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Apothekerwechsel in Babenhausen nach 31 Jahren

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Von: Norman Körtge

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Handschlag zur Übergabe: Nach 31 Jahren hat Harald Perschbacher heute seinen letzten Tag in seiner Schloss-Apotheke. Ab morgen übernimmt Theresia Kuntz.
Handschlag zur Übergabe: Nach 31 Jahren hat Harald Perschbacher heute seinen letzten Tag in seiner Schloss-Apotheke Babenhausen. Ab Samstag übernimmt Theresia Kuntz. © Körtge

Die Schloss-Apotheke in Babenhausen gibt es bereits seit Jahrzehnten. Drei davon hat Harald Perschbacher geprägt. Im Interview spricht er auch über das Thema Medikamentenmangel.

Babenhausen - Nach 31 Jahren hat Harald Perschbacher heute (31.3.) seinen letzten Tag in seiner Schloss-Apotheke an der Platanenallee. Ein nahtloser Übergang ist dem 62-Jährigen geglückt. Mit Theresia Kuntz ist eine Nachfolgerin gefunden, die ab Mitternacht die Geschäfte führen wird. Im Interview blickt Apotheker Perschbacher zurück und bezieht auch zum Medikamentenmangel Stellung.

Herr Dr. Perschbacher, war das Arbeiten in einer Apotheke vor 30 Jahren einfacher?

Das kann man nicht so pauschal beantworten. Es gibt Sachen, die sind schwieriger, manche auch nerviger geworden. Die Rabattverträge der gesetzlichen Krankenkasse erhöhen den Arbeitsaufwand. Die Kundinnen und Kunden müssen überzeugt werden, dass das Medikament mit dem gleichen Wirkstoff eines anderen Herstellers genauso gut wirkt, wie das Arzneimittel des vom Arzt verordneten Herstellers. Vorkommende Wechsel durch Änderung der Rabattvertragspartner einer Krankenkasse sind meines Erachtens negativ für die Therapietreue. Früher hat man mit entsprechender Beratung das abgeben, was der Arzt verordnet hatte.

Was ist besser geworden?

Nicht mehr missen mag ich die organisatorischen Vorteile einer leistungsfähigen Apotheken-EDV und unseres Lagerautomaten. Dadurch haben wir mehr Zeit für das Wichtigste: Service und Beratung für unsere Kunden.

Was sind für Sie die herausragenden Apotheken-Errungenschaften in den vergangenen Jahren, die Sie in der Schloss-Apotheke umsetzen konnten?

Den Einbau unseres Kommissionierautomaten und die Umgestaltung des Back-Office-Bereichs. Hier haben wir einen extra Arbeitsplatz zur Bearbeitung von Online-Bestellungen eingerichtet. Natürlich sind wir als zukunftsorientierte Apotheke auch fit für das E-Rezept. Im Labor haben wir durch den Einsatz eines Nahinfrarotspektrometers zur Rohstoffprüfung den Verbrauch von Chemikalien stark reduzieren können.

Wie hat sich Ihre Arbeit in den vergangenen Jahrzehnten verändert?

Ich war nur die ersten zehn Jahre im Handverkauf in der Offizin tätig. Danach habe ich mich für eine positive Unternehmensentwicklung sehr intensiv um Unternehmensleitung, Unternehmensplanung, Organisation und Marketing gekümmert. Dafür habe ich ein Zusatzstudium zum MBA-Health Care Management absolviert. Zusätzlich habe ich mich um die Arzneimittelversorgung des Seniorenzentrums Bethesda und den Botendienst gekümmert.

Hat sich das Verhalten der Kunden in den vergangenen Jahrzehnten in irgendeiner Art und Weise gewandelt?

Durch „Dr. Google“ sind sie vermeintlich besser informiert. Auf jeden Fall sind sie durch die Corona-Pandemie dankbarer für die Arbeit geworden, die wir hier jeden Tag leisten.

In der jüngsten Vergangenheit ist immer wieder über Medikamentenmangel berichtet worden: Was kann der Apotheker vor Ort tun?

