Landrat Quilling im Interview: „Die Themen drängen sich förmlich auf“

Dietzenbach – Im Herbst vergangenen Jahres war er mit deutlicher Mehrheit wiedergewählt worden, heute wird Landrat Oliver Quilling (CDU) bei der Sitzung des Kreistags in seine bereits dritte Amtszeit eingeführt. Unsere Redaktion hat mit ihm über die Herausforderungen und Pläne im Kreis Offenbach sowie die Corona-Pandemie gesprochen.
Im Herbst vergangenen Jahres wurden Sie bei der Landratswahl in Ihrem Amt bestätigt - was haben Sie sich für Ihre nächste Amtszeit vorgenommen?
Die Themen drängen sich ja förmlich auf. Wir müssen in den Ausbau der Schulen und der Ganztagsbetreuung investieren. Der Klimaschutz spielt eine immer wichtigere Rolle. Die Digitalisierung und die Mobilität sind im wachsenden Kreis Offenbach weitere zentrale Themen.
Wollen Sie etwas anders machen als bisher?
Die nächsten sechs Jahre werden weiterhin durch die Sachthemen bestimmt werden. Wiedergewählt zu werden, bedeutet auch, dass der bisherige Politikstil bestätigt wurde.
Wie beurteilen Sie die Verkehrssituation, wenn man vom Kreis Offenbach in den Main-Kinzig-Kreis kommen möchte und umgekehrt?
Generell ist die Erreichbarkeit des Main-Kinzig-Kreises aus dem Kreis Offenbach gut: Der Ostteil grenzt direkt an Hanau an. Aus der Mitte des Kreises schafft die B45 eine schnelle Verbindung. Der Westkreis kann über die A661 oder alternativ über die A3 in den MKK gelangen. Die Frage spielt sicher auf die Mainfähre Mühlheim an...
Ja, auch...
Einzig für die Menschen aus Mühlheim hat sich durch die Einstellung des Fährbetriebs die Erreichbarkeit des benachbarten Maintals verschlechtert. Wir haben vieles versucht, die Fährverbindung aufrecht zu erhalten. Doch letztendlich hat das Faktische gesiegt. Es hat sich niemand gefunden, der die Fähre fährt oder betreibt. Ich kann den Frust der Menschen in Mühlheim verstehen, weil eine traditionelle Verbindung weggefallen ist. Aber realistisch betrachtet, sprachen die Nutzerzahlen eine andere Sprache.
Die da wäre?
Wie eine Erhebung ergab, kam nur ein Drittel der Fahrgäste aus Mühlheim. Mit der Rumpenheimer Fähre gibt es eine Verbindung in der Nähe. Für Fußgänger gibt es die Möglichkeit, den Übergang bei der Schleuse zu nutzen. Darüber hinaus beteiligen wir uns an der Machbarkeitsstudie einer „Neuen Mainquerung“ zwischen Offenbach-Rumpenheim und Hanau-Steinheim unter Federführung des Regionalverbandes FrankfurtRheinMain.
Welche Fortschritte macht die Klimapolitik des Kreises, zum Beispiel bei der Ausstattung der Schuldächer mit Photovoltaikanlagen?
Wir haben inzwischen Photovoltaikanlagen nachgerüstet, wo es die Statik zugelassen hat. Das betrifft insgesamt 29 Liegenschaften. Bei Neubauten setzen wir immer auf Photovoltaik. Darüber hinaus konzipieren wir alle Neubauten auf den Niedrigenergiestandard. Zudem erfolgten bereits viele energetische Sanierungen, beispielsweise die Alfred-Delp-Schule in Seligenstadt-Froschhausen. So werden jährlich viele Tonnen CO2 eingespart.
Ferner gilt es die Nahmobilität durch attraktive ÖPNV- und Radwegeverbindungen weiter zu optimieren, um Berufspendler zum Umstieg, zum Beispiel auf den ÖPNV, zu motivieren.
Wie beurteilen Sie die Corona-Situation im Kreis?
Die Lage im Kreis Offenbach unterscheidet sich nicht von der Lage in der gesamten Region und folgt dem Bundestrend. Wir melden inzwischen tagtäglich neue Höchstwerte.
Wie ist die Situation im Kreisgesundheitsamt nach zwei Jahren Pandemie?
Die Kolleginnen und Kollegen sind nach wie vor sehr engagiert und geben ihr Bestes. Meine Hochachtung für deren Leistung in den vergangenen zwei Jahren. Die Ausbreitung des Virus können wir durch das Gesundheitsamt nicht mehr verhindern, deswegen konzentrieren wir uns auf die vulnerablen Gruppen sowie die Kindergärten und Schulen.
