Die Schöne Eiche bei Harreshausen ist Nationalerbe-Baum

In einem Festakt mit fast 300 Besuchern ist das Naturdenkmal „Schöne Eiche“ als Nationerbe-Baum ausgerufen worden. Es ist erst der zweite Baum in Hessen mit diesem Titel. Bundesweit sollen es einmal 100 werden.
Harreshausen – „Auf dem Feld die alte Eiche; sie trug tausendfält’ge Frucht. Sie steht fest in deutscher Erde, wie der Blitz, sie heimgesucht“ – in einer Strophe des Harreshäuser Liedes wird die „Schöne Eiche“ schon lange besungen. Ortsvorsteherin Heidrun Koch-Vollbracht trug sie am Samstagnachmittag beim Festakt zur Ausrufung des etwa 580 Jahre alten Naturdenkmals zum Nationalerbe-Baum vor. Dass die Eiche weit über die Harreshäuser Dorfgrenzen hinaus Bedeutung hat, wurde dann durch ganz andere Klänge deutlich. Als es zur feierlichen Enthüllung der Plakette und der Ausrufung durch Professor Dr. Andreas Roloff von der Deutschen Dendrologischen Gesellschaft kam, intonierte das Babenhäuser Blasorchester mit „Freude schöner Götterfunken“ die Europahymne.

Die Freude und auch der Stolz waren dem Professor an der Technischen Universität Dresden (Institut für Forstbotanik und Forstzoologie) anzumerken. Auch weil etwa 300 Besucher die Zeremonie verfolgten. „So viele hatten wir noch nie“, sagte der Baumforscher, der am Samstag zum 19. Mal diesen Akt zelebrierte. Der jüngsten Teilnehmerin kam dann auch eine besondere Ehre zuteil. Die 13 Monate alte Liana Roth stand im Mittelpunkt der Plakettenenthüllung. Sie wird die „Schöne Eiche“ wahrscheinlich einmal erben. Denn auch wenn schon viel geforscht und geschrieben worden ist über den Baum, waren es erst Roloffs Nachforschungen, die ans Tageslicht brachten, dass die Eiche in Privatbesitz ist. Und zwar der Harreshäuser Familie Roth. „Wir wussten, dass das Grundstück uns gehört. Aber nicht der Baum als Naturdenkmal“, erzählt Anja Roth, Mutter von Liana, die mit Simon Roth in die Familie eingeheiratet hat.
Bürgermeister Dominik Stadler: „Ein Sinnbild für Gemeinschaft“
Ein frei stehender Baum mitten auf dem Feld: „Das geht auf Dauer nicht gut“, hat „Nationalerbe-Baum“-Initiator Andreas Roloff am Samstag in seiner Laudatio gesagt. Die zahlreichen Blitzeinschläge und Stürme in den vergangenen Jahrhunderten haben an der „Schöne Eiche“ ihre Spuren hinterlassen. Deshalb sind vor einigen Jahrzehnten bereits die vier Linden um sie herum gepflanzt worden, um sie zu schützen. Ein Bild, das Bürgermeister Dominik Stadler gekonnt aufgriff. Es sei ein Sinnbild dafür, dass man es alleine oft nicht schaffen kann. „Das bekommen wir nur in Gemeinschaft hin“, sagte er beim Anblick der Baum-Gruppe auf dem Harreshäuser Feld. Ein Appell, den er auf die vielen anstehenden städtischen Herausforderungen bezog. Und am Ende des Festaktes auch auf die Bitte, die vorbereiteten Würstchen zu verzehren: „Ich habe keine Lust, die nächsten Woche nur Rindswürstchen essen zu müssen“, so Stadler. (nkö)
Mit den Roths wird die Zahl derjenigen, die sich um den Baum sorgen, noch größer. Denn neben dem „hauptverantwortlichen Pfleger“, namentlich die Untere Naturschutzbehörde des Landkreises Darmstadt-Dieburg, steigt nun eben auch die Deutsche Dendrologischen Gesellschaft mit ihrer Nationalerbe-Baum-Initiative mit ein. Ein Ziel: Viele 1000-jährige Bäume ermöglichen. Denn davon gibt es in Deutschland keine bekannten Exemplare, wie Roloff in seiner Rede anmerkte. Während es in England beispielsweise ganz viele existieren, sei auch die „typisch deutsche Gründlichkeit“, wie es der Experte zuspitzte, Schuld daran, dass es nur wenige viele Jahrhunderte alte Bäume hierzulande schaffen. Die „Verkehrssicherungspflicht“ und damit einhergehend das manchmal laienhafte Zurechtstutzen sei ein Faktor.

Die von der Eva-Mayr-Stihl-Stiftung finanziell unterstützte Initiative möchte mehr Uralt-Bäume in die Öffentlichkeit bringen und Menschen dafür sensibilisieren.
Geschützt vor der Öffentlichkeit begann allerdings die „Schöne Eiche“ zu wachsen. Denn in den ersten beiden Jahrhunderten war sie noch von einem schützenden Wald umgeben, wie Roloff in seinen Ausführungen berichtetet. Erst als Holz benötigt und ein Stück Wald gerodet wurde, kam der sonderbar gewachsene Baum zum Vorschein. Eine Mutation hatte dafür gesorgt, dass die Eiche nur aufrecht ragende Zweige ausbildete. „Sie war eine Sensation“, fasste es Roloff zusammen.
Die Mutter aller Säuleneichen
Eine Mutation hat dafür gesorgt, dass die „Schöne Eiche“ eher wie eine Pappel gewachsen ist. Sie entwickelte steil aufrecht wachsende Zweige. Diese eigenartige Wuchsform gefiel offenbar schon vor mehr als 200 Jahren vielen Menschen, sodass Ableger des Harreshäuser Baumes in ganz Europa eingepflanzt wurden. Sie gilt daher als die Mutter aller Säuleneichen/Pyramideneichen Europas. Sie war mal gut 30 Meter hoch, bevor Blitzeinschläge und Kronenabbrüche sie auf das heutige Maß von 16 Metern reduzierten. Der Stammumfang beträgt 4,80 Meter, das Alter ist etwa 580 Jahre. Zu ihrem Schutz sind vier Linden um sie gepflanzt worden, die gerade im Sommer die besondere Wuchsform der Eiche verbergen.
Die Initiative „Nationalerbe-Bäume“ der Deutschen Dendrologischen Gesellschaft hat es sich zur Aufgabe gemacht, den Anteil der Baum-Monumente in Deutschland zu vergrößern, sie zu schützen und zu pflegen. (nkö)
Und so wird die „Schöne Eiche“ schon seit Langem geschützt – und das, schon bevor sie 1909 zum Naturdenkmal und nun zum Nationalerbe-Baum wurde. Landrat Peter Schellhaas erzählte die Geschichte, dass während der Besatzung im 18. Jahrhundert ein französischer General eigens Soldaten zum Schutz abstellen ließ. (Norman Körtge)