1. Startseite
  2. Region
  3. Dietzenbach

Besuch des Pfarrers

Erstellt:

Von: Lisa Schmedemann

Kommentare

Feierliche Messdiener: Bilant Dursun (links) und Musa Savci begleiten den Weihnachtsgottesdienst der syrisch-orthodoxen Gemeinde in St. Maria.
Feierliche Messdiener: Bilant Dursun (links) und Musa Savci begleiten den Weihnachtsgottesdienst der syrisch-orthodoxen Gemeinde in St. Maria. © liz

In frischen Farben schaut der Gottessohn in den Kirchensaal hinab, neben ihm prangt das Vaterunser in aramäischer Schrift und Sprache. Einzig das Taufbecken fehlt noch – dann sind die Renovierungsarbeiten der Innenräume des ehemaligen Hildegardishauses (Am Steinberg 88-90) abgeschlossen.

Dietzenbach – Die syrisch-orthodoxe Gemeinde, die das Gotteshaus vor rund einem Jahr übernommen und in St. Maria umbenannt hat, blickt zufrieden auf die vergangenen Monate zurück. Die großen Wandgemälde sind im September fertiggestellt worden. „Jetzt kann Weihnachten kommen“, sagt Gemeindevorsitzender Bilant Dursun.

Anders als für die katholischen oder protestantischen Mitbürger ist das Programm der aramäischen Christen an Heiligabend überschaubar. „Man trifft sich mit der Familie, es wird auch eine kleine Abendmesse geben“, erläutert Messdiener Musa Savci. Der Höhepunkt des Festes ist bei den syrisch-orthodoxen Gläubigen der 25. Dezember. Dursun beschreibt: „Die Weihnachtsmesse beginnt um acht Uhr morgens und geht dann drei Stunden.“

Eine Besonderheit ist, dass der Pfarrer John Maksso zusammen mit den Messdienern mit Weihrauch einmal um die Kirchengänger zieht. Dabei sorgen zwei Stäbe, an deren Ende eine Metallplatte mit Glöckchen sitzt, für die akustische Untermalung. „Den Leib Christi backt unser Pfarrer sogar selbst“, erzählt Dursun, während er das Weihrauchfass für die Messe vorbereitet. Dazu habe er sogar eine Form, die ein Kreuz auf die kleinen Fladenbrote stanzt.

Rund 50 Familien kommen am ersten Weihnachtsfeiertag zusammen. Die Personenanzahl ist dann ein Vielfaches davon, aber es sei üblich, in dieser „Maßeinheit“ zu rechnen. Denn die Familie hat einen hohen Stellenwert in der Gemeinde, deren Mitglieder hauptsächlich in Rodgau wohnen.

Ist die Weihnachtsmesse vorüber, beginnt der Trubel des Tages: Die Familien machen sich dann sofort daran, zu Hause alles vorzubereiten – denn Pfarrer Maksso wird jedem Haushalt einen Besuch abstatten und das Haus mit Myrrhe segnen. Vergleichbar ist dies mit dem katholischen Brauch der Heiligen Drei Könige. Dann werden die Tische mit Kaffee, Tee, Kuchen und Plätzchen hergerichtet, um den Pfarrer, der mit Vorstandsmitgliedern von Haus zu Haus zieht, in Empfang zu nehmen. „Natürlich kann er nicht überall etwas essen, das wäre zu viel“, sagt Dursun und lacht. Savci ergänzt: „Viele Familien geben uns dann aber kleine Päckchen mit.“ Spätestens, wenn der Duft der Myrrhe durch die Wohnung wabert, komme Weihnachtsstimmung auf, findet Bilant Dursun.

Neben dem Besuch des Pfarrers stehen Verwandte und befreundete Familien auf der Liste. Dursun und Savci etwa sind gegenseitig Taufpaten ihrer Kinder. „Also besuchen wir uns an den Feiertagen und wünschen uns persönlich frohe Weihnachten“, erläutert Dursun. Der persönliche Gruß hat dabei eine besondere Bedeutung. „Auch wenn man sich das ganze Jahr über nicht spricht, weil man nicht im selben Ort wohnt, weiß man, dass man es wenigstens zu Weihnachten tut“, sagt der Vorsitzende. Abends kommen die Familien bei gutem Essen zusammen und packen Geschenke unterm Weihnachtsbaum aus. „Ein Baum ist Pflicht für jeden“, sagt Dursun, in gespielt ernstem Ton und mit verschmitztem Lächeln.

So alt die Glaubensrichtung sein mag, so modern halten es die Mitglieder mit der Kommunikation: So sind Videotelefonate für „entfernte“ Verwandte oder schnelle Absprachen in der WhatsApp-Gruppe darüber, in welchem Stadtteil sich Pfarrer Maksso gerade befindet, das Mittel der Wahl. „Wir telefonieren einmal um den ganzen Globus – nach Kanada, Schweden oder Australien“, schildert Savci. Die Familien von Dursun und ihm stammen ursprünglich aus Tur Abdin, einem Gebiet am Oberlauf des Tigris, das heute in der Türkei liegt. „Damals wurde die christliche Minderheit vertrieben und sie flüchtete in alle Himmelsrichtungen“, führt Savci aus.

„Das sitzt zwar tief in uns, aber dafür ist es umso schöner, dass wir in St. Maria zusammenkommen können“, findet Dursun und blickt bereits aufs kommende Jahr. Neben Renovierungen an der Fassade des Sakralbaus steht im August die offizielle Eröffnung an, zu der der Erzbischof der syrisch-orthodoxen Kirche in Deutschland kommen wird. Die Familien bezahlen die Renovierung, die nicht nur kosmetische Gründe hat, aus eigener Tasche. (Lisa Schmedemann)

Wer der Gemeinde ein kleines Weihnachtsgeschenk zukommen lassen möchte, kann auf das folgende Konto der syrisch-orthodoxen Kirche von Antochien St. Maria in Rodgau (Kontoinhaber) spenden: DE3950652124002011712

Auch interessant

Kommentare