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Leidenschaftliche Hommage an Babenhausen

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Zaungast eines geschichtsträchtigen Neujahrsempfangs: die Bundestagsabgeordnete Patricia Lips (links) aus Rödermark.
Zaungast eines geschichtsträchtigen Neujahrsempfangs: die Bundestagsabgeordnete Patricia Lips (links) aus Rödermark. © Friedrich, Ursula

Dass der Neujahrsempfang einer Partei völlig unpolitisch ist, ist ungewöhnlich. In der mittelalterlichen Stadtmühle ist der CDU-Stadtverband am Sonntag mit seinen Gästen ins neue Jahr 2023 gestartet. Indes ohne ein politisches Resümee zum verstrichenen, oder einer Vorschau aufs neue Jahr. Stattdessen gab es eine Zeitreise zurück in die Kindheit Babenhausens und eine Vision, wie das Image der so prachtvollen Residenzstadt in ihre Zukunft transportiert werden kann.

Babenhausen – Es war eine Hommage an „sein“ Babenhausen, mit der Gastredner Klaus Mohrhardt, seine Heimat im mehr als einstündigen Vortrag würdigte. Das klang anders für all jene Kommunalpolitiker im gut gefüllten Saal, die sich im vergangenen Jahr mit schmalen Finanzen, einem erheblichen Sanierungsstau, kaputten Straßen, Brücken und maroden Hallen beschäftigten.

CDU-Chef Frank Fengel begrüßte also, hob das Glas, und übergab das Zepter an den passionierten Heimatforscher Klaus Mohrhardt. Dass man 800 Jahre in die Vergangenheit reisen muss, um aktuelle Zusammenhänge zu begreifen und Neues anzugehen, daran ließ Mohrhardt keinen Zweifel: Man muss!

So ging es zurück ins Jahr 1176, zu Kuno I. von Münzenberg, dem Reichsverwalter das Reichsforsts Dreieich, der in dem wasserreichen Gebiet an der Gersprenz Unerhörtes anstößt: den Bau einer Burg im Stile der italienischen Backsteinbauweise. Spuren eines übermächtigen Wehrturms von damals kamen bei den Renovierungsarbeiten am Babenhäuser Schloss in seinem Fundament wieder zu Tage. Im 18. Jahrhundert wurde der Turm aber weggerissen. „Schade, es wäre ein weiteres Wahrzeichen Babenhausens gewesen“, meinte Mohrardt.

Die Burg brauchte nun eine Ansiedlung, so entstand ein unbefestigtes Dorf auf der gegenüberliegenden Gersprenzseite. Weil das Geschlecht der Münzenberger ausstarb, spielte in der Folge das Hanauer Adelsgeschlecht eine tragende Rolle. Adelheid von Münzenberg heiratete Reinhard I. von Hanau und brachte Babenhausen als Mitgift ein. Dem ältesten Spross dieser Ehe, Ulrich I. von Hanau, gelang es bereits 1295, die Stadtrechte für Babenhausen zu erwirken. „Acht Jahre vor Hanau! Und 35 Jahre vor Darmstadt!“: Nimmermüde kehrte Morhardt, der sich auch als Stadtführer engagiert, Mitglied im Heimat- und Geschichtsverein ist und zweiter Vorsitzender der Schlossfreunde, die Besonderheiten Babenhausens heraus.

Nun gab es Privilegien: Ein Wochenmarkt durfte abgehalten werden, und die Stadt wurde Sitz der Gerichtsbarkeit der Region. Nicht nur eine Stadtmauer, nein derer gleich zwei sowie ein Wehrgraben entstanden. Von den sieben Stadttürmen sind der Hexen- und der Breschturm erhalten. „Babenhausen war ein Eckpfeiler der Hanauer Regentschaft“, so Mohrhardt stolz – und als sich Philipp I. (der Ältere) mit Anna von Lichtenberg vermählt, ist die Brücke ins Elsass geschlagen. Noch vor dem geeinten Europa lebte man in Babenhausen den Europäischen Gedanken, so Mohrhardt. Dass die französische Gemeinde Bouxwiller heute mit Babenhausen verschwistert ist, das rühre aus dieser frühen Verbindung.

Es gibt dramatische Kerben in der Geschichte. Etwa 942 Pest-Tote im 17. Jahrhundert. Und das Gezerre um das Amt Babenhausen, als 1736 der letzte Hanauer Graf stirbt und das Amt zwischen den Landgrafen Hessen-Cassel und Hessen-Darmstadt geteilt wird.

Immer wieder sind große Namen mit der Residenzstadt verbunden: König Joseph I von Habsburg (ab 1705 Kaiser des Heiligen Römischen Reichs) soll 1702 in Babenhausen abgestiegen sein – allein 946 Pferde im Gefolge. Als das Schloss 1828 zu einer Militärstrafanstalt umgewidmet wird, sitzt hier Adam Friedrich Kupferberg ein. Im Gedenken daran serviert der Heimatverein bis heute zu besonderen Anlässen Kupferberg-Sekt. Der spektakuläre Ausbruch des radikaldemokratischen Publizisten und Schriftstellers Wilhelm Schulz an Silvester 1834 aus der Babenhäuser Festung, auch das ist ein Teil der Stadtgeschichte. Schulz hatte es den originellen Ideen seiner Gattin Caroline zu verdanken, die das Ausbruchswerkzeug ebenso in Brot einbuk wie Liebesbriefe mit praktischen Anweisungen (per Geheimtinte verfasst) – auf dass der Ausbruch gelingt.

„Wir können stolz sein, auf eine wunderbare Stadt“, schloss Mohrhardt, „seien sie stolz, dass Sie Babenhäuser sind.“ Seine eigenen Wurzeln reichen weit zurück. Nicht immer rühmlich: Eine Gerichtsakte dokumentiere, dass 1425 ein Mohrhardt’sches Haus gleich doppelt verkauft wurde. 1532 war ein weiterer Vorfahr, Andreas Mohrhardt, Verwalter des Spitals, das an Stelle des heutigen Restaurants Toscana gelegen haben mag. Dass viele Adelshäuser in der Altstadt erhalten sind (darunter das Gayling’sche Amtshaus und heutige Territorialmuseum), dass 70 Prozent der Stadtmauer erhalten sind, dass es die schmucke Altstadt mit dem Juwel der Stadtkirche gibt, all das begreift Klaus Mohrhardt als Zukunftsaufgabe. Mit diesem beträchtlichen Pfund gelte es zu wuchern. „Den Tourismus ankurbeln, die Gastronomie stärken, Geschäfte in den Fokus rücken, Feste neu positionieren“ – das könne angepackt werden. Freilich mit Kultur, Events und pfiffigen Ideen. Klaus Mohrhardt brach eine Lanze für die Belebung seiner Stadt, die mit ihrem Erbe auch in Zukunft punkten könne. Radtouren in alle Stadtteile, Themenführungen, Stadtmauer-Rundgänge, Blumenschmuck-Wettbewerbe, Neueröffnung der Gastronomie in der Stadtmühle, Tage der offenen Höfe – er sprüht nur so vor Ideen für das neue Jahr und weit darüber hinaus. zah

Gastredner und Heimatforscher Klaus Mohrhardt (rechts) mit Babenhausens CDU-Chef Frank Fengel.
Gastredner und Heimatforscher Klaus Mohrhardt (rechts) mit Babenhausens CDU-Chef Frank Fengel. © zah

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