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In Babenhausen gelten 23 Menschen als wohnsitzlos

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Von: Norman Körtge

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Das klassische Bild eines Obdachlosen, wie hier in Frankfurt, ist in Babenhausen so nicht zu sehen. Dennoch gibt es derzeit 23 Menschen, die als wohnsitzlos gelten und in städtischen Unterkünften untergebracht sind.
Das klassische Bild eines Obdachlosen, wie hier in Frankfurt, ist in Babenhausen so nicht zu sehen. Dennoch gibt es derzeit 23 Menschen, die als wohnsitzlos gelten und in städtischen Unterkünften untergebracht sind. © dpa/Boris Roessler

Es sind zwei mehr oder weniger große Aha-Erlebnisse, die Grünen-Fraktionsmitglied Bettina Mathes bewogen hat, die Situation von Wohnsitzlosen in Babenhausen zum Thema im Sozialausschuss zu machen.

Babenhausen - Zum einen empfand es die Sickenhöfer Ortsvorsteherin als unangemessen, dass die im vergangenen Dezember beschlossene neue städtische Obdachlosen-Satzung lediglich im Haupt- und Finanzausschuss beraten wurde, obwohl Umstände und Probleme, die zur Wohnsitzlosigkeit führen, auf die Agenda des Sozialausschusses gehören: „Wir wissen viel zu wenig darüber“, so Mathes. Zum anderen war es kurz danach eine persönliche Begegnung an Weihnachten, als sie beim Kirchgang in St. Josef auf einen bettelnden Osteuropäer traf, der offenbar keine Bleibe hatte: „Es ist kein Großstadtphänomen mehr“, meint Mathes.

Die Zahlen, die im Sozialausschuss von Max Grychta, Fachbereitsleiter „Sicherheit & Ordnung“ schließlich präsentiert wurden, gaben der Grünen-Politikerin recht. Demnach gelten derzeit 23 Menschen in Babenhausen als ungewollt obdachlos und sind von der Stadt untergebracht. Die meisten von ihnen in der städtischen Wohnanlage an der Aschaffenburger Straße gegenüber der Kaserne, wo derzeit 21 Wohnsitzlose ein Bett und ein Dach über dem Kopf haben. 13 abschließbare Wohneinheiten gibt es dort, von denen derzeit zwölf belegt sind. Dass Grychta dennoch lediglich von einer 60-Prozent-Auslastung sprach, habe damit zu tun, dass Wohnsitzlose lediglich ein Recht auf zehn Quadratmeter haben. „Wir können derzeit großzügig und sozial adäquat verteilen“, erklärte der Fachbereichsleiter. Einer der Bewohner lebe bereits seit 1988 dort.

Neben der Unterkunft an der Aschaffenburger Straße gibt es noch eine gemeindeeigene, leer stehende Einzimmer-Wohnung in Fahrstraße. Außerdem hat die Stadt schon seit Langem eine Privatwohnung an der Seligenstädter Straße angemietet, wo zwei Personen leben. Die weitere, aktuelle städtische Wohnsitzlosenstatistik: Von den 23 Personen sind sechs minderjährig und in Begleitung ihrer Eltern. Insgesamt sind es 14 Männer und neun Frauen.

Die Gründe für unfreiwillige Obdachlosigkeit sind vielfältig: Zwangsräumung wegen Mietrückständen, allgemein der angespannte Wohnungsmarkt, aber auch Suchtprobleme, umriss Grychta. Zunehmend sei festzustellen, dass unter den Wohnsitzlosen jüngere Menschen sind. Schwerpunkt seiner Präsentation waren die rechtlichen Hintergründe und eben die sachlich-fachliche Behördenperspektive.

„Ich glaube, der Bericht hat viele der Anwesenden für das Thema sensibilisiert“, meinte Mathes nach der Sitzung. Für sie gelte es nun, verstärkt den Landkreis mit seiner Fachstelle für Wohnungsnotfälle mit ins Boot zu holen und in den Sozialausschuss Leute einzuladen, die mehr über die Arbeit mit Wohnsitzlosen berichten können.

Zum Beispiel Vertreter der Kirchengemeinde wie Ferdinand Winter. Beim Pfarrer der katholischen Gemeinde St. Josef werden immer wieder Menschen vorstellig, die keine Bleibe haben. „Meist sind es Durchreisende, die nur für eine oder zwei Nächte etwas suchen“, sagt Winter. Im Gemeindehaus gebe es Art Notquartier mit Liege und Decke. Er wünsche sich in Babenhausen mehr Austausch und auch den Aufbau eines Netzwerkes zum Thema Obdachlosig- und Wohnsitzlosigkeit, das auch mal kurzfristig und schnell auf Notfälle reagieren könne.

Zu den Experten, die Mathes ebenfalls gerne einmal in den Ausschuss einladen möchte, gehören etwa Ulrich Freitag und Karsten Hülster vom in Dieburg ansässigen Verein Horizont. Er kümmert sich unter anderem um Obdachlose (Hülster: „Kein Dach über dem Kopf“) und Wohnsitzlose (Hülster: „Kein gültiger Mietvertrag“). Zweimal im Monat bietet der Verein in den Räumen der Babenhäuser Kinder- und Jugendförderung Sprechstunden an. „Unser Ziel ist es nach Möglichkeit, Wohnsitzlosigkeit zu verhindern, also präventiv tätig zu sein“, berichtet Hülster. Die Dunkelziffer sei hoch, da viele auch erst einmal bei Freunden oder Bekannten unterkommen. Einer der Gründe sei zweifellos das Fehlen von bezahlbaren Wohnraum. Daher sei mehr sozialer und bedingungsloser Wohnbau notwendig, sagt Freitag. Mit „bedingungslos“ meint er, dass allzu oft Wohnungssuchende etwa nach einer Schufa--Abfrage durch den potenziellen Vermieter aus dem Rennen sind. Daher auch eine klare Forderung: „Es muss ein Grundrecht auf Wohnen geben.“ (Norman Körtge)

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