Man kann mit vorhandenen Ressourcen nach Lösungen suchen. Zum Beispiel auf andere noch lieferbare Arzneiformen ausweichen oder anders dosierte Tabletten des gleichen Wirkstoffs mit entsprechend angepasster Einnahmevorschrift nutzen, wenn die Arztpraxis damit einverstanden ist. Außerdem können wir Fiebersäfte selbst herstellen.

Aus der Arzneimittel-Industrie in eine Land-Apotheke

eit ein paar Wochen ist Apothekerin Theresia Kuntz schon in der Schloss-Apotheke an der Platanenallee tätig, um den anstehenden Wechsel gut zu bewerkstelligen. Ab heute um Mitternacht wird die 41-Jährige dann die Chefin von 20 Mitarbeitern, darunter auch die Medikamenten-Ausfahrer, sein. Die Apothekerin mit Doktor-Titel hat in Frankfurt studiert und in den vergangenen Jahren bei Evonik in der Sparte „Pharma & Healthcare“ in Darmstadt gearbeitet. Aber: Sie wollte auf jeden Fall irgendwann wieder als Apothekerin arbeiten – und da kam das Angebot aus Babenhausen.

Von der Schloss-Apotheke war Kuntz von Anfang an begeistert. „Ich bin hier rein und habe gleich gedacht, das könnte was werden“, erzählt sie von ihrem ersten Besuch im vergangenen Sommer. Die Apotheke sei sehr modern mit eigenem Online-Shop (Perschbachers Motto: „Online geht schneller vor Ort“), und ihr Vorgänger habe alles auf dem neuesten Stand gehalten. Das Konzept wird bleiben: eine klassische Beratungs-Apotheke im ländlichen Raum.
Mit ihrer Familie – sie ist Mutter einer dreijährigen Tochter – lebt Theresia Kuntz in Hattersheim. (nkö)

Was müsste passieren, damit immer ausreichend Medikamente in Deutschland verfügbar sind?

Das ist ein sehr komplexes, multifaktorielles Thema. Einer schiebt die Verantwortung auf den anderen. Man muss sich erst einmal die verschiedenen Einflussfaktoren vor Augen führen. Da sind zum einen die Rabattverträge der Krankenkassen mit Pharmaunternehmen, die möglichst günstig Medikamente liefern sollen. Im Generika-Bereich sind die Gewinnspannen sehr gering, und die Unternehmen müssen dann die günstigsten Produktionswege suchen. Die Rabattverträge haben zu einer Reduktion der Anbieter geführt. Wenn einer dieser wenigen Anbieter ein Problem hat, führt das zwangsläufig zu Lieferengpässen. Ein gutes Beispiel hierzu war die temporäre Stilllegung chinesischer Wirkstoffhersteller während der Covid-Pandemie. Hinzu kommt, dass für gleiche Produkte den Herstellern in anderen Ländern oft mehr bezahlt wird. Verfügbare Ware wird dadurch eher den lukrativeren Märkten zugeführt, und es kommt dann in Deutschland schneller zu Lieferengpässen.

Und weitere Faktoren?

Bei geringerer Nachfrage werden die Produktionspläne nach unten korrigiert. Wenn dann nach dem Ende des Maskentragens in der Corona-Pandemie Erkältungswellen verstärkt auftreten, sind erst einmal zu wenig Medikamente auf dem Markt. Derzeit sind viele Rohstoffe auf dem Weltmarkt knapp. Wenn beispielsweise Bestandteile der Packmittel nicht lieferbar sind, können die Arzneimittel nicht fertig produziert werden.

Welche Lösungsvorschläge haben Sie als Apotheker?

Keine Krankenkassen-Rabattverträge mehr mit nur einem Anbieter und höhere Margen für die Generika-Hersteller, damit nicht allein auf die jeweils billigste und damit in der Regel unzuverlässigste Lieferkette vertraut werden muss. Außerdem wäre ein Frühwarnsystem hilfreich, in dem Großhändler und Apotheken an das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte rechtzeitig mögliche Engpässe melden können.

Mehr als 30 Jahre Apotheker in Babenhausen: Was bleibt Ihnen in besonderer Erinnerung?

Unser tolles Team, das Lob der Arztpraxen und Kunden und dadurch das sehr gute Gefühl, das meiste richtig gemacht zu haben. (Norman Körtge)

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