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„Keiner will ins Heim“: Bericht zur städtischen Seniorenarbeit in Dietzenbach präsentiert

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Von: Barbara Scholze

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ARCHIV - 16.06.2021, Niedersachsen, Nienburg: Die Hand einer Pflegefachkraft liegt auf der Hand einer Bewohnerin des Seniorenheims «Mein Zuhause Nienburg». Zur Qualität der Pflegeheime stellen die meisten Bundesländer den Verbrauchern nach einer Studie der Bertelsmann Stiftung keine Informationen bereit - in Niedersachsen ist dies gesetzlich nicht vorgesehen. (Zu dpa: «Studie: Infos zur Qualität von Pflegeheimen fehlen in vielen Ländern») Foto: Sina Schuldt/dpa +++ dpa-Bildfunk +++
Die Seniorenarbeit in Dietzenbach benötigt laut eines Berichts von Sachgebietsleiterin Kirsten Wolf mehr Beachtung. © Sina Schuldt (dpa)

Im Dietzenbacher Sozialausschuss präsentiert Sachgebietsleiterin Kirsten Wolf ihren Bericht zur städtischen Seniorenarbeit. Ihr Fazit: Es gibt viel zu tun.

Dietzenbach – Den Lebensabend in der gewohnten Umgebung verbringen zu dürfen, selbst wenn Körper und Geist nicht mehr ganz so auf der Höhe sind – das wünschen sich wohl die meisten Menschen. Dass es aber gar nicht so einfach ist, die entsprechenden Strukturen zu schaffen, zeigt ein Bericht zur städtischen Seniorenarbeit auf, den Sachgebietsleiterin Kirsten Wolf nun den Mitgliedern des Sozialausschusses zur Kenntnis gab. Einer der Knackpunkte: Gebraucht wird ein Umdenken – auch der Politik – in der Gewichtung der Arbeit vor Ort.

„Neben einer bedarfsgerechten Ausstattung mit Kindergarten- und Betreuungsplätzen müssen wir auch beständig die Versorgung der Älteren weiterentwickeln“, appellierte Wolf. Jugend- und Altenarbeit gehörten heutzutage auf Augenhöhe, denn: „Es geht schon lange nicht mehr nur um die Vereinbarkeit von jungen Familien und Beruf, es geht vielmehr auch um die Versorgung der Großeltern.“

Seniorenarbeit in Dietzenbach nicht auf Augenhöhe mit Jugendarbeit

Rund 80 Prozent der Älteren mit einem Pflegegrad würden von Angehörigen gepflegt, gut die Hälfte engagiere sich dabei sogar ohne die Beteiligung eines Pflegedienstes. Indes sei Augenhöhe oft nicht in Sicht, das beweise sich schon an den Vorgaben: „Der Jugendhilfeplan ist Gesetz, der Altenhilfeplan nur ein Kann-Angebot“, teilte Wolf mit. Dass trotz aller Widrigkeiten Seniorenarbeit in Dietzenbach aber schon jetzt viel mehr ist als die durchaus berechtigen Kaffeekränzchen, zeigte die Seniorenarbeiterin im Verlauf ihres Vortrages auf: War die Abteilung 2021 mit acht Stellen besetzt, ist es nun eine halbe Stelle mehr. So erhalten Interessenten, die sich an das Team in der Siedlerstraße wenden, neben individueller Beratung zur Wohn-, Betreuungs- oder Finanzsituation handfeste Unterstützung:

Eine Gemeindepflegerin führt präventive Hausbesuche durch, dabei liegt ihre Aufgabe nicht in der Pflege, vielmehr kann sie den Unterstützungsbedarf abklären und Hilfe auf den Weg bringen. Eine Maßnahme, die von vorneherein die Chance stärken soll, den letzten Lebensabschnitt in den eigenen vier Wänden zu verbringen.

Seniorenarbeit in Dietzenbach: Strukturen müssten ausgebaut werden

„Keiner will ins Heim“, betonte Wolf mehrfach. Den Wunsch nach dem dauerhaften Zuhause zu respektieren, bedeute aber auch, die Strukturen auszubauen und Perspektiven zu schaffen. Der Bedarf sei schon lange da und werde eher noch steigen. „Die Zahl der Demenz- und Alterserkrankungen wird beständig größer, was auch ein Mehr an Altersarmut mit einem hohen Frauenanteil mit sich bringt.“

Eine weitere Maßnahme ist der ehrenamtliche Helferkreis. Die entsprechend Ausgebildeten bieten Unterstützung im Alltag, sind für Spaziergänge da, gehen einkaufen oder erledigen kleinere Haushaltstätigkeiten. Darüber hinaus seien auch die vielfältigen Gruppen und Kurse mit Bildungs- und Veranstaltungscharakter selbstverständlich. Es gelte, Begegnungsmöglichkeiten zu schaffen, auch um Vereinsamung vorzubeugen.

Fachgebietsleiterin Wolf: Seniorenarbeit „hat soziokulturelle Auswirkungen“

Das alles reiche aber nicht, vor allem mit Blick auf die zukünftige Bevölkerungsentwicklung. Auf Nachfrage sagte Wolf, dass es schwer sei, Alter überhaupt zu definieren. Da gebe es den fitten Über-90-Jährigen, der mit dem Fahrrad durch die Stadt fahre, ebenso wie den gebrechlichen 60-Jährigen. „Ein humorvoller Spruch sagt, dass in der Regel diejenigen alt sind, die zehn Jahre älter sind als wir selbst.“ In diesem Sinne müsse an der Seniorenarbeit gearbeitet werden. „Die Altenarbeit hat für uns als Stadt viele soziokulturelle Auswirkungen“, stellte Wolf fest.

Der Bereich müsse interdisziplinär betrachtet werden, er betreffe in seiner Entwicklung etwa auch die Themen Städtebau und Mobilität. „Wir brauchen etwa mehr Tagespflegeplätze, müssen die Betreuungsdienste ausbauen und alternative Wohnformen entwickeln.“ Ebenso sollten bei allen Maßnahmen auch immer die Angehörigen oder Zugehörigen mitbedacht werden. Eine große Aufgabe liege weiterhin in den kultursensiblen Projekten. Wolf betonte: „Dietzenbach hat eine große Diversität in der Bewohnerschaft und eine ebenso große Vielfalt in der Seniorenarbeit.“ (Barbara Scholze)

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