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Totholz muss liegen bleiben

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Kostbar: Hier sprießt Nachwuchs. Wald hat nach wie vor auch eine wirtschaftliche Funktion.
Kostbar: Hier sprießt Nachwuchs. Wald hat nach wie vor auch eine wirtschaftliche Funktion. © zah

Babenhausen – Der Ausflug durch die heimischen Wälder Anfang Herbst hat in Babenhausen jahrzehntelange Tradition. Das Stadtparlament lädt ein, sachkundige Forstleute berichten - und zum schönen Abschluss kehren die Waldbegeher in der Reiterschänke ein, um sich mit heißer Suppe und Kaltgetränken zu stärken.

In den vergangenen Jahren trübten die Auswirkungen des Klimawandels die Berichte der Fachleute vom Dieburger Forstamt. Als sich am Samstag rund 40 Menschen auf die zweieinhalbstündige Tour aufmachen wird indes rasch klar: Der Blick der Forstleute auf „ihre Wälder“ ist ein differenzierter und Schwarzmalerei trotz mehrerer Extremsommer in Folge nicht angesagt.

Babenhausen ist reich an Wäldern: 2050 Hektar Wald besitzt die Stadt, hinzu kommt weitere Flächen in Privatbesitz. Damit ist Babenhausen die waldreichste Kommune im Landkreis Darmstadt-Dieburg und eine der führenden hessischen Kommunen. Insgesamt 5000 Hektar Wald des Landes Hessen und rund 10000 Hektar kommunale und private Wälder fallen in die Verantwortung des Forstamts Dieburg.

Schon innerhalb dieses kleinen Gebietes gibt es regionale Unterschiede. „In Babenhausen haben wir sehr sandhaltige Böden“, schickt Forstamtsleiter Sebastian Vocilka vorweg - der Raum um Babenhausen sei im Vergleich zu anderen Wäldern dennoch weniger arg betroffen von den Folgen der letzten Sommer. Als Negativbeispiel nennt Vocilka den Wald rund um Messel. Auch im Landkreis Offenbach seien viele Bereiche bei gleichen Bodenverhältnissen deutlich schlimmer betroffen. „Die Kiefer steht gut da“, so Vocilka, „die Buchen sterben hier allerdings auch massiv.“ Und die Eiche? Ist ein Überlebenskünstler, dem man unter dem Klimawandel gute Chancen einräumt. Das betrifft neben den einheimischen Stiehl- und Traubeneichen auch die nordamerikanische Roteiche, die hier seit Jahrzehnten gut gedeiht.

„Man hat schon vor 150 Jahren mit ausländischen Baumarten experimentiert“, berichtet Stefan Rickert, Bereichsleitung Dienstleistung/Hoheit bei Hessen Forst. Die Roteiche, unter deren Kronendach es dunkel ist, und hier folglich wenig wächst, „dient der Waldbrandprävention“, ergänzt Vocilka. Dort wo es knallt und raucht, an Truppenübungsplätzen etwa, wird sie gerne angepflanzt.

Dass man angesichts der vielen Waldbrände (der größte im Landkreis vernichtete vor kurzem 34 Hektar Waldfläche am Muna-Gelände bei Münster), den Waldboden quasi präventiv von Totholz befreit, hält Vocilka weder für praktikabel, noch für sinnvoll. „Durch die hohe Waldbrandgefahr hat man da zwar einen anderen Blickwinkel“, erklärt auch Kollege Rickert, doch das Aufräumen laufe den wichtigen Prozessen der Natur zuwider. Der Zersetzungsprozess von Totholz diene der Nährstoffverfügbarkeit, sei positiv für die Wasserspeicherung und binde gar klimaschädliches CO2.

Trotz aller Sorge um die Bäume haben Wälder auch eine wirtschaftliche Funktion. Nach einem heftigen Preiseinbruch auf dem Holzmarkt, sind die Holzpreise wieder kräftig gestiegen. „Wir pflegen die guten, gerade gewachsenen Bäume“, erklärt der Forstamtsleiter. Das wertvolle Stammholz wird für Möbel und im Bausektor verwendet, der Kronenbereich ist Industrieholz (Papier, Spanplatten, Holzpaletten, Brennholz). Die Vermarktung sei häufig regional, so Vocilka, („der Holztransport ist sehr umständlich“), deutsches Holz lande überwiegend auch bei deutschen Firmen. Trotz geschädigter Baumarten bis hin zum Absterben durch den Klimawandel, ist Naturverjüngung und Aufforstung rund um Babenhausen ein Thema, das die Natur selbst anpackt. Einen Extremsommer steckten die meisten Bäume gut weg, so der Forstamtsleiter, mehrere indes nicht. Aber: Die Folgen zeigen sich erst Monate später. Beim Waldrundgang 2023 lassen sich da wohl konkretere Aussagen machen, welche Folgen Hitze und Dürre aus 2022 haben.  zah

Waldrundgang mit Fachleuten (von links Sebastian Vocilka, Stefan Rickert): Rund 40 Kommunalpolitiker und interessierte Gäste gingen mit den Profis von Hessen Forst auf lehrreiche Tour.
Waldrundgang mit Fachleuten (von links Sebastian Vocilka, Stefan Rickert): Rund 40 Kommunalpolitiker und interessierte Gäste gingen mit den Profis von Hessen Forst auf lehrreiche Tour. © Ursula Friedrich

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