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Bei Bethesda wird die Pflege neu gedacht

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Mit einem Hybrid-Workshop – livehaftig und online – begann eine Veranstaltungsreihe von „Bethesda mobile Pflege“ in der Kulturhalle Schaafheim.
Mit einem Hybrid-Workshop – livehaftig und online – begann eine Veranstaltungsreihe von „Bethesda mobile Pflege“ in der Kulturhalle Schaafheim. © sr

Am Anfang steht ein kurzer Film: Pfleger Antonio meldet sich krank – und löst damit einen Tsunami kleiner Katastrophen aus.

Schaafheim/Babenhausen – Am Ende sind alle Beteiligten gestresst und unzufrieden: die Pflegefachkraft, die über ihr Standardprogramm hinaus noch eine ihr bislang unbekannte Tour fahren muss; die Kundin, die sich auf den ihr bekannten und mit allem vertrauten Pfleger gefreut hat; die Familienangehörige, die einen Termin absagen muss, weil sie ihre Mutter nicht einer unbekannten und mit den örtlichen Gegebenheiten nicht vertrauten Pflegerin überlassen kann.

Antonio ist als männliche Pflegefachkraft immer noch die Ausnahme – wie ein Blick in die Runde der Mitarbeitenden von „Bethesda mobile Pflege“ mit Stützpunkten in Babenhausen und Schaafheim in der dortigen Kulturhalle zeigt: Pflege ist weiterhin weiblich, unter den 20 Besucher ist gerade einmal ein Mann.

Daraus ergibt sich für die Mitarbeitenden ein Lebensprofil, in dem Kinder und Familie eine gewichtige Rolle spielen und schnell mal zu Verwerfungen führen können.

Die Veranstaltung „Pflegekräfte am Anschlag?“ ist der Start einer Reihe, mit der Bethesda-Geschäftsführer Tom Best neue Organisationsstrukturen zur Diskussion stellen will. Die Vorlage hat ein großer, freigemeinnütziger Pflegedienst in den Niederlanden geliefert, in dem die Mitarbeitenden in kleine Gruppen eingeteilt sind und ihre Arbeit weitgehend selbstständig organisieren.

Auch in Schaafheim werden jetzt nach dem Zufallsprinzip kleine Vierergruppen gebildet, nach den Farben der Schokoladentafeln sortiert, die zur Begrüßung aus einem verdeckten Korb gegriffen werden konnten. Aufgabe, für alle: Nach einem Faktencheck zu Film und selbst erlebtem Arbeitsalltag ein Storyboard für einen Film mit „Happy End“ entwerfen und dies auf großen Tafeln festhalten.

Fast überall taucht die Forderung nach einer größeren Personaldecke auf, zu der ein stets abrufbarer Bereitschaftsdienst gehört. Der Start in den Arbeitstag gelingt gewiss besser, wenn die Pflegekraft in Ruhe gefrühstückt hat – und wenn das Timing der Tour nicht zu formel-1-artigem Fahrstil zwingt. Überhaupt sollten die Touren mit dem Privatleben der Mitabeitenden abgestimmt werden. „Mancher steht gerne früh auf, der andere lieber etwas später.“

Die Verpflichtung zur Dokumentation ist überall Thema. Der Wunsch nach Zeiterfassungsgeräten bei jedem Kunden bleibt allerdings etwas einsam. Groß ist jedoch die Sehnsucht nach digitalen Geräten mit Spracheingabe, „die etwas größer sind als ein Handy“. Es soll auch mal Zeit sein, mit dem Kunden einen Kaffee zu trinken, und für die Teams wird ein „Miteinander auf Augenhöhe“ gewünscht.

Erste Ideen zu egalitären Strukturen zeichnen sich ab – etwa Teams mit integrierter Rufbereitschaft, nach einem 3:1-Arbeitszeitmodell: drei Wochen Tour, eine Woche Bereitschaft, bei vollem Grundgehalt. Personeller Ersatz sollte direkt abrufbar sein, ohne den Umweg über eine Leitung. Zu diesem Modell gehört auch: Jeder kennt jede Tour, auch wenn Neigungen und Abneigungen zu den Kunden in die Planung einfließen sollen. Möglicherweise mit Blick auf die Krankmeldung des virtuellen Antonio ist zudem der Gedanke festgehalten worden, dass Zufriedenheit im Team den Krankenstand senkt.

Bereits am morgigen Mittwoch soll mit dem nächsten Workshop ein Prozess fortgesetzt werden, an dessen Ende sich Best die Bildung von Teams wünscht, die ihre Arbeit in horizontaler, egalitärer Kommunikation selbst organisieren und so weitgehend ohne hierarchisch geordnete Administration auskommen. Dieser Arbeitsprozess wird weiter Hybridform, also auch Online-Zugänge haben. Beim Auftakt nutzten sieben Teilnehmende diese Option. Alle durften am Ende ihre Gedanken zum Thema in einem Begriff komprimieren. Aus den Tiefen des Netzes kam da auch: „Antikapitalistisches Pflegesystem“. (sr)

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