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Interview mit der Geschäftsführerin der EVD - ein Gespräch über steigende Preise und Klimaschutz

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Von: Ronny Paul

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Energiebringer: Das für die Fernwärme genutzte Heizwerk am Bahnhof Mitte.
Energiebringer: Das für die Fernwärme genutzte Heizwerk am Bahnhof Mitte. © p

Fernwärme ist nach wie vor ein heiß diskutiertes Thema in Dietzenbach. Nicht nur bei den Kunden, sondern auch in der Politik.

Dietzenbach – Die Geschäftsführerin der Energieversorgung Dietzenbach (EVD), Lena Blazek, spricht im Interview über Kostensteigerungen, das Fernwärmeprojekt und den anstehenden Prozess vor dem Bundesgerichtshof.

Die EVD hat am Dienstag per öffentlicher Bekanntmachung in unserer Zeitung verkündet, dass eine preisneutrale Anpassung der Preisänderungsklausel notwendig sei. Was steckt dahinter?

Das Preissystem der EVD besteht aus einem Preisblatt und einer Preisänderungsklausel. Diese legt fest, wie die Preise sich jährlich entwickeln. Durch die Anwendung der Preisänderungsklausel werden objektive Marktpreise in Form von Statistikreihen des Statistischen Bundesamtes und notierten Börsenpreisen nach vorgegebenen Rechenwegen in die Bildung der Fernwärmepreise einbezogen. Leider kommt es von Zeit zu Zeit vor, dass bestimmte Datenquellen nicht mehr zur Verfügung stehen oder die Werte des Statistischen Bundesamtes umbasiert werden, das heißt, ein neuer Referenzwert der statistischen Reihen definiert wird.

Was passiert dann?

Dies war im vergangenen Jahr für den Investitionsgüterindex der Fall – hier erfolgte die Umbasierung vom Jahr 2010 auf das Jahr 2015. Ebenso wird der bisher verwendete Wert für die Drittlandskohle nicht mehr durch das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) berichtet. In diesem Fall müssen wir ihn durch einen anderen adäquaten Wert ersetzen. Dies muss preisneutral erfolgen. Da sich im Bereich Kohle der nun von uns verwendete Index des Statistischen Bundesamtes in den letzten Jahren etwas anders entwickelt hat als die bisherigen Werte der BAFA, haben wir hier zusätzlich zur Sicherung der Preisneutralität einen Korrekturfaktor eingeführt, der mit 0,9047 die Entwicklung entsprechend abdämpft.

Das heißt, die Preise werden zum 1. Oktober steigen?

Durch die Anwendung der Preisänderungsklausel können je nach Entwicklung der Indizes Preise steigen oder fallen. In den vergangenen zwei Jahren sind die Energiepreise deutlich gestiegen. So haben sich Zertifikate für CO2, die im Sinne des Klimaschutzes erworben werden müssen, um das Vierfache verteuert. Die Preise für Erdgas haben sich um 29 und die Preise für Kohle um rund 28 Prozent erhöht. Der EVD war es im vergangenen Jahr möglich, diese Steigerungen einmalig nicht an die Kunden weiterzugeben. Aufgrund der stetigen Preissteigerungen sehen wir uns aber nach zwei Jahren Preisstabilität nun gezwungen, wie viele andere Versorger in Deutschland auch, zum 1. Oktober die vorgesehene Preisänderungsklausel anzuwenden. Dies wird zu einer Erhöhung der Fernwärmepreise für unsere Kunden führen.

Wie hoch sind die Auswirkungen?

Bei einem Einfamilienhaus mit einem jährlichen Verbrauch von 18 000 Kilowattstunden etwa bedeutet die Tariferhöhung zum Oktober Mehrkosten in Höhe von rund 21 Euro im Monat. Wir bieten jedoch ab Oktober einen zusätzlichen Wahltarif „EVDbasic“ an, mit dem die Kunden bis 45 Kilowatt Anschlussleistung neben weiteren Vorteilen die Preissteigerung um mehr als die Hälfte reduzieren können. Hier kommt das genannte Einfamilienhaus auf Mehrkosten von nur rund neun Euro im Monat mit der zusätzlichen Möglichkeit einer Preisbindung über 24 Monate.

Seit Längerem läuft ein von der EVD ins Leben gerufenes Fernwärmeprojekt. Was wurde bislang erarbeitet?

