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Beim Segeln und in der Politik die Ruhe bewahren

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Von: Niels Britsch

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Mit der regionalen Heimatzeitung und einer Segler-Zeitschrift auf der Terrasse: Landrat Oliver Quilling legt Wert auf einen geregelten Tagesablauf und auf gemeinsame Mahlzeiten mit seiner Frau Andrea.
Mit der regionalen Heimatzeitung und einer Segler-Zeitschrift auf der Terrasse: Landrat Oliver Quilling legt Wert auf einen geregelten Tagesablauf und auf gemeinsame Mahlzeiten mit seiner Frau Andrea. © Britsch

Oliver Quilling empfängt den Besucher so, wie man den Landrat aus der Öffentlichkeit kennt: im Anzug. Das Sakko hat er allerdings ausgezogen und die Hemdsärmel hochgekrempelt.

Neu-Isenburg – Ob man ihn denn auch in Jeans oder gar Jogginghose antreffen könne? „Normalerweise ziehe ich mir sofort die Jeanshose an, wenn ich daheim bin.“ Heute habe er allerdings noch Termine, sagt er fast entschuldigend, als Nächstes steht ein Besuch in der marokkanischen Gemeinde zu einer Impfaktion auf dem Programm.

Der Rasen ist gestutzt, Küche, Wohnzimmer, Terrasse und Garten sind aufgeräumt – auf den ersten Blick sieht es so aus, wie man es bei einem CDU-Landrat erwarten würde: sauber und ordentlich. Löwenzahn und Gänseblümchen auf der Wiese sowie Unkraut zwischen den Pflastersteinen auf der kleinen Terrasse zeigen aber, dass auch der Landrat die Pflege seines Außenbereichs nicht übertreibt. Das Mähen übernimmt ohnehin inzwischen ein Roboter. „Meine Frau hat das immer gemacht, und weil ich so ein schlechtes Gewissen hatte, haben wir und einen Mähroboter angeschafft.“

Aus Neu-Isenburg nie weggezogen

Oliver Quilling ist ein echter Isenburger Bub: Zwar ist er in einem Offenbacher Krankenhaus geboren, aber in Neu-Isenburg aufgewachsen und zur Schule gegangen. Sein gesamtes Leben wohnt der 56-Jährige nun schon in der Hugenottenstadt. Da hat er sich auch früh an den Fluglärm gewöhnt: „Ich bin damit groß geworden und kenne es nicht anders“, erzählt er. „Ich merke es gar nicht mehr.“ Dabei sei es früher noch lauter gewesen, vor allem während der Kuwait-Krise, als die Amerikaner ständig hier drüber geflogen sind.“

Aus Neu-Isenburg ist er nie weggezogen. Auch wegen seines kommunalpolitischen Engagements sei er schon früh ortsgebunden gewesen, erzählt Quilling. Denn bereits mit 18 Jahren schloss er sich den Christdemokraten an, den Eintritt in die Partei bezeichnet er als „eine sportliche Trotzreaktion“: Er habe sich schon immer für Politik und Geschichte interessiert und als ein Schulkamerad ankündigte, der SPD beizutreten, habe er sich schnell der CDU angeschlossen. Ein „Schlüsselerlebnis“ sei damals im Jahr 1983 die Neuwahl des Bundestags und die „Umbruchstimmung“ gewesen. Ein politisches Vorbild habe er nicht gehabt, erzählt Quilling. Er überlegt kurz, dann fällt ihm doch noch jemand ein: „Walter Wallmann habe ich für seine liberale Haltung bewundert.“

Mit 30 Jahren Bürgermeister in Neu-Isenburg

Bei seiner ersten Mitgliederversammlung erlebte er dann einen sehr zerstrittenen Ortsverband. „Die CDU Neu-Isenburg stand kurz vor einer Parteispaltung.“ Abgeschreckt hat ihn das nicht, denn 1989 wird er Stadtverordneter und 1991 übernimmt er den Parteivorsitz in seiner Heimatstadt. „Meine berufliche Laufbahn wäre anders verlaufen, wenn ich damals nicht gefragt worden wäre, ob ich für den Vorstand kandidieren möchte.“ Parallel studiert er Jura, ab 1993 arbeitet er als Anwalt in einer Kanzlei. Doch schon 1995 folgt er erneut dem Ruf aus der Politik und lässt sich als Bürgermeisterkandidat seiner Partei nominieren. „Ich dachte mir: Du hast ja nichts zu verlieren.“ Er bezeichnet es als „Fügung“, dass der damalige CDU-Bürgermeister aufhörte. „Einen politischen Werdegang kann man nicht planen, etwas Glück gehört auch dazu.“

Der damals 30-Jährige wird prompt gewählt, die Konkurrenten der anderen Parteien sind chancenlos, er wird jüngster Bürgermeister Hessens. „Das war sicher ein deutlicher Bruch“, erzählt er. „Mein Vorgänger war über 60 Jahre alt, ein integrer, gebildeter Mann mit staatstragendem Auftreten und dann kommt da so ein 30-Jähriger ...“ Angangs habe er schon manchmal den Eindruck gehabt, dass manch einer ihn wegen seines Alters nicht ernst nahm. „Gleichzeitig hatte ich aber das Gefühl, dass ein Großteil der Neu-Isenburger Bevölkerung hinter mir steht“, sagt er rückblickend.