Hat man dort die Nachverfolgung von Kontaktpersonen Infizierter angesichts der Rekordzahlen inzwischen aufgegeben?
Einerseits hat das Land die Regelungen für eine Kontaktpersonenerfassung geändert, so ist diese ja beispielsweise beim Restaurantbesuch oder Sport nicht mehr nötig. Andererseits kann bei 1.000 neuen Fällen am Tag keine Kontaktpersonennachverfolgung mehr erfolgen. Wir konzentrieren uns auf besondere Fälle.
Schon frühzeitig haben einzelne Fraktionen im Kreistag Luftfilter für die Schulen gefordert, die Koalition und Sie das aber lange als nicht notwendig abgelehnt, dann aber doch die Ausstattung der Klassenzimmer mit Luftfiltern beschlossen. Warum die Kehrtwende und warum so spät?
Wir beschäftigen keine Aerosolforscher und müssen uns auf die wissenschaftlichen Erkenntnisse der übergeordneten Behörden verlassen, in diesem Fall des Umweltbundesamtes. Dieses hat seine Empfehlung am 9. Juli 2021 dahingehend ergänzt, dass sich nach Modellrechnungen in Räumen mit ausreichender Belüftungsmöglichkeit ein Zusatznutzen durch mobile Luftreiniger erzielen lässt, insbesondere wenn die empfohlene Lüftung und die Befolgung der AHA-Regeln nicht konsequent umgesetzt wird. Wir haben unmittelbar eine Ausschreibung für die entsprechenden Geräte vorbereitet. Das ist ein sehr aufwendiges Verfahren.
Die Schulen im Kreis sind ja auch nach zwei Jahren Pandemie nur mangelhaft für den Digitalunterricht ausgestattet, was beispielsweise WLAN und eine Unterrichtssoftware angeht - sind Sie da erleichtert, dass für Bundes- und Landespolitik trotz der hohen Infektionszahlen bei Kindern und Jugendlichen Schulschließungen nicht infrage kommen?
Das ist so nicht richtig. Wir haben als einer der ersten Schulträger in Hessen bereits im vergangenen Frühjahr alle 86 Schulen komplett mit WLAN ausgeleuchtet. In Zahlen bedeutet dies rund 1 900 Access Points. Um das digitale Lernen auch in der Praxis vollumfänglich zu nutzen, wird laut Modellrechnungen ein Datenvolumen von 30 bis 50 Mbit pro Klassenraum benötigt. Für Grundschulen mit wenig Klassenräumen genügt dafür eine DSL-Leitung, bei größeren Schulen kann dagegen nur ein Glasfaseranschluss das benötigte Datenvolumen vollumfänglich sicherstellen. 72 der Schulen im Kreisgebiet werden in den kommenden Monaten deshalb über Förderprogramme von Bund und Land Hessen ans schnelle Internet angeschlossen. Der Startschuss ist im November 2021 gefallen.
Bei vielen Menschen sorgen derzeit die Quarantäne-Regeln für Verwirrung. Ist es zum Beispiel richtig, dass sich ein dreifach geimpfter, symptomfreier Haushaltsangehöriger von Corona-Infizierten nicht in Quarantäne begeben muss, obwohl bekannt ist, dass der Booster nicht vor einer Ansteckung schützt und auch die Schnelltests Omikron nicht zuverlässig erkennen?
Als Arbeitgeber haben wir für die Kreisverwaltung eine über die Landesverordnung hinaus gehende Regelung erlassen: Wer mit einer infizierten Person in einem Haushalt lebt, arbeitet im Homeoffice oder, wenn dies nicht geht, wird freigestellt. Dies geht dann aber zu unseren Lasten.
In Ihrer Heimatstadt Neu-Isenburg sorgt Ihr CDU-Ortsverband gemeinsam mit den Grünen gerade für mächtig Aufregung, weil sie nach der verlorenen Bürgermeisterwahl kurzerhand einen zweiten hauptamtlichen Stadtrat als Posten für die Koalition geschaffen haben - können Sie dazu etwas sagen?
Soweit mir bekannt ist, gab es diese Überlegung bereits vor der Bürgermeisterwahl. Als Landrat bin ich für die Kommunalaufsicht zuständig. Deswegen bitte ich um Verständnis, dass ich mich dazu nicht weiter öffentlich äußere.
(Das Interview führte Niels Britsch)