Dietzenbach ist offiziell Kommune mit „angespanntem Wohnungsmarkt“

Im Rhein-Main-Gebiet eine Wohnung zu finden, ist nicht einfach. In Dietzenbach und weiteren Kommunen der Region ist das jetzt offiziell.
Dietzenbach - Ganz offiziell ist die Kreisstadt jetzt eine Kommune mit „angespanntem Wohnungsmarkt“. Wie Ursula Becking-Noller, Abteilungsleiterin Stadtplanung, in der letzten Ausschussrunde mitteilte, hat das Hessische Ministerium für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Wohnen mehreren Orten im Kreis Offenbach dieses Siegel verpasst. Damit ist nicht nur die sogenannte Mietpreisbremse anwendbar, es gilt künftig unter anderem ein neues Vorkaufsrecht für die Stadt, vor allem bei brachliegenden Grundstücken.
Grundlage für die Maßnahme sind das „Baulandmobilisierungsgesetz“ vom Juni 2021 sowie die Aufnahme der Stadt in die sogenannte „Umwandlungs- und Gebietsbestimmungsverordnung“. Damit sollen Kommunen künftig mehr Möglichkeiten haben, Bauland festzulegen und dabei auch bezahlbaren Wohnraum zu schaffen. Zur Feststellung des „angespannten Wohnungsmarktes“ diente ein Gutachten des Instituts für Wohnen und Umwelt (IWU). Danach werden neben Dietzenbach auch Dreieich, Egelsbach, Hainburg, Heusenstamm, Langen, Mainhausen, Neu-Isenburg und Obertshausen entsprechend klassifiziert.
Dietzenbach: Vor allem Geringverdiener finden keinen bezahlbaren Wohnraum
Mit der Mitteilung im Ausschuss lässt sich ein Bogen schlagen zu einer Diskussion der Stadtverordneten vor einem Jahr. Schon damals ging es um die sogenannte Mietpreisbremse, die eine Begrenzung der Miete bei Wiedervergabe einer Wohnung vorgibt. Nach Ansicht der CDU hatte der damalige Bürgermeisterkandidat und amtierende Erste Stadtrat Dieter Lang (SPD), der heute an der Verwaltungsspitze steht, die Abwesenheit seines Vorgängers, Bürgermeister Jürgen Rogg, in einer „Nacht- und Nebelaktion“ genutzt und mithilfe einer Stellungnahme an die Landesregierung die Mietpreisbremse in Dietzenbach eingeführt. Von diesem Vorgehen habe er erst viel später erfahren, behauptete Rogg, dem widersprach Lang allerdings vehement und verwies auf eine entsprechende Mitteilung.
Indes stellte eine Sprecherin des Hessischen Wirtschaftsministeriums im Laufe der Auseinandersetzung fest: „Ohne Stellungnahme wäre die Stadt Dietzenbach nicht in Verordnung aufgenommen worden.“ Denn dieser Schritt setze nicht nur die IWU-Beurteilung voraus, sondern auch eine Selbsteinschätzung der jeweiligen Stadtoberhäupter.
Laut Institutsgutachten lautete die Selbsteinschätzung der Stadt Dietzenbach folgendermaßen: „Die Zahl der fertiggestellten Wohnungen ist zwar gestiegen. Dies betrifft jedoch ausschließlich das Segment des gehobenen Wohnens. Auf dem Teilmarkt des preisgünstigen Wohnmarktes sieht die Stadt einen erheblichen Nachholbedarf. Aufgrund der mangelnden Wohnraumversorgung in diesem Bereich sieht die Stadt ihren Wohnungsmarkt als angespannt an.“ Heißt: Vor allem junge Familien, Alleinerziehende oder Rentner haben es in der Kreisstadt schwer, bezahlbaren Wohnraum zu finden.
Dietzenbach: Verschärftes Recht wegen „angespanntem Wohnungsmarkt“
Der könnte jetzt, da Fakten geschaffen wurden, mit dem verschärften Recht entwickelt werden. Die Kommune hat ein Vorkaufsrecht für unbebaute und brachliegende Grundstücke im Innenbereich mit einem Bebauungsplan. Unterliegt das Quartier noch keinem Plan, kann sie mithilfe eines „einfachen Bebauungsplans“ Flächen bestimmen, auf denen Wohnen realisiert wird, insbesondere mit sozialer Förderung.
Darüber hinaus gibt es ein verlängertes Vorkaufsrecht für sogenannte Schrott- und Problemimmobilien. Ebenso kann verlangt werden, ein Grundstück mit Wohneinheiten zu bebauen, auch wenn eine andere Gestaltung möglich wäre. Aber: „Dabei muss das Verfügungsrecht zugunsten des Familienkreises gewahrt bleiben“, betonte Becking-Noller. Das heißt, der Eigentümer geht vor, der das Grundstück für einen Ehegatten oder Verwandte in gerader Linie erhalten will. (Von Barbara Scholze)