals 32 Jahre alten Vater Karl, der Anfang 1943 als vermisst gemeldet worden war. Dem damals siebenjährigen Sohn selbst blieb ein Foto, das ihn auf dem Arm seines Vaters zeigt und das er aus einer Erinnerungs- und Ahnenecke seines Wohnhauses in Langstadt holen kann. Bader hat es kombiniert mit einem Foto, das ihn selbst bei einem Besuch von Gedenkstätten bei Stalingrad vor rund einem Jahrzehnt zeigt. Damals legte er an einem Granitwürfel, auf dem auch sein Vater benannt ist, rote Nelken nieder.

Im Nachgang hat Karl-Heinz Bader nach seinem Besuch in Stalingrad und an der Gedenkstätte eine rund 50-seitige Broschüre mit dem Titel „Stalingrad“ mit Fotos und mit Erinnerungen, aber auch als eine Art Dokumentation des Grauens in fürchterlicher Dimension verfasst. Bader skizziert in der Broschüre die Vorgeschichte und Geschichte des Zweiten Weltkriegs, der unter dem Hitlerregime von Deutschland ausging und 1939 mit dem Angriff auf Polen begann.

„Als siebenjähriger Junge sah ich meinen Vater im Herbst 1942 zum letzten mal beim Abschied am Bahnhof in Karlsruhe“, schrieb Bader in seinen Aufzeichnungen und Betrachtungen in der Broschüre, in der er auch die Geschichte der einst nach Stalin benannten Stadt an der Wolga beschrieb, die für Russen und Deutsche gleichermaßen zur Schicksalsstadt geworden ist, wie Bader ebenfalls erwähnt.

Die Titelseite von Baders Broschüre. Der Langstädter hat davon noch einige wenige Exemplare.
Die Titelseite von Baders Broschüre. Der Langstädter hat davon noch einige wenige Exemplare. © zww

Karl-Heinz Bader brachte von seinem Besuch an der Stätte, wo sein Vater wie Tausende andere den Tod fand, Fotos mit, darunter von dem riesigen Monument, das 85 Meter hoch auf einem einst umkämpften Hügel aufragt. Es handelt sich um die Mamajev-Statue (Mutter Heimatstatue), die eine Frau zeigt, die mit erhobenen Schwert ihre Söhne zur Verteidigung der Heimat ruft.

Baders Vater war vor dem Krieg bei der Post und wurde bei der sechsten Armee, die in Stalingrad schließlich unterging, bei der Feldpost, also nicht direkt an vorderster Front eingesetzt. Aber die Postler mussten die Feldpost den Soldaten in den vorderen Linien zustellen. Das gelang nicht immer.

In der Broschüre von Bader sind Fotos zu sehen, die haushoch gestapelte Post zeigt, die schließlich unzustellbar geworden war. Aus Deutschland waren auch wärmende Kleidungsstücke geschickt worden, von Socken bis Schals. Die Soldaten waren nicht auf den russischen Winter mit Temperaturen bis minus 40 Grad vorbereitet. Viele, die den mörderischen Häuserkampf überlebt hatten, erfroren oder verhungerten, denn schließlich gab es für die deutschen Soldaten im Kessel, wo die Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit immer mehr zunahmen, nur noch Rationen von 50 Gramm Brot. In einem der letzten Briefe, die in Deutschland ankamen, schrieb ein Soldat von völliger geistiger und körperlicher Erschöpfung. „Da ist mancher direkt in den Beschuss gelaufen oder kauernd eingenickt und erfroren“, heißt es im besagten Brief. Karl-Heinz Bader verwahrt noch Briefe auf, die seine Mutter an seinen Vater schrieb und die wieder „unzustellbar“ zurückkamen. Auf einen davon hatte er als kleiner Junge selbst einen Gruß geschrieben. „Der letzte Brief meines Vaters trägt das Datum 7.1.1943“, erwähnt Bader, der ohne seinen Vater aufwachsen musste. Wie viele Kinder aus der damaligen Kriegsgeneration.

Bader, ein Industriekaufmann, wohnt seit 1967 in Langstadt. Er ist ein bekannter und verdienter Mann, war zehn Jahre Ortsvorsteher, sogar fast vier Jahrzehnte Schiedsmann für Langstadt und Harpertshausen. Zwei Legislaturperioden war er SPD-Stadtverordneter in Babenhausen, wurde für seinen ehrenamtlichen Einsatz schon vor drei Jahrzehnten mit dem Ehrenbrief des Landes und im vergangenen Jahr mit der silbernen Verdienstplakette der Stadt ausgezeichnet. (zww)

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