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In zehn Sekunden am Telefon

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Heiko Wiedemann
Heiko Wiedemann © Jens Dörr

Die Zentrale Rettungsleitstelle Dieburg berichtet von ihrer Arbeit und reagiert auf Kritik. „Die Anspruchshaltung ist heute ziemlich groß“, heißt es.

Dieburg/Darmstadt-Dieburg – Wenn am Altstädter See das Telefon klingelt, dann ist die Lage nicht immer ernst. „Wir müssen unterscheiden, ob ein Fall was für den Rettungswagen oder den Notarzt ist oder auch nur für den Ärztlichen Bereitschaftsdienst“, sagt Heiko Wiedemann. Er ist stellvertretender Leiter der Zentralen Leitstelle des Landkreises Darmstadt-Dieburg, die neben dem Dieburger Feuerwehr-Stützpunkt untergebracht ist. Ein Team aus 25 Männern und zwei Frauen ist dort rund um die Uhr über die Notrufnummer 112 erreichbar. Schnell und zuverlässig, wie Wiedemann betont. Denn in den vergangenen Monaten, vor allem im Sommer, sah sich die Leitstelle immer mal wieder mit Kritik konfrontiert.

Wobei: Es waren vereinzelte Stimmen, die zudem selten gegenüber dem verantwortlichen Landkreis – wo das Rettungswesen direkt Landrat Klaus Peter Schellhaas (SPD) untersteht – geäußert wurden, sondern meist via Facebook. In einem „sozialen“ Netzwerk also, wo bekanntlich auch jede Menge Ungeprüftes und Zweifelhaftes in die Welt gesetzt wird, wenn der Tag lang ist. Dennoch ist es der Leitstelle, die im Landkreis die Einsätze von 17 Rettungswagen, vier Notarzt-Fahrzeugen, drei Krankentransportern, drei THW-Stationen und 76 Feuerwehren koordiniert, ein Anliegen, von ihrer Arbeit zu berichten. Transparenz, die Vertrauen bildet und die jüngst immer mal wieder geäußerten Vorwürfe als das entkräften soll, was sie aus Sicht der Leitstelle sind: unberechtigt.

Vor allem Aussagen über eine angeblich nicht immer gewährleistete Erreichbarkeit der Leitstelle nach dem Wählen des Notrufs machten die Runde. Starker Tobak, zählt hierzulande doch genau das zum Markenkern des Rettungswesens. „Immer mal wieder hören wir: Es dauert zu lange, bis wir rangehen“, nennt Wiedemann einen von zwei Vorwürfen. Und widerspricht: „Wir sind hier personell ausreichend besetzt und refinanziert. Unsere Telefonanlage hat sieben Plätze, von denen im Tagdienst vier und nachts zwei besetzt sind. Bei Unwetter-Lagen bereiten wir uns entsprechend vor. Wir sind spätestens in zehn Sekunden am Telefon.“ Sollte die Notrufnummer 112 aus technischen Gründen mal ausfallen, sei man auch über die normale Amtsleitung mit der Nummer z 06071 19222 erreichbar. „Auch diese Nummer sollte sich jeder einspeichern“, sagt Wiedemann, der derzeit wegen einer bis 2022 dauernden Fortbildung des Leitstellen-Chefs Matthias Maurer an der Front steht.

Vorgeworfen wurde der Leitstelle, deren medizinische Rettungsleistungs-Erbringer das Rote Kreuz, die Johanniter, die Malteser und der Arbeiter-Samariter-Bund sind, zudem der teils mangelnde Wille, einen der von Schaafheim bis Seeheim im Kreis stationierten Rettungswagen zu schicken. Hier kämpfe man mit einem generellen Problem, sagt Wiedemann: „Die Anspruchshaltung ist heute ziemlich groß. Das subjektive Empfinden des Anrufers ist manchmal ein anderes als das unserer Mitarbeiter am Telefon.“ Das sind durchweg Personen vom Fach: Rettungsassistenten, Notfall-Sanitäter, Gruppenführer der Feuerwehr.

Wiedemann selbst fing einst im Rettungsdienst an, absolvierte eine Feuerwehr-Ausbildung, ist seit 2007 hauptamtlich in der Leitstelle tätig. „Wir müssen am Telefon einschätzen, ob ein geschilderter Fall wirklich die Entsendung eines Rettungswagens oder gar eines separat fahrenden Notarztes rechtfertigt.“ Mitunter gingen Selbst- und Fremdwahrnehmung eines Leidens weit auseinander: „Manche rufen wegen fast nichts an“, berichtet Wiedemann. Weshalb seine Kollegen dann öfter auch auf die Möglichkeit eines eigenständigen Arztbesuchs oder abseits der Kernzeiten auf den Ärztlichen Bereitschaftsdienst verweisen. Schlicht eine Notwendigkeit, um die Infrastruktur für die wirklich ernsten Fälle zurückzuhalten: „Wir haben Ertrinkungsnotfälle, Säuglingsreanimationen und Herzinfarkte“, nennt Wiedemann Beispiele.

Trenne man seriös zwischen Notfall und jenen Leiden, die auch im normalen Versorgungssystem gelindert werden können, seien die Kapazitäten im Landkreis ausreichend, sagt Wiedemann – von Naturkatastrophen, bei denen beispielsweise die Feuerwehr nicht überall gleichzeitig Keller auspumpen kann, einmal abgesehen.

Ihre Aktivitäten dokumentiert die Zentrale Leitstelle genau: „Uns erreichen auf der Telefonanlage 18 000 Anrufe pro Monat“, berichtet Wiedemann. Dies entspricht mehr als 200 000 Anwahlen pro Jahr, wobei auch interne Anrufe durch Rettungsdienste und Feuerwehren mitgerechnet sind und nicht ausschließlich externe Anrufe der 112. Letztlich münden diese Anrufe in 50 000 Rettungs- plus 3 500 Feuerwehr-Einsätzen jährlich.

Nur in einem Teil der Fälle müssen also tatsächlich Einsatzkräfte losgeschickt werden. „Bei Beschwerden über Leitstelle und Rettungsdienst sollte man den direkten Kontakt mit der Leitstellen-Leitung, die auch als Träger des Rettungsdienstes fungiert, suchen“, rät Wiedemann. (Von Jens Dörr).

Blick in die Leitsstelle
Blick in die Leitstelle am Altstädter See in Dieburg. Dort gehen monatlich rund 18 000 Anrufe ein. © Jens Dörr

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