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„Für das Gefühl von einst“

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Meilensteine der Fotografie: Sabine Frank präsentiert ihre Tafel, ein einzigartiges Werk.
Meilensteine der Fotografie: Sabine Frank präsentiert ihre Tafel, ein einzigartiges Werk. © Gries, Reinhold

Sabine Frank öffnet ihre Sammlung analoger Kameras in Babenhausens Territorialmuseum.

Babenhausen – In der neuen Sonderschau „Photographica“ im barocken Versammlungssaal des Territorialmuseums in der Amtsgasse befällt manchen Besucher ein Gefühl der Nostalgie angesichts rund 100 Kameras des 20. Jahrhunderts. Auch die Sickenhöfer Sammlerin und Werbefachfrau Sabine Frank ist dem Charme „echter“ Fotokameras verfallen, die man im digitalen Handykamera-Zeitalter „analog“ nennt. Gern öffnet sie ihre Wunderwelt fotografischer Technik, die gar nicht so lange vergangen ist – oder womöglich eine Wiederbelebung findet.

Das Besondere dieser sehr informativen wie fachkundigen Präsentation, für die man Zeit braucht, ist der Spannungsbogen zwischen einer Laterna Magica, antiken Stereo-Fotokameras mit anaglypher Technik und abenteuerlichen Blitzgeräten bis hin zu frühen Polaroid-Sofortbildkameras und noch vor einiger Zeit modernen Kleinbild- und Spiegelreflexkameras. Beim Betrachten der gut beschilderten wie erklärten Geräte kommt man aus dem Staunen kaum heraus. Offensichtlich ist hier eine großartige Technikkultur – völlig zu Unrecht – ins Abseits geraten.

Eine Laterna Magica aus dem 19. Jahrhundert (linkes Bild) gehört ebenso zu Sabine Franks Schätzen wie der Fotokoffer mit historischen Geräten zum Anfassen.
Zu Sabine Franks Schätzen gehört auch eine Laterna Magica aus dem 19. Jahrhundert. © Gries, Reinhold

Sabine Franks große Sammlung steht für einen neuen Blick, der auch „zurück zu den Ursprüngen“ kommen will. Man kann es kaum glauben, dass die gebürtige Odenwälderin dieses professionell organisierte „Hobby“ erst seit fünf Jahren betreibt: „In meinem Leben habe ich über Tiermedizin, Physiotherapie bis hin zur Reprographie etliche Studien und Ausbildungen gemacht. Mit Kameras hatte ich auch bei einer Sprendlinger Firma für Reprographie ab 1997 zu tun, für die ich gemeinsam mit einem Kollegen die Digitalisierung betrieben habe. Nun gehe ich den Weg zurück zum Analogen, dabei geht es mir auch um Erhaltung von Wissen.“ Dann holt sie eine Kleinbildkamera hervor und sagt: „Mit diesem Gerät fing vor fünf Jahren alles an. Mich wunderten die weißen Flecken auf den Fotos. Ich nahm alles auseinander, säuberte die Blende, die Schrauben, reparierte, bis alles wieder funktionierte. Das machte mir viel Spaß“, erzählt Frank. „Heute ersteigere und kaufe ich gezielt schöne alte Kameras, einiges kriege ich vermacht. Mit jeder Kamera, die ich inspiziere, auseinandernehme und zusammenbaue, eröffnet sich für mich ein neues kreatives, spannendes Arbeitsfeld. Teile bekommt man eh nicht, man muss oft alles selbst machen.“

Die 48-jährige Forscherin und Fotohistorikerin belässt es in der Ausstellung nicht beim Schauen. Zu jeder dicht bestückten Glasvitrine hat sie eigene Schautafeln formuliert, gestaltet und gedruckt. Das gehört sonst zu ihrem täglichen Job als Werbetechnikerin. Ihre einige Meter breite Zeitstraße „Meilensteine der Fotografie“ erklärt die Entwicklung in noch nie da gewesener Anschaulichkeit und Klarheit. Dazu machen Schaukästen klar, worum es geht und was gewesen ist: „Viele wissen nicht mehr die grundlegendsten Dinge und Zusammenhänge analoger Fotografie“. Man sieht Farbdias, 35mm- und 120er Rollfilme, Stereo-Positivplatten, Kodacolor Film discs, Vorsatzlinsen zur Veränderung der Farbwerte und eine ganze Reihe von Demonstrationsobjekten zu fotografischen Blitzlichtgewittern.

Auch ein Fotokoffer mit historischen Geräten zum Anfassen gehört zu Sabine Franks Schätzen.
Auch ein Fotokoffer mit historischen Geräten zum Anfassen gehört zu Sabine Franks Schätzen. © Gries, Reinhold

Der Zeitenwandel wird dabei deutlich durch Blitzpulver-Beutel von 1907, Agfa-Blitzlampen von 1909, erste Kapselblitze von 1913, durchaus gefährlichen Magnesiumband-Blitzgeräte ab 1921, erste Blitzkolben von 1934, Aufsteck-Fächerblitze der 60er und Blitzwürfel von 1966. Dass es bei Fotografie um Licht geht, das man auch vermessen kann, sieht man an optischen Belichtungsmessern, die man früher in Etuis dabei hatte, um die richtige Lösung für Blende und Belichtungszeit zu finden. Auch chemische Belichtungsmesser gab es, später wurden die Messungen in den Fotoapparat integriert.

Nicht schlecht staunt man auch bei Stereofotokameras, die schon vor 100 Jahren 3D-Wirkung bei Fotos erreichen wollten und mit anaglyphen Brillen betrachtet werden müssen. Wer hätte gedacht, dass ein Edwin Herbert Land schon 1932 in den USA anfing, Grundlagen für eine Sofortbildkamera zu durchdenken. Mit seinem Physiklehrer gründete er bereits 1937 eine „Polaroid-Company“, bis 1947 hatte er seine Polaroidkamera Model 95 entwickelt, in Boston kam sie 1948 auf den Markt. Später konnte man damit nicht nur sepiabraune, sondern auch Farbbilder machen. Respekt verbreiten auch Demonstrationskästen, die alle Teile einer Kleinbildkamera oder eines Objektivs darstellen. Neben solch kleinen Wunderwerken sieht man auch eine Unterwasserkamera aus den 60er Jahren, von der nur 500 Stück gebaut wurden. Eine Vitrine zeigt Bakelitkameras der 30er und 40er Jahre wie die Kodak Bullet, eine andere Kameraboxen, mit denen schon Kinder gut umgehen konnten. Technik vom Feinsten zeigen auch eine Goerz Taro-Tenax-Plattenkamera von 1910 und eine massive antike Reisekamera aus Holz. Dazu macht es ein alter Fotokoffer möglich, historische Geräte in die Hand zu nehmen, um „das Gefühl von einst“ wieder lebendig zu machen.

Museumsleiter Georg Wittenberger ist sehr glücklich über diese Präsentation, die bis 11. September zum „Tag des offenen Denkmals“ zu sehen sein wird, eingeordnet in die „Woche der Kunststoffstraße“ (3. bis 11. September). Sabine Frank hält dazu am 4. und 9. September Führungen ab. (Von Reinhold Gries)

„Photographica“

Die Sonderausstellung im Territorialmuseum Babenhausen läuft bis 11. September. Öffnungszeiten sind donnerstags, 14 bis 17, samstags, 15 bis 17 und sonntags, 14 bis 17 Uhr. Weitere Infos im Internet.

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