Ruhestörung als Motiv für Mord?
Babenhausen (st) ‐ Über Jahre hinweg soll sich ein Nachbar über Ruhestörung beklagt haben, bevor er schließlich zur Waffe griff: Hinter der Bluttat vom 17. April 2009 vermutet die Staatsanwaltschaft Darmstadt einen über Jahre andauernden Nachbarschaftskonflikt.
Knapp zwei Jahre nach den tödlichen Schüssen in der Friedrich-Ebert-Straße muss sich der mutmaßliche Täter ab Dienstag, 22. Februar, vor der 11. Strafkammer des Landgerichts Darmstadt verantworten.
Der Angeklagte Andreas D. wird des Mordes beschuldigt. Er schweigt bislang zu den Vorwürfen. Dem 41-Jährigen wird vorgeworfen, sich in der Tatnacht vor dem Souterraineingang des von der Familie Toll bewohnten Anwesens versteckt zu haben. Als der Immobilienmakler gegen 4 Uhr das Haus durch die Souterraintür verließ, soll der Angeklagte nach einer kurzen verbalen Auseinandersetzung mit einer Pistole vom Typ Walter P 38 mit einem selbst gebauten Schalldämpfer zwei Schüsse abgegeben haben. Das Opfer soll an der Hand getroffen ins Haus zurückgewichen sein, der mutmaßliche Täter weitere viermal geschossen haben. Der Immobilienmakler starb durch einen Schuss in den Hals.
Trotz schwerer Verletzungen überlebte die Tochter
Danach soll der Angeklagte ins Schlafzimmer gegangen sein und zweimal auf die schlafende Ehefrau gefeuert haben. Beide Schüsse waren tödlich; das Opfer verstarb im Bett. Im Dachgeschoss gab der Täter zwei Schüsse auf die schlafende Tochter ab. Ein Projektil traf die Brust; ein weiteres drang im Unterkieferbereich ein und durch die Schädeldecke wieder aus. Der Angeklagte soll vom Tod der jungen Frau ausgegangen sein und das Haus verlassen haben. Trotz der schweren lebensgefährlichen Verletzungen überlebte sie, konnte zum Tathergang aber keine Angaben machen.
Am frühen Nachmittag des Tattages hatten Passanten die schwer verletzte junge Frau im Vorgarten des Reihenhauses gefunden und die Polizei alarmiert. Nach ihrem Krankenhausaufenthalt zog die damals 37-Jährige von Babenhausen weg und wird seither betreut.
Über 1000 Vernehmungen
Als Grund für die Taten vermutet die Staatsanwaltschaft jahrelange Lärmbelästigungen durch die Familie, durch die sich der Angeklagte gestört gefühlt haben soll. Zwei- bis dreimal sei die Polizei in den vergangenen Jahren dort wegen Lärmbelästigung im Einsatz gewesen, „aber das letzte Mal lag schon einige Jahre zurück,“ wie ein Polizeipressesprecher seinerzeit sagte.
Auf die Spur des Verdächtigen kamen die Ermittler dadurch, dass der Mann im Internet nach Bauplänen für einen Schalldämpfer gesucht hatte - auch an seiner Arbeitsstelle.
Bis im Mai 2010 schließlich die Handschellen klickten, hatten die Ermittler von einem „sehr mysteriösen Verbrechen“ gesprochen. Auch nach über 1000 Vernehmungen gab es noch keine heiße Spur. Das Ehepaar lebte sehr zurückgezogen, das Privatleben war überschaubar und die Recherchen der Sonderkommission waren entsprechend schwierig.