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Kein Geheimnisverrat im Fall Darsow

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Von: Norman Körtge

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Vor mehr als zehn Jahren gehörte der heutige Pfungstädter Bürgermeister Patrick Koch (links, mit Anwalt) zu den ermittelnden Polizeibeamten im Doppelmordfall.
Vor mehr als zehn Jahren gehörte der heutige Pfungstädter Bürgermeister Patrick Koch (links, mit Anwalt) zu den ermittelnden Polizeibeamten im Doppelmordfall. © Körtge

Der Babenhäuser Doppelmordfall um den Verurteilten Andreas Darsow ist um ein Kapitel reicher. Und es endet gestern mit einem Freispruch.

DIeburg/Babenhausen/Pfungstadt- Nicht für den seit mehr als zehn Jahren einsitzenden Darsow, sondern für Pfungstadts Bürgermeister Patrick Koch. Das Amtsgericht Dieburg mit Richter Christian Meisinger sieht den Vorwurf der Staatsanwaltschaft als nicht erwiesen an, dass der ehemalige Polizeibeamte Koch in einer E-Mail an Darsows Rechtsanwalt Gerhard Strate Dienstgeheimnisse weitergegeben haben soll.Oberstaatsanwalt Andreas Kondziela kündigte direkt nach der Verhandlung aber bereits an, gegen das Urteil Berufung einlegen zu wollen.

„Ich bin erleichtert, dass Herr Koch für seinen Mut und seine Ehrlichkeit nicht bestraft worden ist“, sagte Anja Darsow, Ehefrau von Andreas Darsow, nach der Urteilsverkündung. Sie wollte unbedingt dem Prozess beiwohnen und stand bereits um 7.30 Uhr, zwei Stunden vor Verhandlungsbeginn, vor dem Amtsgericht, um einen der nur sieben verfügbaren Plätze für die Öffentlichkeit – neben weiteren sieben Plätzen für Pressevertreter – zu ergattern. Mit Erfolg. Ihr 2011 zu einer lebenslangen Haftstrafe mit dem Feststellen der besonderen Schwere der Schuld verurteilter Ehemann sei ebenfalls dankbar für das von Patrick Koch gezeigte Engagement, berichtete Anja Darsow, die selbst keinen Kontakt zum Pfungstädter Bürgermeister hatte.

Nach der Verhandlung war auch Anja Darsow eine gefragte Interviewpartnerin.
Nach der Verhandlung war auch Anja Darsow eine gefragte Interviewpartnerin. © Körtge

Dem so Gelobten war die Aufmerksamkeit in diesem Fall allerdings gar nicht recht. „Das wollte ich nicht“, sagte er vor Gericht und berichtete, dass dies sowohl ihn als auch seine Familie belaste. In seiner Erklärung bekräftigte er, dass er zum einen die Arbeit der Polizei seinerzeit nicht bloßstellen wollte. Zum anderen blieb er bei seinen in der E-Mail getätigten Aussagen, dass ein großer Druck auf den ermittelnden Beamten gelastet, und dass sich der damalige Polizeipräsident ihm gegenüber auf Darsow als Täter festgelegt habe „Also Herr Koch, das ist doch ganz klar, der Nachbar hat den ermordet. Das steht für mich fest“, zitierte Koch seinen Vorgesetzten in der E-Mail.

Er sei kein „Darsow-Junkie“, der alle möglichen Informationen über den Fall sammele, sagte Koch im weiteren Verlauf der Verhandlung. Aber als ihn Bekannte an jenem Samstag im Juni 2020 von einem TV-Bericht über den Mordfall und die darin angesprochenen Zweifel an der Schuld Darsows erzählten, habe er den Beitrag auf Youtube angeschaut und abends spontan die E-Mail an den Hamburger Rechtsanwalt Strate geschrieben. Dass dieser das Schreiben später auf seiner Internetseite veröffentlichte, habe er nicht ahnen können. Koch plagen die Zweifel, ob in den Ermittlungen die gebotene Objektivität immer vorhanden gewesen sei. Letztendlich – und das schreibt Koch auch in der E-Mail an zwei Stellen – maße er sich nicht an darüber zu urteilen, ob Darsow der Täter war oder nicht.

Kochs Anwalt Gero von Pelchrzim sagte, dass sich wohl alle Polizeibeamten wünschen, die, wenn sie glauben, dass nicht mit der gebotenen Objektivität ermittelt werde, dies auch kundtun. Er erinnerte daran, dass Koch bereits in den Ermittlungen dieses Gefühl gehabt habe und versuchte intern gegenzusteuern. Zum Unmut seiner Vorgesetzten, die ihn daraufhin aus der Sonderkommission abzogen. Während Oberstaatsanwalt Kondziela in seinem Plädoyer an dem Vorwurf des Geheimnisverrates festhielt, plädierte Anwalt von Pelchrzim dafür, dass Verfahren einzustellen. „Ich habe aus gutem Gewissen gehandelt“, sagte der Angeklagte Patrick Koch abschließend.

In seiner Urteilsbegründung legte Richter Meisinger unter anderem wert darauf, dass lediglich der Inhalt der E-Mail zu bewerten sei. Er könne nicht erkennen, dass Tatsachen, die als Dienstgeheimnis gelten würden, in der Mail standen. Es seien eher Meinungen und Eindrucksschilderungen. Auch habe Koch keinen persönlichen Nutzen daraus ziehen wollen.

Anja Darsow ermunterte im Anschluss der Verhandlungen, sich zu melden, wenn jemanden Informationen zu dem Mordfall aus dem Jahr 2009 hat. Sie und ihr Mann blicken nun auf einen wahrscheinlich erst im kommenden Jahr beginnenden Zivilprozess, in dem das Land Hessen als Vormund der behinderten Tochter des ermordeten Ehepaares auf Schadenersatz klagt (wir berichteten). In diesem Prozess müsste erneut die Schuld Andreas Darsows festgestellt werden.

Von Norman Körtge

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