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Raus aus der Opern-Schublade

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Ihre Musikvideos lädt Nicole Schmiedecke auf ihren Youtube-Kanal.
Ihre Musikvideos lädt die Langstädterin Nicole Schmiedecke auf ihren Youtube-Kanal. © zkn

Die Langstädter Sopranistin Nicole Schmiedecke hat in der Corona-Zeit den Pop für sich entdeckt und eine neue CD veröffentlicht.

Langstadt – Was macht man, wenn gar nichts mehr geht? Wenn von außen erzwungener Stillstand herrscht? Man seiner Leidenschaft nicht mehr wie gewohnt nachkommen kann? Dann macht man eben etwas anderes. Es klingt überzeugend, wenn Nicole Schmiedecke das sagt. Denn die Langstädter Sopranistin sagt das nicht nur, sie tat es auch. Als Corona ihren klassischen Liederabenden einen fetten Strich durch die Rechnung zog, entwickelte sie sich fort und konzentrierte sich auf die musikalische Nicht-Opern-Welt. Das Ergebnis: eine CD mit elf Evergreens aus Pop, Jazz, Musical und ein bisschen Oper, von „What a wunderful World“ bis „Memory“ aus Cats – interpretiert mit ihrer klassisch ausgebildeten Stimme.

Gar nicht so einfach diese bunte Mischung, wie Schmiedecke verrät. „Je nachdem, welche Stilrichtung man singt, braucht es eine andere Umsetzung, um ihr gerecht zu werden“, erklärt sie. Zum Verständnis: bei klassischen Liedern von Brahms oder Strauß hat der Interpret wenig Spielraum, der Klang hat einem gewissen Ideal zu entsprechen. Er ist klar und raumfüllend. Der Körper wird als Resonanzbereich genutzt, um den Ton groß und voll werden zu lassen. Ganz anders der freiheitsliebende Pop. „Da kann man Klänge ausprobieren und sich selbst finden“, so die 51-Jährige. Man darf ruhig mal rauchig, leise oder bewusst unschön singen – etwas, das ihre alte Stimmtrainerin nie erlaubt hätte. Typisch für Operngesang ist ein natürliches Vibrato, das Vibrieren durch kleine Frequenzänderungen um den angeschlagenen Ton. Pop dagegen kommt eher glatt und ohne derartige Schwankungen daher.

CD in Geschäften erhältlich

Verkauft wird die CD (zwölf Euro) von Nicole Schmiedecke in der Babenhäuser Buchhandlung Auslese, Fahrstraße 33, im Blumengeschäft „Blütensprache“ von Carmen Fleckenstein, Pestalozzistraße 4 in Münster, in „der buchladen“, Bahnhofstraße 18 in Seligenstadt, und im Friseursalon Haas, Aschaffenburger Straße 48 in Seligenstadt. (zkn)

„Singen ist in erster Linie Ausdruck von Emotionen. Die Gesangstechnik soll nur ein Mittel zur Umsetzung sein.“ Schmiedecke ist dankbar, dass sie während der Pandemie den Mut gefunden hat, neue musikalische Wege zu gehen. Wege, mit denen sie schon länger heimlich geliebäugelt habe. „Das bist total Du“, war eine Reaktion von Freunden auf ihre CD, die sie unheimlich freut. Viele Lieder sind auch auf dem nach ihr benannten Youtube-Kanal zu hören.

In die aktuellen Videos schleicht sich eine zweite Leidenschaft von Schmiedecke ein: ihre naive, ins Surrealistische gehende Ölmalerei. Bei „The greatest Love of All“ von Whitney Houston taucht ab und an eines ihrer Gemälde im Clip auf. Mal ist es eine Frau im rauschend roten Ballkleid, mal eine Seiltänzerin, die ein Rad über den Wolken schlägt. Ihr Mann und die beiden inzwischen erwachsenen Söhne sind stolz auf Frau und Mama und unterstützen sie. „Ich hatte bei Corona das große Glück, nicht wie andere von meiner Kunst leben zu müssen“, ist sie ehrlich. So konnte sie, so sehr es ihr leidtat, ohne finanzielle Nöte auch mit dem innig geliebten Gesangsunterricht für ihre sechs Schüler pausieren.

Apropos Unterricht: Sie selbst lernte – samt künstlerischer Reifeprüfung – bei Renate Wulfert-Höfgen, der Grande Dame für Opern- und Konzertgesang in Darmstadt. Von 2002 bis 2018. Mittlerweile singt Schmiedecke vier- bis fünfmal die Woche allein in ihrem Musikzimmer daheim. „Einfach, um mich fortzuentwickeln und meine eigenen Ansprüche zu erfüllen“, begründet sie.

Als Mitglied beim Seligenstädter Chor Contrapunkt kam Schmiedecke schon seit 2007 mit Jazz- und Pop-Arrangements in Berührung. Wenn sie den Chor nicht gerade mit ihrem Klassik-Talent unterstützte: Beim Konzert „Messias Barock & Soul“ vor fünf Jahren sang sie beispielsweise die Sopran-Solo-Arien, begleitet von der Kammerphilharmonie Seligenstadt.

Lange Zeit lag auf der Oper ihr Hauptaugenmerk. Der Titel „Alles Oper? Wer sagt denn sowas!“ ihrer CD ist also durchaus ein wenig herausfordernd gemeint, sie ab sofort nicht nur in der Opern-Schublade zu lassen. Denn nein, rein klassische Liederabende wird es nicht mehr geben, sagt sie. Und ja, klassische Stücke bleiben in ihrem Repertoire, nur eben nicht mehr ausschließlich. Jetzt will die musikalische Frau, die selbst „ganz ordentlich“ Klavier spielt, aber erst noch einen Pianisten finden, der sie in die neuen Musik-Sphären begleitet. (zkn)

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