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Warum Dr. Travaci auch im Feierabend erreichbar ist

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Von: Norman Körtge

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Dr. Mehmet Travaci ist der einzige Kinderarzt in Babenhausen. Im Interview nimmt er zu Gerüchten Stellung, dass er bald aufhöre und ganz allgemein zur Kinderarzt-Situation.

Babenhausen - Seit dem 1. Juli 1994 ist Dr. Mehmet Travaci niedergelassener Kinderarzt in Babenhausen. 1997 bezog er die Praxis Hinter der Altdörfer Kirche 30a. Sein Abitur machte er 1980 im mittelhessischen Hungen. Anschließend studierte er von 1980 bis 1987 Humanmedizin an der Uni Gießen, war von 1987 bis 1990 Assistenzarzt an der Uni-Kinderklinik in Frankfurt und von 1990 bis 1994 Oberarzt der Kinderklinik Duisburg. Nach eigenen Angaben ist Dr. Travaci der einzige Arzt aus Babenhausen, der im organisierten Ärztlichen Bereitschaftsdienst (AEBD) Notdienste, auch für Erwachsene, übernimmt. Im Interview nimmt er zu Gerüchten Stellung, dass er bald aufhöre und ganz allgemein zur Kinderarzt-Situation.

Herr Dr. Travaci, im Interview mit unserer Zeitung sagte Dr. Mirza jüngst, dass Babenhausen Gefahr laufe, einen Kinderarzt zu „verlieren“, da Sie keinen Nachfolger finden. Wie ist bei Ihnen der aktuelle Stand?

Ich weiß nicht, wie er als Allgemeinmediziner und Hausarzt zu dieser Aussage über mich als Kinderarzt kommt. Sie stimmen einfach nicht. Es ist erstunken und erlogen. Ich höre nicht auf. Ich habe auch nicht vor, bald aufzuhören. Nachfolger findet man meiner Meinung nach ganz schnell. Ich habe deshalb auch noch gar keine Notwendigkeit gesehen, nach jemand zu suchen.

Warum hat Ihr ärztlicher Kollege das dann gesagt?

Ich weiß es nicht. Keine Ahnung. Ich habe keine Zeit, mich damit auseinanderzusetzen. Das ist es mir einfach nicht wert.

Dann mal ganz konkret: Wie lange wollen Sie noch arbeiten?

Ich bin jetzt 62 Jahre alt und habe noch vor, längere Zeit zu arbeiten, so Gott will. Mindestens bis ich 65 bin. Also auf jeden Fall noch drei Jahre und drei Monate.

Aus Trabzon stammt Kinderarzt Dr. Mehmet Travaci. Nach wie vor ist er ein großer Fan des dortigen Fußballvereins Trabzonspor.
Aus Trabzon stammt Kinderarzt Dr. Mehmet Travaci. Nach wie vor ist er ein großer Fan des dortigen Fußballvereins Trabzonspor. © Körtge

Arzt aus Babenhausen behandelt Patienten aus ganz Südhessen

Und was macht Sie so zuversichtlich, dann eine Nachfolgerin oder einen Nachfolger zu haben?

Ich sehe da überhaupt kein Problem. Ich stelle es mir so vor, dass ich erst einmal eine Kooperation mit einer Ärztin oder Arzt hier eingehe und mich dann langsam abseile und mich immer mehr zurückziehe. Ich habe gute Verbindungen zur Klinik nach Darmstadt und nach Frankfurt an die Uniklinik, wo ich studiert habe und ich die Ärzte und Professoren kenne. Ich kann da anrufen und fragen, ob nicht ein Assistenzarzt wechseln möchte. Ich glaube, dass ich gute Karten habe, weil es in Babenhausen eben nur einen Kinderarzt gibt. Im Allgemeinen wird der Bedarf an Ärzten in Babenhausen stetig zunehmen.

Wie beurteilen Sie die derzeitige kinderärztliche Versorgung in Babenhausen?

Ich bin, wie bereits gesagt, in Babenhausen der einzige Facharzt für Kinderheilkunde. Der nächste Kinderarzt im Landkreis ist in Dieburg oder in Groß-Umstadt. Auch in Rodgau gibt es einen. Im gesamten Landkreis Darmstadt-Dieburg sind derzeit alle genehmigten Plätze für Kinderärzte belegt. Es kann sich also nur jemand Neues niederlassen, wenn jemand aufhört oder stirbt. Meine Patientenzahlen übersteigen im Quartal mindestens den Durchschnitt aller Kinderärzte. Selbstverständlich gehen auch Eltern mit ihren Kindern nach Dieburg oder Groß-Umstadt oder Rodgau.

Eine Besonderheit bei Ihnen ist Ihre türkische Herkunft und das viele Familien mit Migrationshintergrund zu Ihnen kommen.

Ja, aber das liegt in erster Linie auch an Babenhausen, das eine klassische Arbeiterstadt war und ist. Hier leben etwa 3000 Kinder mit Migrationshintergrund. Viele von ihnen eben auch mit türkischen Wurzeln. Deshalb kommen auch viele türkischstämmigen Eltern mit ihren Kindern zu mir. Nicht nur aus Babenhausen, sogar aus Hanau, Aschaffenburg und bis aus dem Odenwald.

Ist es nur wegen der Sprache?

Auch, aber viele junge Frauen und Männer, die früher einmal meine Patienten waren, kommen nun mit ihren Kindern wieder zu mir. Hinzu kommt, dass sie eventuell neue Partner aus der Türkei haben, die noch nicht so gut Deutsch sprechen. Mit mir erleichtert es die Kommunikation zwischen Eltern und Arzt.

Babenhausen: Fast ein Viertel der Kinderärzte hört in den nächsten fünf Jahren auf

Gibt es weitere Gründe?

Ja, es hat auch etwas mit der Mentalität zu tun. Wissen Sie, Menschen, die aus südlichen Ländern stammen und das Leben dort kennen, sitzen auch hier in Deutschland oft abends noch gemeinsam mit Freunden zusammen, die Kinder spielen noch zusammen. Und wenn dann ein Kind etwa hustet oder andere Krankheitssymptome zeigt, dann rufen die eben noch schnell den Dr. Travaci an. Auch abends noch. Von den 6 000 Kinderärzten in Deutschland haben schätzungsweise 98 Prozent ihr Handy nach Feierabend ausgeschaltet. Ich gehöre zu den zwei Prozent, die ihr Handy noch an haben. Ich kann dann die Eltern noch beraten, was sie geben sollen, sie dadurch auch beruhigen und sie kommen dann am nächstmöglichen Tag in meine Praxis. Das wissen viele Eltern zu schätzen.

Und wenn Sie nicht erreichbar wären?

Dann fahren sie zum Beispiel in ein Krankenhaus, warten dort drei bis vier Stunden, werden vielleicht sogar aufgenommen, weil das den Kliniken auch Geld bringt. Die müssen eben auch immer wirtschaftlicher handeln. Da ist meine kurze telefonische Beratung für die Krankenkassen um ein Vielfaches günstiger.

Ganz allgemein: Was sind die großen Herausforderungen der kinderärztlichen Versorgung?

Statistisch gesehen hören in den nächsten fünf Jahren 1 500 Kinderärzten in Deutschland auf. Das ist ungefähr ein Viertel aller Kinderärzte. Und es werden nicht so viele gleich nachkommen können.

Interview: Norman Körtge

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