1. Startseite
  2. Region
  3. Babenhausen

„Mein Mann war es nicht“

Erstellt: Aktualisiert:

Kommentare

Babenhausen - Der Täter kam mit Vernichtungswillen. „Es waren kaltblütige Morde. Eine ganze Familie sollte ausgelöscht werden“, kommentierte im Nachgang zu dem Verbrechen in Babenhausens Friedrich-Ebert-Straße ein Polizeisprecher. Im April 2009 fielen die tödlichen Schüsse. Von Stefan Scharkopf

Ein Immobilienmakler (62) und seine Ehefrau (58) starben. Die damals 37 Jahre alte Tochter wurde mit mehreren Schüssen niedergestreckt, überlebte knapp. Die junge Frau ist Autistin, konnte und kann nicht befragt werden.

Nach einem Indizienprozess verhängte das Darmstädter Landgericht im Juli 2011 eine lebenslange Haftstrafe gegen den Nachbarn Andreas Darsow. Eine vorzeitige Haftentlassung ist wegen der Schwere der Schuld ausgeschlossen. Das Motiv für die Morde sieht das Gericht in jahrelanger Lärmbelästigung. Der Angeklagte habe sich durch die ständigen Streitereien der Nachbarn belästigt gefühlt. Der Bundesgerichtshof in Karlsruhe verwarf im Juli 2012 die Revision des Angeklagten. Somit ist das Urteil rechtskräftig.

Für Anja Darsow, Ehefrau des verurteilten Doppelmörders, brach eine Welt zusammen. Sie hält ihren Mann weiter für unschuldig und kämpft um die Freilassung des inzwischen 44-Jährigen.

„Mein Mann war es nicht, er würde niemals eine solche Tat begehen. Ich muss seine Unschuld beweisen“, sagt die 35-Jährige. Mit Hilfe von Freunden und Verwandten will sie die Wiederaufnahme des Verfahrens erreichen.

In Babenhausen hat sich extra dafür der Verein Monte Christo gegründet, benannt nach der gleichnamigen Romanfigur, einem unschuldig zu Kerkerhaft verurteilten Grafen. Der Vorsitzende Josef Seidl hält das Urteil für eine „erlogene Geschichte“.

Anja Darsow, Mitglieder des Vereins Monte Christo und Verwandte sammelten nun 1 045 Unterschriften und übergaben diese jetzt dem Landtagsabgeordneten Manfred Pentz aus Groß-Zimmern. Der CDU-Politiker ist Mitglied des Petitionsausschusses des Hessichen Landtags. „Das Petitionsrecht ist ein Recht für alle“, sagt Pentz, „der Ausschuss prüft objektiv und unvoreingenommen jede Eingabe.“ Er legt Wert darauf, dass er die Petition ohne eine Wertung für oder gegen das Ansinnen entgegengenommen habe. Er selbst kann sie aber nicht bearbeiten. Das muss jemand tun, der nicht aus seinem Wahlkreis stammt. Eine Stellungnahme über den Inhalt der Petition wollte Pentz aus Datenschutzgründen nicht abgeben. Er weist aber darauf hin, dass nach der Verfassung des Landes Hessen die Unabhängigkeit der Justiz zu wahren sei: „Eine richterliche Entscheidung kann durch das Parlament weder überprüft noch abgeändert werden. Allerdings darf auf Mängel oder Ungerechtigkeiten im Gesetz verwiesen werden.“ Pentz sagt, dass der Fall ungewöhnlich ist – auch die Petition. In den allermeisten Fällen beschäftigt sich der Ausschuss mit Asylfragen.

Anja Darsow weiß, dass die Hürden für eine Wiederaufnahme hoch liegen und die Chancen nicht groß sind. Das Verfahren wird nur unter bestimmten Voraussetzungen neu aufgerollt. Was die Ehefrau des im Gefängnis in Weiterstadt Einsitzenden braucht, sind neue Beweise. Und die will die kämpferische junge Frau nun mit zwei Top-Anwälten finden: Dr. Gerhard Strate und Ralf Neuhaus. Strate war unter anderem der Anwalt von Monika Weimar, die wegen der Ermordung ihrer beiden Kinder Melanie und Karola nach einem Indizienprozess 1988 zu lebenslanger Haft verurteilt wurde. In den 90er-Jahren konnte Strate die Wiederaufnahme des Verfahrens erreichen. Der Bundesgerichtshof hob das Urteil schließlich auf.

Finanziell ist die Beauftragung der beiden Anwälte für Anja Darsow schwer zu stemmen. „Aber ich wollte die Besten“, sagt sie. Auch hier wird die dreifache Mutter von Freunden unterstützt.

Aufgeben will Anja Darsow nicht. „Ich habe nie an der Unschuld meines Mannes gezweifelt, ich werde alles dafür tun, dass er eine Chance bekommt.“

Auch interessant

Kommentare