Mit der Nutzung von Fernwärme setzen die Verbraucher auf eine Energie, die nicht nur nachweisbar günstig ist, sondern in Zeiten intensiver Diskussionen um Umweltthemen auch eine der nachhaltigsten Heizmöglichkeiten darstellt. Im Rahmen unseres Projektes „Fernwärme in Dietzenbach“ haben wir genau diese Fragestellungen betrachtet. Dazu hatten wir unter anderem Unterstützung des Institutes für Energie- und Umweltforschung mit Sitz in Heidelberg, das in der für uns erarbeiteten Studie zu dem Schluss kam, dass die Fernwärme bei der Bilanz der Treibhausgas-Emissionen deutlich bessere Werte erzielt als Heizungsanlagen, die mit Erdgas-Brennwerttechnik oder Heizöl betrieben werden. Darüber hinaus wurde ein Vergleich mehrerer Versorgungssysteme mit der Fernwärme in Dietzenbach vorgenommen. In diesem Vollkostenvergleich, in dem nicht nur die jährlichen Wärmelieferungen Berücksichtigung finden, sondern auch die Erstinvestition und die laufenden Wartungs- und Instandhaltungskosten, kam das Institut zu dem Schluss, dass die Fernwärme in Dietzenbach für Bestandskunden im Privatbereich die wirtschaftlichste Lösung darstellt. Ziel des Projektes war es unter anderem, genau diese Aspekte herauszuarbeiten und diese Informationen auch unseren Kunden zugänglich zu machen. Daher werden wir in Kürze die Ergebnisse des Projektes bekannt machen.

Inwieweit sind Sie in Kontakt mit den Vertretern der beiden Interessensgemeinschaften? Wie ernst nehmen Sie deren Anliegen?

Derzeit stehen wir nicht im direkten Kontakt mit der Interessengemeinschaft – in der letzten Zeit haben wir uns ganz auf das Fernwärmeprojekt unter Einbeziehung der uns entgegengebrachten Anliegen unterschiedlicher Fernwärmekunden und Interessenvertretern über die Mitglieder der Interessengemeinschaft hinaus konzentriert. Die Anliegen der Interessengemeinschaft, die wir in vielen Gesprächen in den letzten Jahren ausgetauscht hatten, sind ebenso in der Projektarbeit berücksichtigt worden wie Themen aus den Diskussionen mit Gremien- und Fraktionsvertretern. Ebenso haben auch wirtschaftliche und rechtliche Rahmenbedingungen Eingang gefunden. Wir nehmen, wie auch in der Vergangenheit, die Anliegen aller unserer Kunden ernst und nehmen uns gerne Zeit zu einem persönlichen Austausch.

Lena Blazek
Lena Blazek © p

Vonseiten der EVD heißt es stets, man wolle eine zuverlässige und wirtschaftlich attraktive Fernwärmeversorgung in Dietzenbach sicherstellen. Wie wirtschaftlich attraktiv ist die Fernwärme, wenn die Benutzer durch den Anschlusszwang keine andere Wahl haben?

Die Satzung zur Fernwärme der Kreisstadt bietet bereits heute allen Kunden im Anschlussgebiet Möglichkeiten einer alternativen Wärmeversorgung – einzige Einschränkung ist hier, dass es sich bei der Alternative um Heiz-, Warmwasserheizsysteme handeln muss, die über regenerative Energien betrieben werden.

Mit Blick auf den Klimaschutz: Fernwärme hängt immer noch irgendwie am Tropf fossiler Energieträger. Wann wird sich das ändern?

Der Großteil der Wärme der EVD wird im Rahmen eines Wärmeverbundes im Müllheizkraftwerk erzeugt – nur in Spitzenzeiten über den Winter wird auch über ein Kohlekraftwerk Wärme hinzugespeist. Wir beschäftigen uns zurzeit mit der Einspeisung von Abwärme aus der Kläranlage in unser Fernwärmenetz. Trotz des Anteils fossiler Energieträger in der Erzeugung kann sich unsere Fernwärme mit einem Primärenergiefaktor von 0,40 sehen lassen und ist damit in der Klimabilanz deutlich vor Heizungsanlagen, die mit Erdgas-Brennwerttechnik oder Heizöl betrieben werden und sogar gegenüber Wärmepumpen schneidet die Fernwärme in diesem Punkt besser ab.

Der Prozess vor dem Bundesgerichtshof nach der Klage des Bundesverbandes der Verbraucherzentralen wegen einseitig veränderter Preisänderungsklauseln steht noch aus. Wie optimistisch blicken Sie dem entgegen?

Wir schauen dem Gerichtsverfahren vor dem Bundesgerichtshof insofern optimistisch entgegen, als dass wir nach der Urteilssprechung endlich Klarheit in dieser Grundsatzfrage haben werden. Die zwei bereits durchlaufenen Instanzen haben gezeigt, dass es sowohl in der Literatur, aber auch in anderen Verfahren vor dem OLG oder BGH unterschiedliche Meinungen zu dem Thema Öffentliche Bekanntmachungen gibt. Für uns ist es notwendig, eine langfristig rechtssichere und praktikable Lösung zu erreichen, damit wir mit unseren Kunden auf einer klaren Basis zusammenarbeiten können.

Gemäß dem Fall, die EVD würde den Prozess verlieren, was passiert dann?

Gleich, ob wir den Prozess gewinnen oder verlieren, werden wir intensiv die Urteilsbegründung des Gerichts auswerten und uns mit dieser auseinandersetzen. Die Begründung wird für die zukünftige Ausgestaltung der Lieferverhältnisse mit unseren Kunden ausschlaggebend sein. Da wir nicht absehen können, wie die Entscheidung des Gerichts und die dazugehörige Begründung ausfällt, können wir nicht konkret angeben, welche Folgen die gerichtliche Entscheidung haben wird.

Das Gespräch führte Ronny Paul.

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