Ärger um weiten Schulweg: Dietzenbacherin will Sohn auf andere Grundschule schicken

Ein Junge aus Dietzenbach soll ab September auf die Astrid-Lindgren-Schule gehen. Seine Mutter ist davon gar nicht begeistert, doch das Schulamt blockt ab.
Dietzenbach – Zahlreiche Kinder und deren Eltern im Kreis Offenbach fiebern der nahenden Einschulung entgegen. Bei der Dietzenbacherin Kristina Sejdic, Mutter eines siebenjährigen Sohnes, machen sich dagegen Sorgen breit. Weil die zugeteilte Grundschule ihrer Meinung nach zu weit weg ist, hat sie Angst, ihren Job aufgeben zu müssen.
Die 30-Jährige wohnt mit ihrer Familie in einer Wohnung im Marktheidenfelder Weg. Ihr Sohn soll ab September die 1. Klasse der Astrid-Lindgren-Schule im Stadtteil Steinberg besuchen. Das gefällt der besorgten Mutter überhaupt nicht. „Der Schulweg ist mit 1,6 Kilometern zu weit, das kann mein Sohn nicht jeden Morgen alleine laufen“, bemängelt sie. Zwar gebe es eine Abkürzung entlang der S-Bahn-Gleise, die Sejdic jedoch für ihren Sohn als zu gefährlich einstuft. „Ich habe zu viel Angst, dass etwas passiert.“
Ihr Sohn sei nicht in der Lage, den knapp 25-minütigen Weg selbstständig zu Fuß zurückzulegen, zum Busfahren sei er noch zu ängstlich. Daher möchte Sejdic ihr Kind jeden Morgen persönlich zur Schule begleiten, doch sie selbst besitzt keinen Führerschein. Ihr Mann muss bereits um fünf Uhr auf der Arbeit sein, und auch die Großeltern des Jungen scheiden aufgrund ihrer Erwerbstätigkeit aus. Bleibt also nur der Weg zu Fuß. Dabei kommt ein weiteres Problem zum Vorschein.
„Ich muss spätestens um halb neun bei der Arbeit erscheinen“, schildert die Mutter. Die künftige Schule ihres Sohnes liege jedoch in entgegengesetzter Richtung, was Sejdics Arbeitsweg auf über eine Stunde verlängern würde. Ihren Jungen sicher abzuliefern und anschließend rechtzeitig bei ihrer Arbeit zu sein, sei unmöglich.
Alles Gründe, weshalb Sejdic ihren Sohn lieber auf die deutlich näher gelegene Aue-Schule – rund 900 Meter von Sejdics Wohnung entfernt – schicken möchte. Einen Antrag dafür habe sie gestellt, dieser sei – trotz Schilderung ihrer misslichen Lage – abgelehnt worden. Und auch beim Schulamt sei sie mit ihrem Anliegen abgeblitzt. „Es hieß nur, dass der Schulweg für einen Erstklässler zumutbar wäre und daher kein Grund für einen Wechsel besteht“, schildert die Dietzenbacherin. Die Mutter ist verzweifelt, fühlt sich im Stich gelassen. „Ich verstehe nicht, warum mein Sohn so weit laufen soll, wenn wir auch eine Schule in der Nähe haben.“
Susanne Meissner, Leiterin des staatlichen Schulamts für Stadt und Kreis Offenbach, weiß, dass ein solcher Fall keine Seltenheit ist. „Der Kreis legt für jede Grundschule ein bestimmtes Einzugsgebiet, sogenannte Bezirke, fest“, erläutert die Fachfrau und ergänzt: „Je nachdem, in welchem Bezirk ein Kind wohnt, wird es automatisch der zuständigen Schule zugeteilt.“ Dabei spielt es zunächst keine Rolle, ob eine andere Einrichtung womöglich näher gelegen ist.
Denn bei Vergabe der Einzugsgebiete gehe es primär darum, die Auslastung der jeweiligen Schulen gemäß ihrer Größe sicherzustellen, sagt Meissner. „In einer Stadt mit Hochhäusern, in denen sehr viele Kinder leben, kann es sogar vorkommen, dass Schüler aus derselben Straße unterschiedlich zugeordnet werden“, sagt sie.
Sejdics Vorhaben, ihren Sohn auf eine andere Schule zu schicken, rechnet Meissner keine guten Chancen aus – sie verweist auf die gesetzlich geregelten Vorgaben bezüglich des Schulweges. Dieser gilt demnach erst ab einer Länge von mehr als zwei Kilometern als nicht mehr zumutbar. „Dann muss der Schulträger den Transport gewährleisten, etwa in Form eines Schulbusses“, erläutert Meissner. Die Entfernung allein stellt keinen rechtsgültigen Grund für einen Wechsel dar. „Es kommt auch immer darauf an, wie selbstständig ein Kind erzogen ist“, gibt die Amtsleiterin zu bedenken und empfiehlt, die Strecke möglichst frühzeitig mit dem Jungen zu üben. „Das gibt Sicherheit, um den Weg in Zukunft auch alleine bewältigen zu können.“ Zudem bestehe die Möglichkeit, eine Fahr- oder Laufgemeinschaft zu bilden.
„Ich kann verstehen, dass sich Eltern fragen, warum ihr Kind nicht auf eine näher gelegene Schule gehen kann“, sagt Meissner. „Die strenge Unterteilung in Einzugsgebiete ist jedoch notwendig, um eine reibungslose Organisation der Beschulung zu ermöglichen.“ Für Sejdic ist das nur ein schwacher Trost, sie denkt darüber nach, ihren Job zu kündigen. „Ich weiß nicht, was ich sonst machen soll.“ (Jan Lucas Frenger)