Wie Reihenhausbesitzer ausgebremst werden

Nicht nur über die Energiewende reden und diskutieren, sondern sie selbst gestalten – das hatte sich das Ehepaar Rita und Hubert Dirks aus Babenhausen fest vorgenommen.
Babenhausen - Ihr Plan: Das Dach ihres Reihenhauses in der Straßburger Straße in Babenhausen großflächig mit einer Fotovoltaikanlage bestücken und mit dem dadurch erzeugten Strom später ein E-Auto aufladen zu können. 17 Solarmodule hätten auf den Dach Platz gefunden, hatte ein auf die Installation solcher Anlagen spezialisiertes Unternehmen berechnet, das Hubert Dirks im vergangenen Jahr kontaktiert hatte. Rund 21 000 Euro sollte alles kosten, und die Dirks waren bereit zu investieren.
Doch die Reihenhaus-Eigentümer haben die Rechnung ohne die Hessische Bauordnung gemacht. Die schreibt einen Abstand von Modulen mit brennbaren Baustoffen von 1,25 Metern zum Nachbarhaus vor. Grund ist eben der Brandschutz. Der Abstand dürfe in Hessen nur geringer ausfallen, wenn dazwischen eine Brandmauer ist. Das ist bei den Reihenhäusern in der Straßburger Straße nicht gegeben. Statt der 17 wären somit nur acht Module erlaubt. „Das lohnt sich dann nicht mehr“, zeigt sich Hubert Dirks enttäuscht. Und noch viel mehr ärgert es ihn, dass die Politik viel zu langsam darauf reagiert. „Die Problematik zu den Abständen von Solaranlagen bei Reihenhäusern ist uns bekannt und es wird an einer Lösung gearbeitet“, hieß es im März in einer Antwort-Mail der Grünen im Hessischen Landtag an Dirks. Die Referentin verwies auf einen Erlass aus dem September 2020, der unter bestimmten Voraussetzungen – wie eben Brandwände – geringere Abstände zulasse. Auch sei es nun möglich, dass etwa von der Kreisbaubehörde Ausnahmen und geringere Abstände (50 Zentimeter) zugelassen werden könnten, wenn die Außenseiten und die Unterkonstruktion der Module aus nicht brennbaren Baustoffen bestehen, wie es bei sogenannten Glas-Glas-Modulen der Fall ist. Es sei geplant, diese Abweichungsentscheidungen im Zuge der nächsten Änderung in die Bauordnung zu übernehmen, damit eben keine Ausnahmen mehr erteilt werden müssen. Auf diese Regelung weist auch gut vier Monate später auf Anfrage unserer Redaktion ein Sprecher des Hessischen Ministeriums für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Wohnen hin.
Die Erfahrungen, die Dirks in der Zwischenzeit gemacht hatte, sind ernüchternd. Er habe das Gefühl, dass die zuständigen Behörden auf seine Nachfragen hin selbst nicht so genau wüssten, welche Unterlagen sie zum Genehmigen benötigen. Klar sei nur, dass dies für Dirks nur mit Mehraufwand und weiteren Kosten verbunden sein würde. Und Dirks Ärger wächst, wenn er auf andere Bundesländer blickt. So habe Baden--Württemberg schon längst seine Bauordnung angepasst.
Das er mit seinem Ärger nicht alleine ist, hat er bei seiner Recherche auf der Online-Plattform von Campact festgesellt. Dort gibt es die an die Bundesregierung gerichtete Petition mit dem Titel „Bundesweiter Wegfall der Mindestabstände für Fotovoltaik-Dach-Anlagen“. Fast 45 000 Bürger haben sie bereits unterzeichnet. „Den meisten Reihenhausbesitzern ist Stand heute die Installation einer wirtschaftlich sinnvollen Anlage nicht möglich“, heißt es dort. Um dies zu ändern, schlagen die Initiatoren vor, dass entweder das Bundesbauministerium Solaranlagen nicht mehr als Dachaufbauten deklariert, oder dass das Bundesbauministerium eine Ausführungsverordnung mit wegfallenden beziehungsweise erheblich reduzierten Abstandsregelungen beschließt. Damit würde dann Bundesrecht das Landesrecht brechen. In der Petition wird darüber hinaus eine Risikobewertung des Fraunhofer-Instituts zitiert, die die Brandgefahr als äußert niedrig bewertet.
Im Gespräch mit Nachbarn ist Hubert Dirks auf ein weiteres Abstandsproblem aufmerksam gemacht worden. Bei Wärmepumpen müsse ein Abstand von drei Metern zum Nachbarn eingehalten werden. Grund ist die Geräuschentwicklung. Dirks Reihenhaus ist etwa sieben Meter breit. Er müsste also das Gerät, wenn es überhaupt reicht, mittig vors Haus stellen. „Das macht doch keiner“, so Dirks.
Das zuständige Ministerium verweist auf Anfrage auch in diesem Fall darauf, dass Einzelfallentscheidungen mit geringeren Abständen möglich seien. „Gleichwohl ist der Landesregierung bewusst, dass die gegenwärtige Regelung in einzelnen Fällen Investitionen in Energieeffizienz und Klimaschutz erschwert. Derzeit wird intensiv diskutiert, wie sich eine Erleichterung am besten umsetzen lässt“, heißt es aus Wiesbaden.
Hubert Dirks kann allerdings mittlerweile diese Aussagen und Sonntagsreden der Politiker nicht mehr hören. Angesichts der in den vergangenen Monaten gestiegenen Kosten, ausgelasteter Handwerksbetriebe und Lieferengpässen, habe er sich innerlich bereits vom Mitwirken an der angestrebten Energiewende nahezu verabschiedet. (Norman Körtge)