Oliver Quilling: „Das Überparteiliche sollte man sich bewahren“

In politischen Debatten bleibt er meist sachlich und ruhig, was auch mit seiner Vorstellung der Amtsführung zusammenhängt: „Das Überparteiliche sollte man sich als Bürgermeister oder Landrat bewahren.“

Deswegen habe er es auch immer vermieden, in politischen Auseinandersetzungen polemisch zu werden: „Man kann sich in dem Amt nicht gehenlassen und sich benehmen wie der Vorsitzende der Jungen Union“, sagt Quilling, der selbst einmal den Jugendverband der CDU leitete. Auch im Wahlkampf verzichtet er auf persönliche Angriffe und möchte respektvoll bleiben: „Ich habe den politischen Mitbewerber nie als Gegner betrachtet.“ Was ihn in politischen Debatten allerdings ärgere, seien falsche Unterstellungen, ansonsten könne er mit politischen Verbalattacken gut umgehen: „Die Opposition muss ja auch mal gegenhalten.“

Landrat im Kreis Offenbach und Segeln auf dem Bodensee

Was für den Umgang mit politischen Angriffen und Turbulenzen gilt, ist für ihn auch eine wichtige Eigenschaft bei seinem größten Hobby, dem Segeln: „Auch dort muss man die Ruhe bewahren.“ Schon mit 15 Jahren habe er seinen Segelschein gemacht und anschließend als Segellehrer ausgeholfen. Noch heute segelt Oliver Quilling in Urlauben mit seiner Frau über den Bodensee. Ansonsten versuche er, in seiner Freizeit regelmäßig zu laufen, außerdem nehme er gerne die Kulturangebote – vor allem musikalische – in der Region wahr. „Das ist etwas, das ich in den letzten anderthalb Jahren vermisst habe.“ Früher habe er auch noch selbst Saxofon gespielt – sogar als Mitglied in einer Bigband, erzählt er. „Ich besitze es noch, habe es aber seit Jahren nicht mehr in der Hand gehabt.“ Am liebsten höre er Jazz, „schon in jungen Jahren, das hat nicht jeder verstanden“. Doch auch für Queen oder Supertramp kann sich der Landrat begeistern. Musikalisch geprägt hat ihn seine Mutter, die Klavierlehrerin war. Im Wohnzimmer der Quillings steht auch noch ein Klavier, mehr als ein paar Akkorde könne er jedoch nicht spielen, räumt der Landrat ein.

Kulinarisch bevorzugt Quilling eine Mischung aus mediterran und hessisch: „Leichte Mittelmeerküche esse ich gerne, es dürfen aber auch Rippchen mit Kraut sein.“ Dementsprechend freut er sich auch über das Angebot in Neu-Isenburg: „Wir haben hier viele gute Italiener oder auch Apfelwein-Gaststätten.“ Und Frankfurter Würstchen seien früher der Standard auf Kindergeburtstagen gewesen, „die mag ich immer noch“.

Landrat des Kreises Offenbach: Gymnastik zum Aufstehen

Trotz seines Berufs voller Termine versuche er, einen geregelten Tagesablauf zu haben: „Das gemeinsame Frühstück und Abendessen ist uns wichtig.“ Die Zubereitung der Speisen überlässt der Landrat dann allerdings eher seiner Gattin Andrea, denn kochen könne er nicht, gibt er unumwunden zu. „Wenn meine Frau sagt, was ich machen soll, helfe ich auch mit. Aber ich brauche da einen konkreten Auftrag.“ Zur geregelten Tagesstruktur gehört für Quilling auch das frühe Aufstehen, um 6 Uhr klingelt der Wecker, dann beginnt der Landrat den Tag mit ein paar Gymnastikübungen. „Seit ich vor drei Jahren beim Anziehen vor einem Termin einen fürchterlichen Hexenschuss bekam, mache ich das jeden Morgen 15 bis 20 Minuten.“

Frühaufsteher sei er schon immer gewesen, bereits als Kind habe er seine Brüder damit genervt. In der Adventszeit sei dann auch mal der Weihnachtsbaum seinen morgendlichen Aktivitäten zum Opfer gefallen und umgekippt, erzählt Quilling, der der mittlere von drei Brüdern ist. Obwohl der Vater starb, als der kleine Oliver erst sieben Jahre alt war, beschreibt er seine Kindheit als glücklich: „Unsere Mutter und die Oma haben versucht, das auszugleichen, und wir Brüder hatten einen sehr guten Zusammenhalt.“

Doch hat der Landrat auch noch andere schlechte Angewohnheiten außer morgens den Weihnachtsbaum umzustürzen? Auskunft darüber kann am ehesten seine Frau Andrea geben, mit der er seit 2005 verheiratet ist. Zu dieser Frage muss die Gattin dann auch nicht lange überlegen: „Dass er immer alles verlegt, und dann hektisch danach sucht.“ Ganz so ordentlich und penibel scheint auch der CDU-Landrat nicht zu sein. (Niels Britsch)

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