Der Ehrenbürgermeister der Kreisstadt war zu Gast im Erzählcafé „Dietzenbacher Menschen“

Ehrenbürgermeister Jürgen Heyer blickte im Erzählcafé „Dietzenbacher Menschen“ auf seine politische Laufbahn zurück.
Dietzenbach – Politiker müssen vor allem eines ertragen können: die Niederlage. Nur wenige reden über den Schmerz so offen wie der Sozialdemokrat Jürgen Heyer. Dietzenbachs früherer Bürgermeister sprach beim Erzählcafé „Dietzenbacher Menschen“ in den Räumen des Vereins Caglayancerit. Sein Parteigenosse und Moderator der Veranstaltung Cengiz Hendek benötigte dabei keinen Fragezettel, um den 87-Jährigen zu interviewen.
Heyer berichtet, dass es ihn durch einen Zufall in die Politik verschlagen habe. „Im August 1961 fing ich an der Dietrich-Bonhoeffer-Schule als Lehrer an“, fährt er fort. Nach einem knappen halben Jahr habe ihn Direktor Georg Weigand motiviert, die Ortsgruppenleitung der „Sozialistische Jugend Deutschlands – Die Falken“ zu übernehmen. Da in seinem Elternhaus eine „halblinks sozialdemokratisch geprägte Atmosphäre“ geherrscht habe, sei es ihm nicht schwergefallen 1962 in die SPD einzutreten, als Weigand anmerkte, „wer die Falken leitet, sollte in die Partei“.
Heyer berichtet über seinen Kandidatur gegen Friedrich Keller
Und so begann die politische Laufbahn des heutigen Ehrenbürgermeisters. Im Jahr 1968 ließ er sich zum Ersten Beigeordneten wählen und vertrat späterhin öfter den damaligen Bürgermeister Hermann Kocks, als der sich gesundheitlich nicht mehr durchgehend auf der Höhe befand.
Als Kocks’ Amtszeit 1976 nach 18 Jahren zu Ende ging, wollte Heyer dessen Nachfolger werden. Der gebürtige Frankfurter erinnert sich, wie sich fünf Kandidaten im alten Saal des „Wirtshaus zur Linde“ vorstellten und er als Favorit galt. Doch aus dem Wiesbadener Regierungsapparat stellte sich auch ein Referent auf, der durch seine landespolitische Expertise geglänzt habe – Friedrich Keller. „Keller machte eine gute Figur“. Heyer musste sich ihm knapp geschlagen geben.
Der 87-Jährige gehört nicht zu denen, die auf sattsam bekannte Floskeln setzen, à la „so etwas gehört zur Demokratie dazu“ oder „wer sich aufstellt, muss damit rechnen“. Stattdessen erklärt der Mann, „die Niederlage ging mir verdammt unter die Haut“. Das könnte so ein Moment gewesen sein, in dem Heyer im Auto seine Wut herausbrüllte, „das machte ich manchmal, wenn mich etwas ärgerte“. Mit Keller habe er die nächsten acht Jahre gut zusammengearbeitet, ihn anfangs in seiner damaligen Funktion als Stadtverordnetenvorsteher ins Amt eingeführt.
Der Hessentag zählt zu den Höhepunkten
Nach 13 weiteren Jahren übernahm der Sozialdemokrat schließlich den Posten des Rathauschefs. Pfarrer Dieter Wiegand von der Christus-Gemeinde hätte während der Kerb 1988 ihn und Dieter Rode (CDU) in seinen Keller geladen und prophezeit, „einer von euch beiden wird Bürgermeister werden“. Heyer berichtet, seinem potenziellen Gegenkandidaten verkündet zu haben, „Dieter, leider werde ich das sein“. Im Anschluss hätte man sich auf anderem Feld schon mal gemessen, „wir traten in einem Wetttrinken gegeneinander an“. Heyer konnte es als gutes Omen werten, im Pfarrkeller obsiegt zu haben, „ich konnte noch stehen“.
Als einen Höhepunkt seiner Amtszeit wertet der einstige Rathauschef den Hessentag in Dietzenbach im Jahr 2001. Der damalige Ministerpräsident Hans Eichel habe ihn 1996 im Rathaus angerufen und gefragt, „wollt ihr den Hessentag eigentlich noch haben?“. Heyer wollte, alle wollten. Später jedoch durchlitt der SPDler schlaflose Nächte, „der Hessentag hatte drei statt einer Millionen Mark gekostet“. Er hätte schlimme politische Anfeindungen erlebt, „in der Zeitung wurde schon spekuliert, ich müsse auf die Pension verzichten“. Die Vorwürfe hätten sich in Luft aufgelöst.
Heute indes erfreut sich Heyer, wie Cengiz Hendek Anfangs feststellte, großer Beliebtheit in Dietzenbach. Das bestätigte Semra Kanisicak, Geschäftsführerin des Kreisausländerbeirats Offenbach, die sich nach zwei Jahrzehnten an die Zusammenarbeit erinnert, „Herr Heyer, Sie sind ein feiner Kerl“.