„Der Narr war meine Lieblingsrolle“

Den Narren in „Was ihr wollt“ hat sie in Hanau schon gespielt, die Marthe Rull in Heinrich Kleists „Der zerbroch’ne Krug „, die Großmutter in „Rotkäppchen“ oder die Königinmutter in „Die Prinzessin auf der Erbse“. Seit 2016 gehört die in Hamburg lebende Schauspielerin Barbara Krabbe zu den festen Größen im Ensemble der Hanauer Brüder-Grimm-Festspiele.
Hanau - Und mehrfach war sie ganz dicht davor, den vom Verein zur Förderung von Kunst und Kultur verliehenen Darstellerpreis zu erhalten. In diesem Jahr ging an der gebürtigen Münsteranerin kein Weg vorbei. Am vergangenen Sonntag wurde sie vor der Inszenierung von „Brüderchen und Schwesterchen“ als diesjährige Preisträgerin beglückwünscht (wir berichteten). Kommenden Montag findet die Verleihung des mit 1000 Euro dotierten Preises im Amphitheater statt. „Wenn sie erscheint, gehört die Bühne ihr“, begründete Jurymitglied Helmut Goetze die Wahl.
„Das hat mich komplett überrascht“, bekannte Krabbe bei einem telefonisch geführten Gespräch mit unserer Zeitung. „Ich hatte dieses Jahr überhaupt nicht damit gerechnet“. Vermutlich deshalb, weil die Darstellerin aktuell nur in kleineren Rollen zu sehen ist: Sie spielt die Nachbarin und eine Heerführerin in „Brüderchen und Schwesterchen“ und die Frau Squenz und eine der Elfen im „Sommernachtstraum“.
„Da oben will ich auch mal stehen“, sagte sie schon als Kind
Doch die Jury um den Vorsitzenden Peter Jurenda hatte betont, dass Krabbe für ihr herausragendes Spiel seit 2016 und ihre zahlreichen eindrucksvollen Rollen geehrt werde. Auch in den Nebenrollen Sorge sie für Akzente, die die Inszenierung zum Leuchten brächten. Mit den Märchen schließt sich für die Wahlhamburgerin, die 2018 für ihre Rolle im Filmdrama „Der Goldene Handschuh“ bei den Filmfestspielen in Berlin mit dem Deutschen Schauspielpreis in der Sparte „Starker Auftritt“ ausgezeichnet wurde, ein Kreis. Schon als Neunjährige stand sie auf der Bühne.
„Damals ging ich gerne mit der Mutter zu den Märchenaufführungen in die Städtischen Bühnen in Münster“, erinnert sie sich an frühe Theaterbesuche, immer schick gekleidet mit weißen Strumpfhosen und schwarzen Lackschuhen. Jedes Märchen habe sie gesehen und beschlossen: „Da oben will ich auch mal stehen!“ Diesen Wunsch schrieb sie auf Kinderbriefpapier und bewarb sich beim Intendanten – mit Erfolg. „Meine größte Rolle war damals die des siebten Zwergs in Schneewittchen“, erinnert sich Krabbe lachend. Auch später, nachdem sie ihre Schauspielausbildung an der Folkwang-Universität der Künste in Essen/Werden und eine Gesangsausbildung in New York und Deutschland absolviert hatte, war die junge Schauspielerin in Märchen zu sehen wie Kalif Storch oder Aschenputtel.
2016 fürs Rotkäppchen vorgesprochen
Neben vielen Rollen zwischen klassischer Theaterliteratur und Musical, von denen ihr die der Maria Magdalena in Jesus Christ Superstar in Kassel oder „On the town“ mit John Neumeier an der Staatsoper Hamburg besonders wichtig waren, hat Krabbe in Film-und TV-Produktionen mitgewirkt, unter anderem im Tatort.
Nach Hanau gekommen ist die Schauspielerin, die Intendant Frank-Lorenz Engel flüchtig aus Hamburg kannte, als sie 2016 zum Vorsprechen für Jan Rademachers „Rotkäppchen“ in die Brüder-Grimm-Stadt eingeladen wurde. Krabbe kam, sprach und überzeugte: „Engel sah mich und meinte, ich könne doch auch den Narren spielen. Das war toll, denn da konnte ich auch singen“, sagt Krabbe, „der Narr in ‘Was ihr wollt’, der alles durchschaut und den anderen den Spiegel vorhält, war meine Lieblingsrolle in Hanau.“ Auch als Zwerg in „Schneeweißchen und Rosenrot“ habe sie sich sehr gut gefühlt. Und auch die kleineren Rollen in diesem Jahr gefielen ihr.
Als besonders bezeichnet sie den Zusammenhalt unter den Kollegen, das Miteinander hinter der Bühne, auch mit Kostüm und Maske. Krabbe spricht von einer wunderbaren Atmosphäre und einem tollen Team: „Ich fühle mich in Hanau sehr heimisch.“ Nur die Hitze mache die Doppelvorstellungen bisweilen extrem anstrengend.
Im kommenden Jahr kommt Krabbe wieder
Doch das Miteinander in einem Team, dem Kollegen zwischen 22 und 69 Jahren angehören, sei sehr erfrischend. Ans Aufhören denkt Krabbe, die eigentlich das Rentenalter schon erreicht hat, nicht: „Wenn man aufhört, wird man alt“, ist sie überzeugt. Ohnehin kann sie sich über mangelnde Angebote derzeit nicht beklagen. Nach den Festspielen in Hanau will sie erst einmal nach New York zu Freunden fliegen und Urlaub machen. Danach geht es auf Tournee mit dem Trauerspiel „ Stella“ von Goethe.
Hanau wird Barbara Krabbe im kommenden Jahr auf jeden Fall wiedersehen. Dann will sie, die schon häufig mit Chansons von Edith Piaf auf Tournee war, gemeinsam mit Vasily Dück musikalisch an Charles Aznavour erinnern. Dessen Chansons liegen ihr sehr, sagt die Frau, die gerne lacht, aber auch eine melancholische Seite hat. „Man weiß nie, was der Morgen bringt, darum: Carpe Diem, lebe den Tag!“
Von Jutta Degen-peters