Angst vor neuem Brennpunkt

Kleines Bauvorhaben, große Diskussion in Dietzenbach: Auf der Grünfläche in der Nähe des Rathauses zwischen dem Parkplatz und der Vitos-Tagesklinik könnte ein noch zu bestimmender Investor ein Gebäude mit etwa 20 bis 30 Wohnungen errichten.
Dietzenbach – Einziehen sollen Mieter mit einem sogenannten mittleren Einkommen nach den Kriterien des Landesprogramms „Soziale Mietraumförderung – mittlere Einkommen“. Indes stellte sich bereits bei der ersten Diskussion einer entsprechenden Magistratsvorlage im Bauausschuss heraus, dass unter den Fraktionen alles andere als Übereinstimmung darüber herrscht, wie das Grundstück mitten in der Stadt bebaut werden soll und wer schlussendlich einziehen könnte. Zu einer Abstimmungsempfehlung konnten sich die Stadtverordneten nicht durchringen.
Die Beschlussvorlage legt dar, dass sich ein eventueller Bauträger zu bestimmten Vorgaben verpflichtet, auch wenn er eine Förderung durch das Landesprogramm nicht in Anspruch nimmt. So dürfen ausschließlich Mietwohnungen gebaut werden, die er selbst verwalten muss. Ihr „mittleres Einkommen“ müssen die Wohnungssuchenden mit einem Wohnberechtigungsschein nachweisen, dabei liegt die Einkommensgrenze für einen Einpersonenhaushalt bei 19 621 Euro im Jahr, für einen Zweipersonenhaushalt bei 29 768 Euro, pro Kind erhöht sich die Grenze um 650 Euro jährlich.
Darüber hinaus unterliegen geförderte Wohnungen 25 Jahre lang einer Belegungs- und Mietpreisbindung. Zum Einzug muss sich die Miete am ortsüblichen Vergleich abzüglich 15 Prozent orientieren. Sollten Fördermittel beantragt werden, muss sich die Kommune an der Finanzierung beteiligen. Aufgrund der Mitgliedschaft im „Großen Frankfurter Bogen“, der Landesinitiative für sozialen Wohnraum, kann Dietzenbach allerdings dafür ein Förderdarlehen nutzen.
Weniger diesen Sachvorgaben als eher den künftigen Bewohnern widmete sich die Diskussion im Ausschuss. So wies etwa Christoph Mikuschek (CDU) darauf hin, dass ein ursprünglicher Beschluss der Stadtverordneten vorgesehen hatte, den Platz höherwertiger und mit einem städtebaulichen Highlight zu vermarkten. „Haben wir denn aus der Vergangenheit nichts gelernt?“, fragte er und verwies auf das Spessartviertel und die Richter-Wohnanlage. „Und jetzt planen wir das dritte Quartier, bei dem wir in 15 Jahren vielleicht nicht mehr Herr der Lage sind“, befürchtete Mikuschek und empfahl, eher Quoten für sozial geförderten Wohnraum bei Neubauten festzulegen. Auch Sven Hartmann (FDP) äußerte Bedenken hinsichtlich der zukünftigen Mieterstruktur. „Der Begriff mittleres Einkommen ist ein Euphemismus, wir haben sowieso schon ein Problem in der Stadt und dann verschlechtern wir die Situation auch noch.“
„Den ursprünglichen Beschluss haben wir im November des letzten Jahres geändert“, korrigierte dagegen Bengü Karakuz (SPD). Außerdem sei solch ein kleines Bauvorhaben keineswegs mit einer Siedlung wie dem Spessartviertel vergleichbar. „Der Wohnungsmarkt in Dietzenbach ist sehr angespannt und außerdem haben wir in der letzten Zeit auch einige hochwertige Projekte entwickelt“, sagte sie. Ebenso wies Bürgermeister Dieter Lang (SPD) darauf hin, dass sich die Zielsetzung des Projektes geändert habe. „Die Zeiten sind anders und die Beschlussvorlage ist sozialer und deutlich ökologischer geworden“, betonte er.
Die Diskussion mache ihn sprachlos, stellte Ahmed Idrees (SPD) schließlich fest. Die Vorlage bediene nicht etwa, wie behauptet, gewisse Bevölkerungsgruppen. Vielmehr sei es dringend notwendig, Tätigen in der Pflege, im Erziehungsbereich oder bei der Polizei bezahlbaren Wohnraum zu beschaffen. Allerdings wies Gabi Guddat, Abteilungsleiterin Stadtentwicklung, darauf hin, dass gerade diese Einkommensbezieher aufgrund einer zu hohen Besoldung nicht unter die Förderung fallen. „Wir haben das geprüft und zumindest, wenn es sich um eine Einzelperson handelt, liegt sie in diesen Berufen über der Einkommensgrenze und dürfte nicht einziehen“, teilte sie mit. Grundsätzliche Bedenken gegenüber dem gesamten Projekt äußerte Sandra Homberg, Fachbereichsleiterin Bau und Kultur: „Es ist fraglich, ob wir überhaupt einen Investor finden, in der vorgegebenen Spanne kann wahrscheinlich niemand bauen“, sagte sie. (Barbara Scholze)