Debatte im Haupt- und Finanzausschuss über Richter-Wohnanlage

Ein „Katastrophenviertel“ in Dietzenbach braucht dringend die Aufmerksamkeit der Politik. Eines der Probleme ist die Finanzierung von Maßnahmen.
Dietzenbach - Zwar formulieren es die Mitglieder des Haupt- und Finanzausschusses in ihrer Sitzung unterschiedlich, doch eigentlich sind sie sich einig: Der als Wohnanlage Richter bekannte Block im Südosten Dietzenbachs ist ein Problemquartier. Ein „Katastrophenviertel“ nennt es Jens Hinrichsen von den Freien Wählern. Die Anlage begleite sie schon seit Beginn ihrer kommunalpolitischen Laufbahn, und das nicht im guten Sinne, beschreibt es Stadtverordnetenvorsteherin Andrea Wacker-Hempel (Grüne) diplomatischer. Und der Stadtverordnete Cengiz Hendek (SPD) erzählt, dass er in einem der Wohnblöcke aufgewachsen ist und 25 Jahre dort gelebt hat, er träume heute noch davon. „Das ist ein sozialer Brennpunkt“, sagt er.
Hintergrund der Debatte ist ein Antrag aus dem Fachbereich 50 (Soziale Dienste). Demnach bittet die Stadtverwaltung um die Zustimmung der Fraktionen zur Installation eines Quartiersmanagement in dem Viertel und zur Annahme des Zuwendungsbescheids „Förderung Sozialer Zusammenhalt“. Damit würde die Stadt insgesamt 332 000 Euro an Fördergeldern des Landes und Bundes für soziale und städtebauliche Maßnahmen rund um das Wohngebiet in der Robert-Koch-Straße erhalten, müsste sich aber mit 128 000 Euro an der Maßnahme beteiligen.
Stadtverwaltung stellt klar: Nachverhandlung mit Hessen nicht möglich
Wegen dieses Eigenbeitrags hatte jedoch im Januar eine Mehrheit in der SVV dem Projekt die Zustimmung versagt. Die Fraktionen von CDU, FDP, WIR-BfD und AfD plädierten damals für Nachverhandlungen mit dem Land, um eine höhere Förderquote zu erreichen. Außerdem forderten sie, dass sich der Eigentümer der Liegenschaften, die Hausverwaltung Richter, finanziell an der Maßnahme beteiligt.
In dem nun erneut eingebrachten Antrag stellt die Stadtverwaltung klar, dass eine Nachverhandlung mit dem Land nicht möglich sei. Außerdem ist Markus Richter zu Gast im Ausschuss, um den Dietzenbacher Kommunalpolitikern Rede und Antwort zu stehen. Die Hausverwaltung werde in die Anlage investieren, verspricht er und zählt einige Maßnahmen auf: So sei eine Begrünung und Pflanzung von Bäumen geplant, außerdem sollen Fahrstühle und Treppenhäuser saniert werden. Für Stephan Gieseler (CDU) ist das nicht genug, er kritisiert, dass es keine verbindliche Zusage Richters für eine finanzielle Beteiligung an der städtischen „Umfeld-Verschönerung“ gebe, immerhin profitiere der Eigentümer davon. Doch Richter stellt klar: „Wir werden uns daran nicht beteiligen.“
Problemviertel in Dietzenbach: Privates Bordell in Unterkunft
Der Vertreter der Eigentümer-Familie sieht die Kernaufgabe der Hausverwaltung in der Sanierung der Anlage, den allgemeinen Handlungsbedarf streitet er hingegen gar nicht ab. Immer wieder habe er mit Überbelegung zu kämpfen, so seien in einigen Wohnungen mehrere Familien untergekommen, schildert er die Probleme. Und in einer Unterkunft sei während der Pandemie gar ein privates Bordell betrieben worden.
„Die Kapazitäten, die ich habe, kann ich nicht in die Sozialarbeit stecken“, betont Richter. „Wir werden einige hunderttausend Euro in bauliche Maßnahmen stecken, die Stadt investiert in das Soziale und das Umfeld“, sieht er die Zuständigkeiten klar verteilt.
Um einen Überblick zu bekommen, bittet Wacker-Hempel um eine konkrete Aufstellung, welche Maßnahmen die Hausverwaltung plant. Sie regt an, dass die Hausverwaltung zumindest Räumlichkeiten für Projekte der Stadt zur Verfügung stellt, eine Forderung, die Gieseler unterstützt.
Dietzenbacher Richter-Anlage: Finale Entscheidung am Freitag
Richter stellt in Aussicht, Patenschaften für Verkehrsinseln zu übernehmen, ein – derzeit brachliegendes Schwimmbad – könne unter Umständen zur Verfügung gestellt werden, auch Investitionen in einen Spielplatz könne er sich vorstellen. Einem vom Ausschussvorsitzenden Ahmed Idrees geforderten Sicherheitsdienst erteilt er hingegen eine Absage, denn „bis auf ein paar Schlägereien“ in der im Viertel beheimateten Nachtbar kann er keine Sicherheitsproblematik im Wohngebiet erkennen.
Angesichts dieser eher vagen Versprechen wollen die Kommunalpolitiker erst die Vereinbarung des Magistrats mit der Hausverwaltung Richter einsehen, ehe sie sich zu einer Zustimmung oder Ablehnung des Projekts entscheiden – die SVV hat in ihrer Sitzung am kommenden Freitag das letzte Wort. Peter Amrein, Leiter des zuständigen Fachbereichs 50, appelliert, dem Antrag zuzustimmen: „Die Stadt hat in den letzten Jahren dort nicht besonders viel investiert, jetzt ist die Chance.“ (Von Niels Britsch)
Auch der Harmonieplatz in Dietzenbach ist dringend sanierungsbedürftig. Doch so schnell wird sich am derzeitigen Zustand nichts ändern.